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Eine Bastion des Ehrenamts

Förderverein »Festung Zitadelle Jülich e.V.«

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Jülichs Marktplatz nach dem Wiederaufbau | Foto: Foto: Förderverein „Festung Zitadelle Jülich e.V.“
Marktplatz mit dem Alten Rathaus als herausragendes Zeugnis für den gelungenen Wiederaufbau Jülichs nach dem Zweiten Weltkrieg | Foto: Förderverein „Festung Zitadelle Jülich e.V.“
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Vor 70 Jahren, am 16. November 1944, wurde Jülich durch Fliegerbomben zertrümmert. Es gilt seither als die am stärksten zerstörte Stadt Deutschlands. Doch wenige Monate nach Kriegsende, im November 1945, erstellt Theodor Wildeman, Provinzialbaurat und Vertreter der obersten Denkmalbehörde in der Nord-Rheinprovinz, nach einem Besuch der Altstadt Jülichs einen bewegenden Reisebericht. Seine Sorge gilt nicht nur der Frage, wie hier wieder Menschen leben sollen und städtisches Leben erblühen könnte. Wildeman vermittelt seine weitsichtigen Eindrücke, warum und vor allem wie diese Stadt „idealauf-erstehen“ könnte, wie er es nennt. Er legt damit einen der frühesten Grundsteine für die „dritte Stadtgründung“ Jülichs, das für ihn weit über Westdeutschland hinaus ein unschätzbares architektonisches Erbe birgt, das zu bewahren und zu gestalten sei und mit dem es auch zu wuchern gelte.

Das Gesicht dieser „Idealauferstehung“ entwirft der Aachener Professor für Architektur und Stadtentwicklung René von Schöfer. Kongenial weiß er dabei anzuknüpfen an die Grundsätze der „zweiten Stadtgründung“ genau 400 Jahre zuvor unter dem italienischen Baumeister Alessandro Pasqualini. Dieser entwirft Jülich auf dem Reißbrett als „italienische Idealstadt der Renaissance“ mit dem Fünfeck der Stadtanlage, der mächtigen Zitadelle und dem herzoglichen Schloss. Es ist naheliegend, dass sich der Wiederaufbau nach 1945 zunächst der Stadtentwicklung widmet. Prof. von Schöfer bewahrt den seit Pasqualini unveränderten Grundriss des Altstadtkerns und deutet Form und Funktionalität der Idealstadt neu: optimale Verteidigungsfähigkeit, architektonische Repräsentation herzoglicher Macht und neuzeitliche Urbanität. Das Erscheinungsbild der historischen Altstadt Jülichs ist seither geprägt durch eine zeitgemäße, jedoch Baumerkmale und Stilelemente der Renaissancestadt widerspiegelnde Architektur.

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Ab den 1960er Jahren, mit dem langsamen Auslaufen des Wiederaufbaus, geraten die das Zentrum Jülichs prägenden Charakteristika in Vergessenheit. Bald wendet man sich aber den Wehranlagen der Zitadelle und den Schlossruinen zu und die Frage des Umgangs mit der Zitadelle rückt in den Mittelpunkt lebhafter Diskussionen: Nach Jahrhunderten des Militärs findet das Schloss mit einem Gymnasium endlich eine friedliche Nutzung. Damit fokussiert sich der Blick von Politik, Verwaltung und auch der Bürgerschaft zunehmend auf die „Festungsstadt“ Jülich.

Dies regt eine Gruppe tatkräftiger Damen und Herren um Adi Retz an, mit eigenen Ideen Verantwortung zu übernehmen. Unter seinem Vorsitz gründet sich 1986 der Förderverein »FESTUNG ZITADELLE E.V.«, der sich für den Denkmalschutz in Jülich einsetzt. In den ersten Jahren stehen Schutz, Pflege, Erforschung und Präsentation von Zitadelle und Schloss im Mittelpunkt der Arbeiten. Hier sei an die mehrfach erfolgreich durchgeführten Zitadellenfeste erinnert. Doch mit fortschreitender Aufarbeitung der Jülicher Nachkriegsgeschichte insbesondere unter dem Vorsitzenden Conrad Doose, der den Verein seit 1993 mit großer Tatkraft leitet, rückt die „Pasqualinische Altstadt“, das Stadtdenkmal der renaissance-zeitlichen Idealstadt mit seinen bedeutenden Baudenkmälern, in das Zentrum der Vereinsarbeit. Es gelingt mit einer Vielzahl von Presse-, Fach- und Buchveröffentlichungen, mit Ausstellungen, wissenschaftlichen Symposien sowie ungezählten Führungen durch Vereinsmitglieder, bei Bürgerinnen und Bürgern sowie Touristen das Bewusstsein für die eben doch sehr planvoll wiederaufgebaute Stadt und damit für das unschätzbare architektonische Erbe Jülichs zu schärfen.

So tritt auf Betreiben des Fördervereins 1993 die Denkmalbereichssatzung in Kraft. Mit ihr werden der Renaissance-Grundriss des Altstadtkerns im pasqualinischen Fünfeck und das nach 1945 wiedererstandene, am historischen Vorbild der Idealstadt orientierte Stadtbild geschützt – womit endlich auch das Wiederaufbaukonzept von Theodor Wildeman, Prof. von Schöfer und dem versierten Jülicher Stadtbaumeister Heinz Sieprath gewürdigt wird. An die Wiederaufbauleistung der Jülicher Bevölkerung, insbesondere auch der Frauen, wird seit 2002 mit einem durch den Förderverein auf dem Schlossplatz errichteten „Wiederaufbaudenkmal“ erinnert.

Im Laufe der Jahre öffnet sich der Förderverein der Unterstützung weiterer Baudenkmäler, die mit der Historie Jülichs unmittelbar verbunden sind, wie Schloss Hambach, das Jagdschloss Herzog Wilhelms V., und die Burg Engelsdorf, eine der Fluchtburgen der Jülicher Grafen und Herzöge. Dort wird die Bestandssicherung des stark verfallenen Palas initiiert, mit Hilfe von Sponsoren finanziell unterstützt und über Jahre hinweg begleitet. Auf Burg Nothberg in Eschweiler gelingt es dem Vereinsmitglied Prof. Eberhardt nachzuweisen, dass hier in der Renaissance Um- und Anbauten unter Planung und Leitung von Alessandro Pasqualini erfolgten. So schließt sich der Kreis zur Idealstadt der Renaissance. Ihr gilt das Hauptinteresse des Fördervereins. Die Sanierung der Düsseldorfer Straße mit den zwei markanten Oktogonen und die Machbarkeitsstudie zum Dienstleistungszentrum „Altes Rathaus“ sind Beispiele des Vereinsengagements in Fragen der Stadtentwicklung in Zusammenarbeit mit anderen aktiven Jülicher Vereinen.

Dr. Rüdiger Urban


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