Start Magazin Rat & Recht Wenn’s bei Gericht richtig heiß wird…

Wenn’s bei Gericht richtig heiß wird…

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Rat & Recht in und um Jülich Foto: ©Andrey Burmakin - stock.adobe.com / Bearbeitung: la mechky
Rat & Recht in und um Jülich Foto: ©Andrey Burmakin - stock.adobe.com / Bearbeitung: la mechky
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Staatsanwalt und/oder Strafverteidiger nehmen den vermeintlichen Kronzeugen ins Kreuzverhör, treiben ihn in die Enge, auf dass er sich in Widersprüche verwickelt und schlussendlich – den Angstschweiß auf der Stirn – den zeugenschaftlichen Offenbarungseid leisten muss: Der Zeuge erinnert sich nicht mehr oder nur noch ungenau. Das Kreuzverhör hat den Zeugen „weichgekocht“, der Zeuge und seine Aussage sind auf dem heißen Zeugenstuhl regelrecht verbrannt.

Derartige Szenen tragen sich in deutschen Gerichtssälen tagtäglich ähnlich zu, überwiegend nicht gar so spektakulär, aber in der Methodik der Befragung und betreffend das Aussageverhalten der Zeugen durchaus auch angespannt und gelegentlich sogar filmreif. Dies gilt insbesondere für Zeugen, die zunächst selbstsicher verkünden, alles zum streitigen Sachverhalt gesehen oder gehört zu haben, sich im Kreuzverhör aber als eher unzuverlässig oder gar als Blender entpuppen.

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Auf dem heißen Zeugenstuhl hat schon so manch einer Vernehmungsqualen erleiden müssen, ohne es zuvor auch nur annähernd erahnt zu haben.
Die meisten Zeugen, ob in straf- oder zivilrechtlichen Gerichtsverfahren, werden sozusagen fremdbestimmt in das Verfahren eingeführt, indem sie nämlich von den Beteiligten im Prozess benannt und sodann in die Gerichtsverhandlung geladen werden.

Natürlich gibt es auch Zeugen, die sich selbst initiativ einbringen, aber nicht so häufig, wie – dem Spannungsbogen im Drehbuch geschuldet – in so manchen Gerichtssoaps vermittelt wird, im Laufe derer Zeugen sozusagen selbst in den Gerichtssaal stürmen, weil sie etwas zur Sache aussagen wollen.

Freiwillig wollen eigentlich die wenigsten auf dem heißen Zeugenstuhl Platz nehmen, obwohl die Zeugenaussage als eines der wichtigsten Beweismittel gilt. Die Zeugenaussage dient der Wahrheitsfindung und soll zur Aufklärung eines im Streit stehenden Sachverhalts beitragen.

Der Sachverhalt kann sich z.B. um eine mögliche Straftat, einen Verkehrsunfall oder eine Nachbarstreitigkeit drehen. Der Zeuge soll seine eigenen Wahrnehmungen schildern und dabei nichts hinzufügen oder weglassen. Seine Aussage soll schlichtweg wahrheitsgetreu erfolgen. Und da wird’s bereits richtig heiß auf dem Zeugenstuhl.

Denn dem Zeugen spielen nicht selten seine eigenen Wahrnehmungserinnerungen einen Streich, ohne dass er bewusst die Unwahrheit sagt oder gar sagen will. So ist in die deutsche Rechtsprechung das Phänomen des sogenannten „Knallzeugen“ eingegangen.

Dieser Knallzeuge befindet sich in der Nähe des Verkehrsunfalls, hört den Knall der Unfallkollision, schaut dann erst zum Unfallort und betrachtet in diesem Moment de facto nichts anderes als die Situation direkt nach dem Unfall, z.B. die Endstellung der Fahrzeuge oder das Signal der Ampel oder die Position des angefahrenen Fußgängers, er hat den genauen Verlauf des Verkehrsunfalls aber gerade nicht gesehen, eben erst hingeschaut, als es geknallt hat.

Hingegen ist dieser Zeuge der felsenfesten Überzeugung, Augenzeuge des Unfalls zu sein, obwohl er nur Knallzeuge ist, seine Aussage also nur bedingt der Wahrheitsfindung dient.

Der Zeuge lügt aber in einer solchen Konstellation nicht, er irrt sich, seine eigene Vorstellungswelt spielt ihm einen Streich.

Und in einer solchen Prozesssituation ist die hohe Kunst der Zeugenvernehmung durch Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt auch und gerade im Zuge des Kreuzverhörs gefordert, um herauszufinden, um welchen Zeugen es sich wirklich handelt, welche Qualität seine Aussage wirklich hat.

Noch höher ist die nachfolgende Kunst der richterlichen Würdigung solcher Zeugenaussagen zu bewerten, die richterliche Beweiswürdigung insgesamt, um Fehlurteile zu vermeiden.

Solche durchaus folgenschwere gerichtliche Fehlentscheidungen, also die berüchtigten Justizirrtümer können auf bewussten Falschaussagen von Zeugen beruhen.

Nirgendwo werden Lügen zwar mehr bestraft als im Justizwesen, aber gleichwohl wird u.a. vor Gericht allzu oft gelogen. Der Zeuge will einem Freund oder Bekannten einen Gefallen tun, ihm einen Freundschaftsdienst erweisen und lügt für ihn vor Gericht. Wenn das Gericht dieser Falschaussage auf die Schliche kommt, wird der Zeugenstuhl so richtig heiß. Dann verwandelt sich der Zeuge nämlich selbst zum Beschuldigten einer Straftat.

Der lügende Zeuge macht sich der falschen uneidlichen Falschaussage schuldig (unter Eid werden Zeugen heutzutage nur noch selten gestellt). Gemäß § 153 Strafgesetzbuch (StGB) wird eine solche uneidliche Falschaussage mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahren geahndet.

Justitia versteht eben gar keinen Spaß, wenn man sie hinters Licht führen will und damit Fehlentscheidungen provoziert. Übrigens kann der Zeuge eine Falschaussage noch während der Vernehmung zurücknehmen, dann bleibt sie unbestraft. Späterhin nach der Vernehmung kann der unwahrhaftige Zeuge seine Aussage nur noch korrigieren, woraufhin das Gericht gemäß § 158 StGB die Strafe je nach Einzelfallprüfung mildern oder ganz von ihr absehen kann.

Letztlich kann der Zeugenstuhl aber ganz lauwarm bleiben, wenn der Zeuge sich eines Zeugnisverweigerungsrechts berühmen kann, wenn er also mit seiner Aussage einen Verwandten oder nahen Angehörigen oder gar sich selbst belasten würde.

Auch berufliche Schweigepflichten, die z.B. Ärzte, Rechtsanwälte oder Pfarrer betreffen können, können zu einer berechtigten Aussageverweigerung führen. Andernfalls darf der Zeuge aber seine Aussage nicht verweigern. Verweigert er sie gleichwohl ohne berechtigten Grund, kann er seitens des Gerichts mit Zwangsmaßnahmen wie Ordnungsgeld oder Ordnungshaft bzw. Erzwingungshaft (Erzwingung der Zeugenaussage) belegt werden.

Diese drakonischen Maßnahmen dienen der rechtsstaatlichen Pflicht des Zeugen, seinen wichtigen Beitrag zur Wahrheitsfindung zu leisten.

Der Mensch soll ja am Tag zigmal lügen, ohne sich es zum großen Teil bewusst zu machen.
Auf dem Zeugenstuhl sollte er es sich diese Unart aber wohlweislich abgewöhnen.
Denn manche mögen’s zwar heiß, aber besser nicht auf dem Zeugenstuhl.


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