Der Förderverein Museum Jülich e.V. blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2016 zurück. Die Minerva-Preis-Verleihung und das Engagement für den notwendigen Eigenanteil des Museums Zitadelle zur Teilnahme am Restaurierungsprogramm des Landes NRW waren zwei Schwerpunkte. Dazu kommt nun noch der erfolgreiche Abschluss einer langwierigen Neuerwerbung für die Schirmersammlung mit Hilfe der Ankaufsförderung des Landes NRW.
Als die Jülicher Experten 2014 das 42 x 54,8 cm Gemälde mit italienischem Motiv von 1839/40 im Kunsthandel entdeckten, war die Aufregung groß. Der 1807 in Jülich geborene Johann Wilhelm Schirmer ist für die Entwicklung der Landschaftskunst im 19. Jahrhundert eine entscheidende Schlüsselfigur. In den großen Sammlungen des In- und Auslands lassen sich seine Werke finden. Das Museum Zitadelle Jülich präsentiert im Pulvermagazin die größte ständige Ausstellung zu dem Künstler, der aufgrund der Ausbildung von rund 300 Schülern als erfolgreichster Kunsterzieher des 19. Jahrhunderts bezeichnet wird. Der Förderverein des Museums hat in den letzten 15 Jahren maßgeblich zur Profilierung dieses überregional bekannten Aushängeschildes des Museums beigetragen. Das vorliegende Gemälde ist Teil einer Serie von großen, bildmäßigen Freilichtstudien. Im frühen 19. Jahrhundert nutzten Künstler die Pleinairmalerei zur farbigen, naturtreuen Erfassung von Motiven und vor allem Stimmungen vor Ort. Mit einer lockeren Pinselführung und pastosem Farbauftrag gibt Schirmer die Ansicht eines italienischen Bergdorfes wieder. Der kleine Ort Olevano war im 19. Jahrhundert stark frequentiert. Er lag auf der Route von vielen deutschen Künstlern, die das malerische Umland von Rom erkundeten, und war auch bei anderen europäischen Malern ein Muss. Wie bei vielen seiner Freilichtstudien arbeitete Schirmer auch hier mit Ölfarbe auf Papier. Später wurde sie auf Holz aufgezogen. Typisch ist das Kürzel „J.W.S.“ unten rechts, mit dem die in der Ausbildung eingesetzten „Vor-Bilder“ markiert waren. Dank der Kontakte des Jülicher Museums kann das Motiv ganz konkret verortet werden. Es ist der Blick von Olevano nach San Vito. Bei einer Forschungsreise in Latium wurde mit dem aus Olevano stammenden Kunsthistoriker Domenico Riccardi der Standpunkt des Malers lokalisiert.
Von unmittelbar vor der Porta Sole blickt man auf die ins Tal abfallenden Via Ara di Sante links und die Via San Giovanno rechts. Im Mittelgrund links ist die Kapelle Santissima Annunziata zu sehen, im Hintergrund die Praenestinerberge mit dem Monte Guadaguolo.
Vor der Erfindung der Fotografie waren Studien wie diese die wichtigste Arbeitsgrundlage für die Ausarbeitung von Gemälden im Atelier. Während den modernen Betrachter heute besonders der Eindruck des spontanen, schnellen Malvorgangs anspricht, hatte dies für die Künstler selbst eher praktische Bedeutung. Die reine Naturerfassung hatte zu Zeiten Schirmers noch nicht den Stellenwert eines ausgeführten Kunstwerkes. Als sich die Wertschätzung der Naturstudie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert änderte und die Freilichtmalerei spätestens mit dem Impressionismus zum Maß aller Dinge wurde, hat man zum Verkauf nicht selten ältere Studien nachträglich vollendet oder aufgezogen, um sie auf diese Weise marktgängig aufzuwerten. Zum Glück wurde die Studie schon vor dem Ankauf durch den Förderverein restauriert. Unter vergilbtem Firnis kam die ursprüngliche Farbwirkung zu Tage. Dabei wurde klar, dass auch im Fall der Olevano-Studie nicht nur Schirmer den Pinsel anlegte. Ein im Dunst liegender Höhenzug im Hintergrund war unter den Übermalungen fremder Hand am Himmel verschwunden, um Probleme beim Aufkleben des Papiers zu kaschieren. Unverhofft stellte sich bezüglich der die Studie belebenden Menschen und Tiere eine weitere Besonderheit heraus. Für gewöhnlich waren sie Inhalt separater Studien. Hier verband Schirmer jedoch beides und griff noch ein zweites Mal selbst zum Pinsel. Nicht von vorneherein gab es einen schwerbepackten Esel auf der Straße im Vordergrund und die Personengruppe war – durch ein Röntgenbild erkennbar – zunächst anders angelegt. Das bewusste gestalterische Eingreifen ist ein Indiz, dass Schirmer die Studie schon gedanklich im Hinblick auf ein Gemälde veränderte, denn Staffagefiguren kommen sonst in seinen Landschaftsstudien nicht vor. Das Gemälde ist daher eine Besonderheit. Der Bildfindungsprozess und die Fragestellung der Lokalisierung bilden zusammen mit maltechnischen Untersuchungen den spezifischen Forschungs- und Vermittlungsansatz des Museums Zitadelle. Die Jülicher Sammlung wird durch die Studie sehr sinnvoll und prägnant bereichert. Besonderen Dank gilt dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes, das durch einen 50%-Zuschuss den Ankauf durch den Förderverein des Museums Zitadelle Jülich ermöglichte.