Start Magazin Geschichte/n Versteckt und wieder gefunden

Versteckt und wieder gefunden

...Münzschätze aus Jülich

568
0
TEILEN
Abbildung: Vergrabung eines Münzschatzes. Boethius-Handschrift, 1476, London, British Library
Abbildung: Vergrabung eines Münzschatzes. Boethius-Handschrift, 1476, London, British Library
- Anzeige -

Wer träumt nicht davon, einen Schatzfund zu machen – wie im Märchen über Nacht reich zu werden? Bevor etwas Wertvolles gefunden werden kann, muss es jemand erst einmal versteckt haben und dies tut er meist nicht freiwillig. Das große Glück des Finders hat also eine dunkle Vorgeschichte, so auch einige Münzschatzfunde aus Jülich.
Es waren unruhige Zeiten für Juden. Mitte des 14. Jahrhunderts bereitete sich eine verheerende Pestepidemie über Mitteleuropa aus. Schnell waren die vermeintlichen Schuldigen für Leid und Schrecken gefunden: die Juden.

Münzschatz Düsseldorfer Straße, Niederländischer Rijder, 1617
Münzschatz Düsseldorfer Straße, Niederländischer Rijder, 1617

So kam es 1349 auch im Rheinland zu Pogromen an der jüdischen Bevölkerung. Die Stadt Jülich blieb davon nicht verschont, wie ein bemerkenswerter Münzschatz beweist, der 1953 bei Ausschachtungsarbeiten in der Grünstraße gefunden wurde. Als sich die Verfolgung ankündigte, hatte ein Jude seinen kostbaren Besitz – weit über 100 Münzen – in zwei Krügen im Boden versteckt. Da er nicht mehr dazu kam, den Schatz wieder zu heben, blieb dieser nahezu 600 Jahre unentdeckt.
Es spricht viel dafür, dass es ein jüdischer Fernhändler war, der hier sein Geld sicher verstecken wollte. Das Spektrum der Münzen reicht von schwäbischen Hellern, französischen Turnosepfennigen und -groschen über Jülicher Dreikönigsgroschen bis zu Prager Groschen. Die herausragendste Münze aus dem Schatz ist ein Jülicher Groschen mit einem Adler und dem Jülicher Wappenschild auf der Vorder- und einem Kreuz auf der Rückseite.

Münzschatz Düsseldorfer Straße, Niederländischer Rijder, 1617
Münzschatz Düsseldorfer Straße, Niederländischer Rijder, 1617
- Anzeige -

1348 hatten der Markgraf von Jülich, die Erzbischöfe von Köln und Trier sowie der Herzog von Luxemburg einen Münzvertrag geschlossen, der eine Dauer von fünf Jahren haben sollte. Der Adlergroschen ist eine der wenigen erhaltenen Münzen aus diesem Vertrag und die einzige der Grafschaft Jülich!
Übrigens hatte der Schatzfund eine bewegte Geschichte: Die mit aufgefundenen Goldmünzen ließ der Eigentümer einschmelzen und die besonders schönen Einzelstücke, wie der Adler- und der Dreikönigsgroschen wurden verkauft – sie gelangten erst vor zehn Jahren nach einer Odyssee durch die Hände zahlreicher Münzhändler und Sammler in den Besitz des Museums Jülich. Allein die weniger spektakulären Heller hatte das Museum schon in den 1950er Jahren übernehmen können.

Bereits 1929 und 1931 hatte man in der Nähe von Selgersdorf bzw. Krauthausen bei Rodungsarbeiten zwei Münzschatzfunde gemacht. Der Schatzfund von Krauthausen bestand aus einem Krug, der mit 246 Weißpfennigen des späten 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gefüllt war. Der nur 20 Meter davon entfernt gemachte Fund von Selgersdorf umfasste sogar 828 Münzen, die in einem schlanken Krug versteckt worden waren. Der Münzschatz bestand überwiegend aus Weißpfennigen, aber auch Groschen und Hellern. Die Datierung der jüngsten Münzen ergibt, dass beide Gefäße mit ihrem wertvollen Inhalt nach 1449 in den Boden gekommen sein müssen.

Für unseren Raum war auch die Mitte des 15. Jahrhunderts eine unruhige Zeit. Hintergrund waren die lang andauernden Erbstreitigkeiten um das Herzogtum Geldern – sie sollten erst 1543 endgültig beigelegt werden. So war es auch 1444 zur bekannten Schlacht von Linnich gekommen, die der Herzog von Jülich gegen die eigentlich überlegenen Truppen des Herzogs von Geldern für sich hatte entscheiden können. Trotzdem war man von friedlicheren Zeiten noch weit entfernt.

