Das ABC der Gossensprache, Ausgrenzungen im persönlichen Miteinander wie in den Sozialen Medien sind inzwischen an Schulen längst Alltag. Das weiß Schulsozialarbeiterin Sabine Jacobi, die an den katholischen Schulen Mädchengymnasium und Haus Overbach im Dienst ist, und natürlich regen Austausch mit Kollegen an anderen Schulen pflegt. „Ich stelle eine gewisse Verrohung der Sprache untereinander fest“, sagt Jacobi. „Einige Schülerinnen können nicht gut gewaltfrei und neutral kommunizieren“, ergänzt Lioba Ernstes, Klassenlehrerin am Mädchengymnasium. Wenn als Verstärker viele Individualisten mit starken Charakteren hinzukommen, ist die Stimmung in Klassen leicht auf dem Siedepunkt.
Der Umgang mit dieser Krisensituation entspricht oft allerdings den Erkenntnissen, die Gerhard Brand, Vorsitzender im Verband Bildung und Erziehung (VBE), formulierte: Die Sorge vor Reputationsverlust führe dazu, das Thema unter einem „Deckmantel des Schweigens“ zu verbergen. Einen anderen Weg ist das MGJ gegangen, stellt sich mutig und konstruktiv auffälligem Sozialverhalten, das in zwei Klassenverbänden auftrat.
In zwei Lerngruppen der Mittelstufe traten verbale Entgleisungen, Mobbing im persönlichen Umgang und auch via Soziale Medien auf. Weder die Klassenleitungen konnten diese Konflikte durch die so genannten Ordinariatsstunden auflösen, noch konnte die Schulsozialarbeiterin Jacobs Jacobi erfolgreich intervenieren. Eine alternative Lösung musste gefunden werden. Durch Netzrecherche stieß die Schulsozialarbeiterin auf die „Helden“, die gezielte Sozialtrainings „gegen Rassismus und (Cyber-)Mobbing und für eine demokratische Wertebildung“ anbieten wie sie auf ihrer Internetseite sagen. Der „Verein für Nachhaltige Bildung und Persönlichkeitsentwicklung e. V.“ bietet Experten auf, die überzeugen – zuerst durch persönliche Erfahrungen, die sie selbst offen gegenüber den Schülerinnen darlegten, aber auch durch ein besonderes „Mitmachprogramm“.
„Man hörte eine Stecknadel fallen“, erzählt Sabine Jacobi, als das Trainerteam den Mädchen ihre eigenen Geschichten erzählt hat und damit signalisiert hat: „Wir wissen selbst, wie es ist.“ „Jede Einzelne konnte sich an irgendeiner Stelle wiedererkennen. Das hat eine andere Wirkung, als wenn ich als Lehrerin auf sie zugehe“, sagt Lioba Ernstes. „Wahrscheinlich vergessen die Schülerinnen, dass ich auch mal in die Schule gegangen bin…“
Neben Gesprächen gehören auch Spiele zum Programm wie „Ich fahre Zug“ – ein Klatschspiel nach Art der bekannten Reise nach Jerusalem – und ein Escape-Room. Die Klassengemeinschaft, berichtet Ernstes, habe schnell verstanden, dass eine Lösung nur gemeinsam gefunden werden kann „und ich muss nicht ablehnen, was einer vorschlägt“. Vertrauensbildende Maßnahmen, in denen sich die Mädchen im Wortsinne „Halt geben“ mussten dienten der Entstehung eines neuen Wir-Gefühls. Sabine Jacobi traf am zweiten Trainingstag auf dem Flur auf Schülerinnen, die alle auf dem Flur standen, sich in den Armen lagen und weinten: „Es waren alte Konflikte aufgebrochen, die an diesem Tag gelöst werden konnten“, erzählt sie lächelnd.
Wie nachhaltig die „Helden“ auf die Klassengemeinschaft eingewirkt haben, wird sich noch weisen müssen. Allerdings sei, so Lioba Ernstes, das Miteinander deutlich besser und die Schülerinnen würden auch immer wieder bitten die „Gemeinschaftsspiele“zu wiederholen, die offensichtlich nicht nur Spaß gemacht haben, sondern auch gut getan haben.
„Die externe Brille zu nutzen ist gut.“, sagt Andreas Wergen, Englisch- und Geschichtslehrer am MGJ und Koordinator für die Öffentlichkeitsarbeit der Schule. „Wir müssen Schulen anders denken“, ist er überzeugt, „Medienkompetenz ist ein querliegendes Band für das es eigentlich ein eigenes Unterrichtsfach bräuchte, ebenso wie für soziales Lernen. Die Menge an Herausforderungen nimmt immer weiter zu. Die sozialen Probleme, die von uns mangels professioneller Ausbildung nicht bearbeitet werden können, liegen häufig brach.“ Und externe Kräfte einzukaufen, kostet halt auch immer Geld, das im Schulbudget nicht vorgesehen ist. Im Falle MGJ ist die Finanzierung durch das NRW-Programm „Aufholen nach Corona“ und einen Zuschuss des Vereins „Kleine Hände“ gelungen.