Das „lebendige Fossil für die Gesellschaft“, so hatte sich Guido von Büren im Vorjahr genannt, als er die Ehrenmütze der Lazarus-Brüder erhalten hatte. In diesem Jahr schmückte ihn Senatspräsident Linus Wiederholt mit dem Hexenturmorden. Jetzt, so meinte der frischgebackene Ordensträger launig, könne keine Steigerung mehr kommen, „wenn ich nicht im nächsten Jahr den Lazarus selber gebe“. Das Loblied auf den Ausgezeichneten steht stets dem Vorjahres-Ordensträger zu und so referierte Helmut Vonderbank die vielen Vorzüge des Jülicher Jungen Guido von Büren, als Historiker, Kurator mit heiligem Geist, zuweilen Personifizierung von Wilhelm V. und Kümmerer um die Siersdorfer Kommende, den schon seine Omi Resi im Kinderwagen zum Lazarus-Umzug auf den Markt geschobene hätte und natürlich auch zum abendlichen Feuerwerk. „Wie es sich für einen echten Jülicher gehört“, meinte der Laudator und zog das Fazit: „Guido von Büren ist ein Glücksfall für Jülich“.
Bereits bei der Taufe Mitte Januar hatte Präsident Ningelgen grinsend darauf hingewiesen, dass die Wahl des Jülicher Vorzeige-Historikers keine zufällig sei. Schließlich feiert die Historische Gesellschaft in der kommenden Session sein 29 x 11. Bestehen und da steht noch einmal die intensive Beschäftigung mit der Geschichte an. Guido von Büren nahm‘s gelassen, ebenso wie die sanfte Schelte an seinem Patenkind, das von David Ningelgen unter Applaus der Anwesenden herein gebracht worden war: Lazarus Strohmanus Guidius Wilhelmus Johannuß sei etwas groß geraten, meinte Hein Ningelen. Der 56. Strohmann trüge Größe XXL, für die man statt anderthalb Büddel Stroh diesmal zweieinhalb Büddel gebraucht hätte. Aber die jungen Leute seien eben weniger Praktiker als „Federfuchser und Bleistiftspitzer“.
Auf der anderen Seite gab der Präsident seiner Freude Ausdruck, dass so viele junge Leute in den Lazarus eingetreten seien. Sie beleben sogar altes Liedgut neu: „Lazarus Strohmann soll leben“ heißt ein Traditionslied mit zwölf Strophen, von denen sechs von den Mitgliedern gesungen wurden und auch beim Umzug am Veilchendienstag in den Straßen Jülichs zu hören sein sollen. „Wir sind ein paar Stunden unterwegs“, erklärte David Ningelgen, „da brauchen wir viele Strophen.“ Apropos junge Leute: Der Lazarus hat sich weiter verstärkt: Vier neue Bewerber wurden aufgenommen, die unter großem Amüsement der Anwesenden ihre Tanzfähigkeit unter Beweis stellen mussten. „Wir üben das morgen nochmal“ versprach Besengruppenführer Kalle Stier. Schließlich heißt es im gemeinsam abgelegten Gelöbnis: „Ich schwöre un jelobe, dich Lazarus Strohmanus am Fastelovendsdienstag durch die Stroße de Stadt Jülich ze drare on ze werfe…“ Wie es geht zeigte dann vor Ort der Nachwuchs, der im kleinen Ratsaal den Lazarus fliegen ließ.
Tradition ist es beim Lazarus ebenfalls, dass Ehrenkappe zur Jahreshauptversammlung vergeben werden. Diesmal hatte der Vorstand der Gesellschaft sich für vier Auszeichnungen entschieden: Nach Wilma Savelsberg, Friederike Doose, Frau Schumacher, Erika Müller-Bong und Christiane Clemens wurde Dorothée Schenk als sechste Frau von der „Männergesellschaft“ geehrt, von der Hein Ningelgen sagte: „Wir wären nix ohne die Frauen, die hinter uns stehen.“ David Ningelgen erklärte die Wahl zur Ehrenkappen-Trägerin so, dass sie stets in Jülich aktiv sei, nicht nur als Berichterstatterin, sondern auch im Verein „Kleinen Hände“ für Jülicher Familien in Not und eine Persönlichkeit, die wichtig für Jülich sei. Gleiches gilt für Hans Schüller, der Welldorfer, der im Jülicher Land sein Gemüse nicht nur an die Haustüren bringt, sondern auf Wunsch sogar bis in den Keller oder Vorratsschrank, „Klaaf“ hält und so praktisch reitender Boten für alle wichtigen Nachrichten sei.
Die dritte Ehrenkappe trägt Thomas Oellers, Heimatredner, der zur Jahreshauptversammlung seine „Axelzucken“-Rede vortrug. Oellers sparte nicht mit kritischen Seitenhieben auf die unter Artenschutz stehende Muttkraat und dessen bedrohten Lebensraum Stadthalle indem er auf die Spitze trieb, was man in Jülich auf keinen Fall sagt: „Helau, die neue Stadthalle ist fertig“. Von der Befahrbarkeit des Marktes, Politikverdrossenheit und Knöllchenschreiberei, Panda-Diplomatie und Schlitts„uhr“bahn sowie die Playa de Hundestrand bekam so manches aktuelle Thema sein Fett weg. Ganz versöhnlich dagegen ist der vierte Ausgezeichnete: Propst Josef Wolff kam direkt von der Messe ins Rathaus und nahm zu seiner Überraschung die Ehrung entgegen. Seit Anbeginn, so David Ningelgen, hätte der Lazarus ja mit der Kirche zu tun. Darüber hinaus lobte Präsident Hein Ningelgen die Herangehensweise des „Zugezogenen”, der im ersten Jahr bereits zur Taufe des Lazarus gekommen wäre.