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Über „Endlichkeit“ nachdenklich

Overbacher Literaturkurs stellt mit der Aufführung von „Die Befristeten“ von Elias Canetti die Frage: Wie wäre es in einer Gesellschaft zu leben, in der jeder weiß, wann er sterben wird?

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Lebensfrohe junge Frauen sinnieren über die Zukunft – gespielt von Pauline Richter und Kathrin Augenbrief. Foto: privat, Gymnasium Haus Overbach
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Ein Overbacher Literaturkurs der Q1 unter Leitung von Nathalie Koentgens spielte eindringlich und bewegend eine fiktive Gesellschaft der Zukunft, die sich mit der in ihren Namen („88“, „10“ oder „46“) transparenten und absehbaren Endlichkeit abfindet, ja sogar als selbstverständlich betrachtet. Je höher die Lebenszahl, desto hochrangiger der Status in der Gesellschaft. Von „hoch-“ und „niedergestellten“ Menschen ist die Rede. Der Begriff „Tod“ hat ein respektvolles Synonym: Der „Augenblick“. Der Wächter des in einer Kapsel dokumentierten Lebensvertrags nennt sich Kapselan und allein er scheint zu wissen, welche Fakten jedem einzelnen Kapselträger zugeordnet sind. Gesellschaftlich geächtet sind Lebenssinnfragen oder gar Lebensvertragsbruch. Ein Vertrag steht für Lebensberechtigung. Anfechten nicht gestattet! Jedwede Vertrags- oder Gesetzesstörung ist kriminell und man wird zum Verbrecher. Ein Rebell namens „50“ wirft gesetzeskonformes Funktionieren über Bord und stellt alle Regeln und Gepflogenheiten in Frage. In aller Öffentlichkeit. Dies öffnet der Gesellschaft die Augen und eröffnet in den verschiedensten Szenen Diskussionen. Man wagt sich heran, an das Tabuthema „Augenblick“. „50“ befreit die Gesellschaft vom Hirngespinst, individuelle Todesdaten täten den Lebenden gut. Sie besinnen sich alter Lebensweisen und Werte – Freude am Leben – in Begleitung des Schicksals.

Geschrieben wurde dieses Stück bereits 1952 und war damals wie heute aktuell. Das Streben nach „dem Tod ein Schnäppchen“ schlagen. Die Menschheit hatte vor über 50 Jahren -wie auch Heute – ständig neue bahnbrechende Fortschritte vorzuweisen. Schier unmögliches wurde möglich und wird heute als selbstverständlich empfunden. Wenn wir wählen könnten? Würden wir es wollen, in festgelegten Zeitfenstern zu agieren? Würden wir andere Prioritäten setzen? Würden wir bewusster leben? Wir sollten es heute bereits tun, denn das Leben findet jeh ein Ende. So oder so! Der Literaturkurs hat das Werk mit minimalistischer Kulisse und zurückhaltender Garderobe, dafür aber mit enormer Intensität und Gefühl gespielt, dass es den vielen Besuchern unter die Haut ging und zu Diskussionen am folgenden Tag im Büro, am Frühstücks- oder Stammtisch anregte.

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