Im wahrsten Sinne des Wortes „nachgegangen“ wird der Frage nach dem historischen Erbe am Sonntag, 8. April, bei einer Führung der Volkshochschule Jülicher Land. Der Vorsitzende des Fördervereins Festung Zitadelle Jülich e.V., Dr. Rüdiger Urban, erläutert bei einem Spaziergang durch die historisch geprägte Jülicher Innenstadt den Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg sowie den historischen Hintergrund. Dabei führt er aus, dass es das Erscheinungsbild der historisch geprägten Innenstadt ist, das unter Denkmalschutz steht. Der Grund dafür ist, dass sich darin die verschiedenen Facetten des Jülicher Erbes der Idealstadtanlage der Renaissance widerspiegeln.
Was hat es mit dieser sogenannten „Idealstadtanlage“, die im 16. Jahrhundert entstand, auf sich? Es war eine Stadt, die nach völlig neuen Grundsätzen entworfen worden war. Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg ließ sie nach einem verheerenden Stadtbrand errichten – eine Stadtanlage, wie sie nördlich der Alpen kein zweites Mal zu finden war. Die Stadt umgab eine noch heute erkennbare fünfeckige Festungsanlage. Diese wurde von einer quadratischen Zitadelle mit dem herzoglichen Schloss im Stil der italienischen Hochrenaissance beherrscht. Charakteristisch für den Festungsbau dieser Zeit sind die an der Zitadelle noch heute erkennbaren breiten Wälle und Bastionen. Damit galt die Festung am strategisch bedeutsamen Rurübergang als uneinnehmbar. Jülich erstand als eine moderne, steinerne Stadt mit zentralem, quadratischem Marktplatz, geraden breiten Straßen und verteidigungstechnisch bedingten Bebauungsgrundsätzen. Diese Idealstadtanlage demonstrierte Macht und Kunstsinn des Herzogs, betonte die staatliche Ordnung im Herzogtum, besaß eine optimale Verteidigungsfähigkeit und bot eine vergleichsweise moderne Urbanität.
Wie konnte sich diese renaissancezeitliche Prägung über all die Jahrhunderte erhalten? Die Gründe liegen letztlich in tragischen Ereignissen in der herzoglichen Familie und machtpolitischen Entwicklungen in Mitteleuropa. Sie ließen die Zitadelle bald zu einer reinen Garnison herabsinken. Während die Festungsanlagen ständig erweitert wurden, versank die Stadt in eine Art „Dornröschenschlaf“. Eingemauert in ihren Wällen bewahrte sie ihren Charakter – auch über die Niederlegung der Stadtbefestigung 1860 hinaus.
Woran erkennt man heute die verschiedenen Facetten des Erbes der Idealstadtanlage? Innerhalb der ehemaligen Wallstraßen (Schirmerstraße, Schützenstraße, Am Aachener Tor, Bauhofstraße, Poststraße) wurde nach dem Krieg auf dem fast unverändert überkommenen Stadtgrundriss aus dem 16. Jahrhundert wieder aufgebaut. Man orientierte sich zudem an den herzoglichen Bebauungsgrundsätzen. Wählten die Planer des Wiederaufbaus eine im Grunde schlichte Formensprache so griffen sie dennoch in ihren Bauten einzelne Architekturformen aus der Renaissance auf. Diese drei Elemente, Stadtgrundriss, Bauordnung und Zitate renaissancezeitlicher Architekturformen machen das Erscheinungsbild Jülichs zu einem herausragenden stadtbaugeschichtlichen und kulturhistorischen Dokument des Wiederaufbaus der Nachkriegszeit. Deswegen wurde es 1993 unter den Schutz einer Denkmalbereichssatzung gestellt. Das heißt, wesentliche Änderungen am Erscheinungsbild bedürfen der Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde.
Die Führung schildert die historischen Zusammenhänge, erläutert die noch erkennbaren Elemente der renaissancezeitlichen Stadtfestung, erklärt den charakteristischen Wiederaufbaustil im heutigen Stadtbild und zeigt auf, wo dieser durch moderne Bauten gefährdet ist. Zitadelle und Schloss werden nicht besucht.
Bitte melden Sie sich für diese Führung bei der VHS Jülicher Land an (telefonisch oder über das Internet: [email protected]). Treffpunkt ist am 8. April um 11 Uhr an der Pasqualini-Brücke, dem stadtseitigen Eingang der Zitadelle. Es wird eine Gebühr von 5 Euro pro Teilnehmer erhoben. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 Personen begrenzt.