Zwar heißt es auch dieses Jahr wieder närrisch now, aber Justitia nimmt auch zu Karneval keine Auszeit. Manche Normen und Regeln mögen an Karneval etwas milder daherkommen. Närrisch now bedeutet hingegen keinesfalls einen Rechts-GAU, gelegentlich aber Rechtsprechung inmitten von Alaaf und Helau. So sind nicht aus einem Elferrat, sondern vom richterlichen Katheter aus manche närrisch angehauchte Entscheidungen ergangen, die der fröhlichen Karnevalsstimmung sehr wohl zuträglich sind.
So ist es mittlerweile nahezu einhellige Rechtsauffassung deutscher Richter, dass von traditionellen Karnevalsveranstaltungen – wie von Kappensitzungen im Festzelt inmitten eines Wohngebiets – ausgehende und an sich unzumutbare Lärmbelästigungen ähnlich wie das Feuerwerk zu Silvester zum deutschen Kulturgut und Brauchtum gehören und eine „erhebliche Bedeutung für das gemeinschaftliche Zusammenleben“ haben.
Auch Bagatellverletzungen in oder durch einen Karnevalsumzug wie ein Zahnverlust oder eine Platzwunde durch typische Wurfgeschosse wie Kamelle (LG Trier, Urteil vom 7.2.1995 – 1 S 150/94) oder Pralinenschachteln (AG Aachen, Urteil vom 10.11.2005 – 13 C 250/05) sind nach richterlicher Würdigung vom Geschädigten hinzunehmen, ohne dass er sich auf die Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters berufen könnte. Denn die Narren haben die Macht und die Menschen erleben typische Lebensrisiken am und im Zoch. Das „hohe Karnevalsgericht“, das Amtsgericht Köln spricht in seinem Urteil vom 7.1.2011 anlässlich einer so hervorgerufenen Augenverletzung von einem „bedauerlichen Unglück“. Selbst für Knalltraumata aufgrund von Schüssen aus einer Weinbergskanone können Veranstalter von öffentlichen Narreteien nicht zur Verantwortung gezogen werden (LG Trier, Urteil vom 5.6.2001, 1 S 18/01).
Auch Gewinne eines gemeinnützigen Karnevalsvereins aus Kostüm- und Tanzpartys mit typischer Karnevalsmusik und Tanzdarbietungen sind laut Finanzgericht Köln von der Körperschaftssteuer befreit, da sie dem sogenannten Zweckbetreib zur Förderung des „traditionellen Brauchtums“ entsprungen sind (Urteil vom 20.8.2015, 10 K 3553/13).
Aber das „närrische Recht“ stößt irgendwann an die ehernen Grenzen strenger richterlicher Gesetzesanwendung. Entgegen allen (rhein)landläufigen Vorstellungen sind Krawatten respektive ihre Besitzer unantastbar. Zwar übernehmen an Weiberfastnacht bekanntlich die Frauen das närrische Regiment und pflegen das bekannte Brauchtum des Krawattenschnitts. Erlaubt oder gar sozialadäquat ist dieser Brauch aber leider nicht. Schlipse dürfen laut für alle Närrinnen wahrlich drakonischem Urteil, gesprochen im Ruhrgebiet vom des AG Essen, nur abgeschnitten werden, wenn der stolze männliche Träger zuvor seine Einwilligung zu diesem Eingriff (oder mehr noch Übergriff) gegeben hat (Urteil vom 3.2.1988, 20 C 691/87). An einer anderslautenden Entscheidung der rheinischen Rechtsprechung mangelt es (noch).
Auch unzulässige Werbung kann Bühnenkarnevalisten wie Büttenrednern oder Musikgruppen zum Verhängnis werden. So ließ es selbst das OLG Köln nicht durchgehen, dass ein Karnevalskünstler mit dem Slogan geworben hatte: „Karneval ohne Kostüme ist wie Bläck ohne Föös“. Hier sei eine unbefugte und daher zu unterlassende Werbung mit der Ausnutzung eines bekannten Namens festzustellen.
