Start Magazin Titelstory Ein Herzog auf Abwegen

Ein Herzog auf Abwegen

Die abenteuerliche Reise Herzog Wilhelms V. von Jülich nach Frankreich im Jahr 1541.

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Der Herzog auf Hochzeitsreise | ©HZG
Der Herzog auf Hochzeitsreise | ©HZG
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Von den Jülicher Herrschern gehört er sicherlich zu den bedeutendsten: Herzog Wilhelm V., auch „der Reiche“ genannt. Sein Konterfei zierte die zweite Ausgabe des Magazins „Herzog“. Er lebte von 1516 bis 1592, hat also nahezu das gesamte 16. Jahrhundert, das Jahrhundert der „Renaissance“ erlebt – 54 Jahre davon in Regierungsverantwortung! Sein Leben kann man ohne Übertreibung als bewegt bezeichnen und es war reich an Höhepunkten. Er hat aber auch absolute Tiefpunkte erlebt, hatte also ganz im Sinne Giovanni Trapattonis manches Mal „fertig“. Ein solcher Tiefpunkt stellte die Niederlage im Krieg um das Herzogtum Geldern im Jahr 1543 dar. Kein Geringerer als Kaiser Karl V., in dessen Reich die Sonne nie unterging, war in dieser Auseinandersetzung sein Gegner.

1538 war der junge Wilhelm zum Herzog von Geldern „gewählt“ worden; es war der Wille der Stände gewesen, der Vertreter der Städte und des Adels im Herzogtum Geldern. Wilhelm, ältester Sohn Herzog Johanns III. von Kleve und Herzogin Marias von Jülich-Berg, konnte auf weit zurückreichende Erbansprüche seiner Familie auf das Herzogtum Geldern verweisen. Dieser Umstand hatte aber die Stände weniger interessiert, vielmehr versuchten sie zu verhindern, Teil des habsburgischen Herrschaftsgebietes zu werden. Seit 1477 regierten die Habsburger über das Herzogtum Burgund. Geldern war ein wichtiges Gebiet, um diesen Besitz abzurunden. Die Gelderner fürchteten jedoch um ihre Eigenständigkeit, deshalb gaben sie Wilhelm den Vorzug vor Karl.

Reiseroute des junggeselligen Herzogs
Reiseroute des junggeselligen Herzogs
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Der Kaiser konnte anfänglich mit der Situation leben, wenn er auch über die Entwicklung weniger erfreut war. Den Konflikt gütlich beizulegen, wurde durch etwas Unerwartetes gestört: Wilhelms Vater, Johann III., verstarb 1539 mit gerade einmal 48 Jahren und nun herrschte der junge Herzog über die Territorien Jülich-Kleve-Berg-Geldern-Mark-Ravensberg-Zutphen. So viel Macht in einer Hand, das war Kaiser Karl V. dann doch zu viel. Wilhelm, seine Mutter und seine Berater träumten jedoch davon, diese Machtfülle zu behalten. Sie gingen das (unkalkulierbare) Risiko ein, auf Konfrontationskurs zu gehen. Das konnte man aber nur wagen, wenn man mächtige Unterstützer fand. Und die fand man – ganz nach dem Spruch „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – zeitweilig in König Heinrich VIII. von England und in König Franz I. von Frankreich. Beide hatten noch eine Rechnung mit dem Kaiser offen und wollten ihm nun eins auswischen.

Wie damals üblich, wurden die Bündnisse mit Verheiratungen besiegelt: Anna von Kleve, die Schwester Wilhelms V., heiratete 1540 Heinrich VIII. und Wilhelm V. selbst 1541 Johanna von Navarra, eine Nichte des Königs von Frankreich. Das Bündnis mit Heinrich VIII. war schon geplatzt – er hatte die Ehe rasch wieder auflösen lassen, da er es sich doch nicht mit Karl verscherzen wollte – als Wilhelm V. auf abenteuerlichen Wegen nach Frankreich reiste, um Johanna von Navarra zu heiraten. Von alledem durfte der Kaiser (vorerst) nichts erfahren. Deshalb brach der junge Herzog am 11. April 1541 in aller Heimlichkeit mit seinem Tross von Schloss Hambach aus auf. Die über 70 Personen reisten bis Paris in kleineren Gruppen auf getrennten Wegen. Zu groß war die Angst, von den Spionen des Kaisers frühzeitig entdeckt zu werden. Tatsächlich wusste Karl V. von Anfang an, dass Wilhelm sich auf den Weg nach Frankreich machte, den Grund für diese Reise ahnte er jedoch zuerst nicht.

Am 20. April traf die Reisegesellschaft in Paris ein. Um am Hof des Königs von Frankreich angemessen auftreten zu können, mussten der Herzog und sein Gefolge erst einmal standesgemäß eingekleidet werden. Wilhelm wurde mit allen erdenklichen Ehren am Königshof empfangen – seine zukünftige Braut bekam er aber vorerst nicht zu Gesicht. Hinter den Kulissen tobte eine heftige Auseinandersetzung, die damals 13-jährige Johanna von Navarra verspürte wenig Lust einen deutschen Fürsten zu heiraten. Das von dem Soester Künstler geschaffene Brautwerbebild Wilhelms hatte sie anscheinend nicht überzeugt. Auch die Mutter Johannas und einige wichtige Berater des Königs waren von der Verbindung wenig angetan. Da die Hochzeit in Châtellerault im Königreich Navarra stattfinden sollte, musste der Herzog dort ja erst einmal hinreisen. So gewann Franz I. Zeit, seine Familie und seine Berater „auf Linie zu bringen“.

Was nun folgte war eine Sightseeing-Tour zu den französischen Königsschlössern entlang der Loire, die jedem aktuellen Reiseprogramm zur Ehre gereicht hätte; zu nennen sind Fontainebleau, Chambord, Amboise, Chenonceau und Blois. Mit Lustbarkeiten und Prachtentfaltung lenkte man Wilhelm V. davon ab, dass die Vermählung auf des Messers Schneide stand. Schließlich erreichte man am 20. Mai Châtellerault, wo in verschwenderischer Pracht für die Feierlichkeiten eine Zeltstadt aufgebaut worden war.

Die Braut musste zwar unter Protest zum Altar getragen werden, die Ehe wurde dennoch geschlossen. Viel hatte der Herzog von diesem Bündnis nicht: Seine junge Ehefrau blieb in Frankreich und die versprochene Unterstützung im Krieg gegen Kaiser Karl V. blieb im entscheidenden Moment aus. Nach dem verlorenen Krieg um das Herzogtum Geldern wurde die Ehe – mit päpstlicher Erlaubnis –  übrigens wieder geschieden.

Glaubt man den französischen Quellen hinterließen der Herzog und sein Gefolge keinen guten Eindruck: „Noch mehr als sein schreckliches Lachen missfiel ihr – gemeint ist Johanna von Navarra – an des Herzogs Hofleuten das erschröckliche Saufen, welches nicht eher ein Ende nahm, als biß sie gänzlich von Sinnen kahmen, und todt in die schönen Betten niederfielen, die sie dann auf das ärgste besudelten.“ Auch eine Form des fertig seins.

Wer die Reise des Herzogs nach Frankreich einmal nacherleben möchte, kann dies vom 16. bis 25. April diesen Jahres mit dem Jülicher Geschichtsverein 1923 e.V. tun. In einer 10-tägigen Studienreise werden die wichtigsten Etappen der herzoglichen Reise, wie sie vor mehr als 450 Jahren stattgefunden hat, angesteuert. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.juelich-gv.de oder unter Tel. 02461-9376814.

 


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