Münzschatz Grünstraße, Markgraf Wilhelm V. von Jülich, Adlergroschen und Dreikönigsgroschen
Münzschatz Grünstraße, Markgraf Wilhelm V. von Jülich, Adlergroschen und Dreikönigsgroschen

Das gilt erst recht für das frühe 17. Jahrhundert. 1609 war mit Johann Wilhelm I. der letzte Herzog von Jülich-Kleve-Berg gestorben. Im nun ausbrechenden Jülich-Klevischen Erbfolgestreit war die Festung Jülich heiß umkämpft. Truppen aus ganz Europa gaben sich hier die Klinke in die Hand. 1610 hatte ein Koalitionsheer aus staatisch-niederländischen, französischen, englischen, brandenburgischen und pfalz-neuburgischen Truppen die Stadt Jülich, die bis dahin von kaiserlichen Truppen gehalten worden war, eingenommen. In der Folge kontrollierten staatisch-niederländische Truppen die Festung Jülich. Diese wiederum wurden 1621/22 von einem spanischen Heer belagert. Die nördlichen Niederlande – die sogenannten Generalstaaten – befanden sich seit der Mitte der 1560er Jahren in einem Krieg um ihre Unabhängigkeit mit dem König von Spanien. Tatsächlich konnten die Spanier im Februar 1622 die Stadt Jülich einnehmen.

Aus dieser Zeit stammt ein Schatzfund aus 14 Goldmünzen, der 1951 in der Düsseldorfer Straße gefunden wurde. In einer Bleikapsel waren u.a. niederländische Rijder von 1616 und 1617 sowie Schiffsnobel der Jahre 1615 bis 1620 verborgen worden. Man kann also annehmen, dass die Münzen während der Belagerung durch die Spanier im Winter 1621/22 versteckt wurden. Die Belagerung forderte zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung und der Besatzung, da die Stadt über nahezu sechs Monate – und das im Winter! – ausgehungert wurde. Demjenigen, der seine wertvolle Habe verborgen hatte, war es nicht mehr vergönnt, sie wieder zu heben.

Eckhaus Kölnstraße/Stiftsherrenstraße vor 1879 mit dem Münzdepot
Eckhaus Kölnstraße/Stiftsherrenstraße vor 1879 mit dem Münzdepot

Zum Schluss noch ein Kuriosum, das im engeren Sinne kein Schatzfund ist, aber dennoch mit unserem Thema „versteckt“ zu tun hat. Bis zum Zweiten Weltkrieg stand an der Ecke Kölnstraße/Stiftsherrenstraße ein optisch auffälliges Eckhaus. In den Jahren 1706 bis 1758 hatte hier der Krämer und Bierzapfer Wilhelm Mieseler gewohnt und sein Geschäft betrieben. Jülich lag an einer wichtigen Fernstraße in die Niederlande und so gingen in seinem Laden bzw. seiner Schänke viele Reisende ein und aus. Die zahlreichen in dieser Zeit kursierenden Währungen werden es Mieseler nicht immer einfach gemacht haben, stets alles korrekt abzurechnen. Im Giebel seines Hauses richtete er sich ein Depot aus acht Münzen ein, die er wohl als Besonderheiten bei Seite gelegt hatte. Die Münzen wurden 1878 gefunden, als der Giebel erneuert wurde. Versammelt sind drei Sixpencestücke von Königin Elisabeth I. von England mit den Prägedaten 1565 und 1601, ein Fünftel-Philippstaler aus Antwerpen von 1571, ein sogenanntes Schaf der Grafschaft Ostfriesland von Enno III. (1599-1625) und ein Mariengroschen sowie ein Zwölftel-Taler des Bistums Paderborn von 1715. Als achte Münze fällt aus dieser Reihe eine echte „Antiquität“ heraus, ein römischer Denar von 42 v. Chr.

Damit beenden wir unseren kleinen Ausflug in die Welt der Jülicher Münzschätze. So die Münzen den Weg ins Museum gefunden haben, werden sie dort nicht versteckt. Vielmehr sind einige der hier beschriebenen Münzen in der Dauerausstellung des Museums in der Zitadelle Jülich ausgestellt. – Und der Münzschatz aus der Grünstraße ist auch ein Thema in der Dauerausstellung des LVR-Kulturhauses Landsynagoge Rödingen in Titz-Rödingen.

TEILEN
Vorheriger ArtikelBucket Boys
Nächster ArtikelFreimaurer – Geheim im Bunde?
Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

§ 1 Der Kommentar entspricht im Printprodukt dem Leserbrief. Erwartet wird, dass die Schreiber von Kommentaren diese mit ihren Klarnamen unterzeichnen.
§ 2 Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.
§ 3 Eine Veröffentlichung wird verweigert, wenn der Schreiber nicht zu identifizieren ist und sich aus der Veröffentlichung des Kommentares aus den §§< 824 BGB (Kreditgefährdung) und 186 StGB (üble Nachrede) ergibt.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here