Über die Notwendigkeit braucht man eigentlich nicht diskutieren, wenn man an „Luft“ denkt. Glauben wir, da wir doch Luft zum Leben, zum Atmen brauchen. Wenn ich aber durch den Supermarkt gehe, dann sehe ich auch all die Düfte der Luft, die mir irgendwann aber auch unverpackt, freigelassen begegnen werden. Tannenluft, Karibikluft, frische Brise… da scheiden sich die Geister ob der Frage der Notwendigkeit. Ich bevorzuge ja immer noch frische, unparfümierte Luft, habe den Geruch von regennasser Luft an der Küste in Erinnerung, frisch, salzig und klar; die Luft im Wald riecht anders als auf Feldern und diese Unterschiedlichkeit sorgt für neuronalen Input anstatt atemlos zu machen. Auch scheint die Luft regional anders zu sein. Denken wir an den Norden, assoziieren wir damit Frische, Seeluft, Küste; Städte sind generell eher wärmer, stickiger, wobei sich hier z.B. Wolfsburg und Köln auch schon unterscheiden. Da spielen auch Imagination und Gehörtes eine Rolle und beeinflussen unsere Wahrnehmung und Vorstellung. Die eine Stadt als Automobilhersteller ist in unserer Vorstellung nicht so attraktiv besetzt, wie die Andere mit Altstadt, Rhein, Dom und geselligem Ambiente in Cafés und Kneipen.
Und dann gibt es die Städte, die wiederum eine ganz eigene Luft-, bzw. Duftnote besitzen. Manche Städte verkaufen ihre Luft in Dosen und werben mit dem Vergleich: besser als der Duft von Rosen… Und dann gibt es Städte, die nur zu bestimmten Jahreszeiten einen Duft verströmen, dem sich Niemand entziehen kann. Da hilft es weder, kurzzeitig die Luft anzuhalten noch im Haus die Fenster zu verschließen. Er ist für eine gewisse Zeit einfach immer gegenwärtig. Der Rübenduft. Denn, wenn die Kampagne zur Herstellung von Zucker beginnt, dann kommt er, der Duft. Für etwa 100 Tage steht er dann für die Einen für sowas wie Heimat und läutet die Zeit von Herbst bis zum Beginn des neuen Jahres ein. Ein schwerer, süßlicher Geruch liegt dann über der Stadt und beschert dem Einen ein Heimatgefühl und wiederkehrende Erinnerungen, wie „Es ist wieder soweit…“ und manch Anderen durch die Unmöglichkeit des Entrinnens ein Gefühl von „Hoffentlich ist es bald vorbei….“
Obwohl, man könnte ja verreisen. Und die Vorstellung von 100 Tagen Urlaub klingt auch mehr als verlockend und heutzutage könnte man sogar Phileas Fogg‘s Reise in 80 Tagen um die Welt ja locker unterbieten. Wie mir neulich eine Japanerin am Aachener Bahnhof erzählte, sie macht eine Weltreise und für Deutschland stehen zwei Tage auf dem Programm. Da könnte man in 100 Tagen also mehrmals um die Welt oder … einfach diese 100 Tage in Jülich bleiben… wenn einem da mal nicht die Luft wegbleibt.
Denn das ist ja auch die Sache mit der Luft. Man schenkt ihr in schönen, außergewöhnlichen Momenten gern Beachtung, wenn sie gut ist, gut duftet; aber eben auch als unangenehm und als Belästigung empfunden wird. Da kann man schon mal atemlos werden.
In unserem Sprachgebrauch hat sie sich einen sicheren Platz erobert. Wir sind außer Atem, wenn wir uns beeilen, zu einem Ziel zu kommen, physisch bewegend; der Vorgang am Schreibtisch in Bemühung des Erreichens eines Ziels eine Aufgabe zu erfüllen kann uns eher geistig atemlos machen. Äußerlich ist es nicht wirklich sichtbar, höchstens durch Schweißperlen auf der Stirn…bei manchen…. Dann würden wir aber auch eher sagen „Es (die Luft) wird eng“, da schnürt es einem höchstens gefühlsmäßig die Luft ab. Geschieht aber auch nur bei engagierten, einsatzfreudigen, sich Ziel-setzenden Personen, ansonsten ist die Gefahr eher gering. Wir können auch ganz entspannt in der sonnigen, warmen Luft entspannen, riechen die Wärme, die eine ganz andere Luft in die Stadt bringt. Wir nehmen den Duft von Wärme und Holz wahr, wenn wir das Glück haben unser Kölsch oder den Aperol an einem der doch schon weitläufig eingesetzten Teakholztische zu genießen, anstatt in Polypropylen-Mobiliar zu sitzen. Ist zwar geruchslos, aber das ist ja wiederum auch nicht so beglückend, gar nix zu riechen. Dann doch lieber eine Luft voller Möglichkeiten und Düfte, die Assoziationen hervorrufen und uns erinnern, dass das Leben eben nicht steril, sondern bunt duftend und lebendig ist.