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Ist Humor systemrelevant?

Das Publikum bekam eine One-Man-Show zusehen, aber zuhören ein ganzes Ensemble. Eine Rezension von Nadine Klingebiel.

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Moritz Netenjakob. Foto: Nadine Klingebiel
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Der Kölner Kaberettist und Autor Moritz Netenjakob ist ein Meister der Parodie, Intonation und Gestik. So hatte man das Gefühl unteranderem würden Didi Hallervorden, Udo Lindenberg, Reiner Calmund und viele weitere bekannte Persönlichkeiten mit auf der Bühne im Kulturbahnhof stehen.

Der Grimme-Preisträger und Bestseller-Autor ist eher einer kleinen, jedoch eingeschworenen Fangemeinde bekannt. Dies mag daran liegen, dass er meist im Hintergrund arbeitet. So textet er für verschiedene TV-Formate oder unterstützt mit seiner Komik Kollegen und Kolleginnen. In gemütlicher kleiner Runde präsentierte Netenjakob sein Solo-Programm „Das Ufo parkt falsch“.

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Den Mittelpunkt des Abends bildeten drei Fragen: Warum ist Humor wichtig? Wie kommt er auf seine Ideen? Und ist das irgendwie systemrelevant?

Um dem Publikum einen Einblick in seinen Kopf zu geben, schlüpfte er in bekannte Figuren. Etwa wie bei dem Gedankenexperiment, wenn am „Independence Day“ Außerirdische Deutschland pulverisieren und im Hamburger Hotel Atlantik Udo Lindenberg mit Jan Delay, Peter Maffay und Herbert Grönemeyer diskutiert, was denn zu tun sei. Oder bei der fiktiven Szene in der Philharmonie, dabei grölen die Zuschauer wie im Fußballstadion: „Diri, wir wissen, wo dein Auto steht!“

Ebenfalls zum Brüllen ist auch seine Hitliste der Tour-Erlebnisse, die er niemals vergessen wird: Auftritte vor mucksmäuschenstillen Schwaben oder bei Schmidt’s Travestie-Show auf der Reeperbahn, wo er als Moritz Netanjahu anmoderiert wurde.

Wenn Netenjakob aus seinem Buch „Milchschaumschläger“ Szenen präsentiert, in denen er von seinen intellektuellen Eltern und der türkischen Familie seiner Frau berichtet, ist der Jubel im Publikum groß. Jede Szene besitzt eine detaillierte Komik, sodass jeder im Publikum sich vorstellen kann wie es ist mit intellektuellen Eltern aufzuwachsen und in eine türkische Familie einzuheiraten. Netenjakob zeigt wie Integration funktioniert. Der Schlüssel ist der gegenseitige Respekt und der Wille es zu wollen!

Am Ende der zweistündigen Show geht Netenjakob auf die eingangs gestellten Fragen ein und endet mit den Worten: „Warum mache ich das überhaupt? Warum Humor? Ist das irgendwie systemrelevant? Wissen Sie, uns wird doch in einer Tour Angst gemacht: Achtung, da kommt noch ’ne Mutation, hier stirbt einer an Corona, da wegen Astrazeneca, der Klimawandel bringt uns alle um, aber vorher noch die Taliban – und wenn uns die Taliban nicht erwischen, dann die, die vor den Taliban flüchten. Und hier kommt ein wissenschaftlicher Fakt: Angst schwächt das Immunsystem. Äh, Moment mal, hat man uns nicht erzählt, das größte Gesundheitsrisiko bei Covid ist ein geschwächtes Immunsystem? Hmmmm … Alle reden über das Infektionsrisiko. Wer redet über das Risiko, dass Menschen aus Panik aggressiv werden? Wo ist da der Grenzwert? Bei 50 Hasskommentaren auf 100 000 Facebook-User? Und welche Inzidenzzahl erfasst die Menschen, die in einer Spirale der Angst depressiv werden? Humor kann eine Angstblase einfach platzen lassen. Und ich glaube, das ist exakt das, was uns gerade fehlt. Eine andere Perspektive. Und zwar eine, die nicht auf Angst basiert. Denn wo Menschen zu viel Angst haben, wird der Ruf nach Autoritäten laut. Und das schadet der Demokratie. Unserem … System. Also, ja. Humor ist systemrelevant.“


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