Schließlich verbietet es sich auch, das Karnevalstreiben zur Rechtfertigung für besonders enge private Kontakte zu Arbeitskollegen zu nutzen. Ein Behördenleiter bekam dies zu spüren, weil er genau dies gegenüber Mitarbeitern tat und ihm dadurch die erforderliche Eignung abgesprochen wurde (OVG Koblenz, Beschluss vom 2.4.2004, 10 A 11997/03).
Neben solcher Rechtsprechung mit eindeutiger Karnevalsaffinität trifft man überdies des Öfteren auf eine solche, deren Inhalte aufgrund ihrer Skurrilität und Kuriosität karnevalistische Heiterkeit hervorrufen. So hat in der Tat das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken entschieden, dass sich auch der von Durchfall geplagte Autofahrer auf dem Weg zur nächsten Rasttoilette an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten muss. Selbst wenn es in der Magengrube heftig drängt, muss der Betroffene zumindest prüfen, ob er nicht zur Verrichtung am Seitenstreifen anhalten kann (Urteil vom 19.12.1996, 1 Ss 291/96). Kaum zu glauben, aber lautes Pinkeln berechtigt den geräuschempfindlichen Nachbarmieter zur Mietminderung von 10 Prozent. Nach gutachterlicher Prüfung erwiesen sich die Uringeräusche des „Stehpinklers“ aus der Nachbarwohnung als insbesondere im Wohn- und Essbereich derart unangenehm, dass gemäß richterlicher Einschätzung ein Wohnungsmangel vorlag, der zur Mietminderung berechtigt (LG Berlin, 67 S 335/08).
Ein gestandener und daher alkoholkranker Säufer kann schlechterdings die Brauerei als Herstellerin seines über 17 Jahre lang konsumierten Lieblingsgerstensafts in die Produkthaftung nehmen. Seine Auffassung, dass die Brauerei einen Warnhinweis auf ihren Flaschen betreffend die Gefahrenquellen des Bierkonsums hätte anbringen müssen, konnte sich das OLG Hamm nicht anschließen. Schließlich seien die Gefahren und Wirkungen von Alkoholgenuss hinreichend und allgemein bekannt. Der Bierkonsument verfügt aufgrund seines Basiswissens über alle „sicherheitsrelevanten“ Informationen (Entscheidung vom 14.2.2001, 9 W 23/00).
Schließlich unterlag eine alleinerziehende Mutter als unterhaltsverfolgender Petentin der Fehleinschätzung, dass ihre Ladung durch den Familienrichter zu einer Gerichtsverhandlung zum närrischen Datum am 11.11. um 11.11 Uhr zu der von ihr begehrten Befangenheit des Richters wegen Voreingenommenheit führe. Das OLG München sah keinen Anhaltspunkt für eine Befangenheit des Richters, der sich bloß einen Scherz erlaubt hätte. Auch in Familiensachen gelte es, mehr Gelassenheit und Humor obwalten zu lassen. Die Frage, ob eine solche Entscheidung im karnevalsdurchdrungenen Rheinland denkbar gewesen wäre, ist eher eine rhetorische und bedarf ob der naheliegenden Antwort hier gewiss keiner näheren Erörterung.
Der Titel dieser Kolumne, der sich an den Titel der vorliegenden Ausgabe des Herzogs anlehnt, mündet närrisch now in folgender Quizfrage:
Das Monheimer Prinzenpaar ließ sich beim Saunagang von der Lokalpresse fotografieren. Was rügte eine Rheinländerin vor dem Landgericht Düsseldorf, die sich auch in der Saune aufhielt und auf dem Foto zu sehen war?
1. Eine Verletzung ihres Rechts auf natürliche Nacktheit (FKK-Recht).
2. Eine Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
3. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil nur sie auf dem Foto zu sehen war.
4. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil das Prinzenpaar größer und schärfer abgebildet war als sie.
Die Auflösung dürfte sich aufdrängen…
Daher Alaaf und Helau – närrisch now!