Wer sich noch an das aufregende Kribbeln im Bauch erinnert, als der erste Chemiebaukasten unter dem Weihnachtsbaum lag, wird gut verstehen, was das Schülerlabor des Forschungszentrums „JuLab“ heute für Schülerinnen und Schüler bedeuten kann: Eine Welt, die sich öffnet, in Staunen versetzt, und im besten Fall die Motivation zum Weiterlernen fördert – und wer weiß, vielleicht sogar in einer Forscherkarriere mündet.
Im JuLab können Schülerinnen und Schüler ab der dritten Grundschulklasse über Experimentiertage, Projektwochen und andere Formate wie den Helmholtz Schülerkongress MINT-Themen hautnah erleben und aktiv forschen. Die Experimentiertage – ein Angebots-Format für Kurse und Klassen – sind durchgeplante Labor-Tage mit einem didaktisch ausgearbeiteten Konzept und einem festen Set an Experimenten, erklärt Keutmann. In der Regel enthalten sie auch einen Besuch in ein Forschungsinstitut und Gespräche mit dortigen Mitarbeitenden und werden somit zu einer umfassenden Forschungserfahrung.
René Nork, Bio-Laborant des JuLabs, steht mit einer Gruppe von Schülern in einem Labor. Alle tragen Schutzbrillen und weiße Kittel und üben sich darin, mit ruhiger Hand eine Pipette zu bedienen. Erlenmeyer-Kolben, die typischen Reaktionsgefäße aus Glas, stehen auf Heizplatten vor ihnen. Es gehe hier um die Charakterisierung der Urease, erklärt Nork. Dies sei ein Enzym des Harnstoffzyklus und spalte Harnstoff zu Ammoniak. Dieses sei unter anderem auch für Stickstoffdüngemittel von Bedeutung.
In einem anderen Raum scharen sich Physik-Lehrer um eine kreisförmige Kugelbahn, dem Modell eines Teilchenbeschleunigers, genauer gesagt, eines Zyklotrons. Bei diesen Experimenten zischt und knallt es nicht – es rollt vielmehr lautstark. Die Lehrer nehmen im JuLab an einer Fortbildung teil, zu dem das das Netzwerk Teilchenwelt eingeladen hat und möchten herausfinden, was sie ihren Schülern über das normale Unterrichtsprogramm hinaus noch vermitteln können. Das Thema sei im Kernlehrplan zwar enthalten, aber es sei schwierig, in der Schule dazu Experimente zu machen, weiß Hartmut Borowski vom Landrat-Lucas Gymnasium in Leverkusen. „Teilchenphysik ist gerade hochaktuell“, erklärt Borowski. Das habe viel mit Astrophysik zu tun. Etwa 80 Prozent unseres Universums bestehe aus dunkler Materie und es sei unbekannt, aus welchen Elementarteilchen die bestehe.
Aber auch andere wissenschaftliche Schwerpunkte sind hochaktuell und im FZJ im Fokus der Forscher: Darunter die Hirnforschung, die Erforschung des Bodens und der künstlichen Intelligenz (KI)– um nur einige zu nennen, mit denen sich auch das JuLab beschäftigt. Mit dem DNA-Experimentierkoffer können Schüler ab der zehnten Klasse lernen, wie sie die Erbinformation von Bakterien mit Enzymen schneiden und anschließend durch eine Gelelektrophorese im Vergleich mit bekannten DNA-Abschnitten identifizieren können, erklärt Keutmann, die selbst Diplom-Biologin ist. Das habe eine praktische Anwendung in vielen wissenschaftlichen Bereichen und ist den meisten bekannt im Bereich der Täterüberführung in der Kriminalistik oder auch beim Vaterschaftstest. Für die Schulen sei ein Ausleihen des DNA-Koffers sehr attraktiv und zudem kostenlos. Die Enzyme seien für die geringen Schulbudgets oftmals zu teuer und der Koffer beinhaltet didaktisch ausgearbeitetes Unterrichtsmaterial inklusive aller erforderlichen Experimentiermaterialien.
Wichtig bei allen Projekten: die separate Betrachtung der MINT-Fächer nach Möglichkeit aufzuheben. Die Schülerinnen und Schüler sollten vielmehr das Zusammenwirken einzelner Forschungs-Disziplinen in der Praxis erleben. Und genau das sei für unsere Gesellschaft so wichtig, weiß Keutmann. „Das Thema Klimakrise beschäftigt uns stark“, spricht sie eines der Forschungsschwerpunkte, die Klimaforschung, an, das ihr sehr am Herzen liegt.
Schon ab der dritten Klasse lernen Schülerinnen und Schüler beim Experimentiertag „Boden“, die vielen wichtigen Funktionen des Bodens kennen und was darin kreucht und fleucht. Das ist eines von Keutmanns Lieblingsthemen. Denn gerade der Boden sei für das Klima von besonderer Bedeutung: „Die Entstehung von fruchtbarem Boden dauert mehrere tausend Jahre. Das bedeute für uns: Ist er einmal weg, dann ist er für uns für immer verschwunden.“
„Mittelbar erreichen wir auch Kita-Kinder.“ Erzieherinnen und auch Eltern bekommen Anleitung und Material, um den mit den Kindern vor Ort zu experimentieren: Mit den Themen Magnetismus und Boden könne man schon eine ganze Woche füllen, weiß auch JuLab- Mitarbeiterin Britta Sylvester. Die Rückmeldungen seien toll.
Etwa 4000 Schülerinnen und Schüler haben laut Keutmann vor Corona das Angebot der Experimentiertage genutzt. Momentan seien es um die 3000. Auch Online-Angebote sind mittlerweile dabei. Auf der Homepage können Lehrer sehen, welche Experimente angesetzt sind. Die Lernvoraussetzungen für die Schüler werden genauso kommuniziert wie Hinweise für Lehrer. Diese müssten selbst keine Experten in allen Bereichen sein, beruhigt Keutmann. „Wir wünschen uns einfach, dass Fach-Lehrer bei uns offen sind für die Verknüpfung von Inhalten fachfremder Kurse. Beispielsweise Informatiklehrer für Anwendung der Informatik in der Gehirnforschung oder Biologierlehrkräfte für die Übertragung der Kenntnisse auf die Entwicklung neuronaler Netze in der IT. Das ist interdisziplinäre MINT-Bildung.“
Projektkurse laufen ein ganzes Schuljahr und sind für die Oberstufen gedacht. Es sind Schwerpunkte, die anstelle einer Facharbeit gesetzt werden können. Auch in diesem Jahr gebe es wieder drei verschiedene Kurse, kündigt Keutmann an. Ihr Projekt präsentieren die Schülerinnen und Schüler dann auf dem Helmholtz-Schülerkongress sowie ihre Ergebnisse bei einer Abschlussveranstaltung im JuLab.