Zum 1. Januar 2023 soll das Bürgergeld kommen und das von den einen so gehasste wie von den anderen so geschätzte Hartz 4 – System ablösen.
Der Bundestag hat mit der Ampel-Mehrheit der Regierungsparteien am 10. November 2022 die durchgreifende sozialgesetzliche Reform verabschiedet.
Das Bürgergesetz als Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB) und anderer Gesetze muss aber noch den Bundesrat als Länderkammer passieren, was derzeit ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses kaum denkbar erscheint.
Denn die Union aus CDU und CSU kündigt als stärkste Oppositionspartei starken Widerstand an.
CDU/CSU befürchten insbesondere die Erosion des Lohnabstandsgebots und damit eine nicht hinnehmbare Abwertung nutzbringender Arbeitstätigkeit.
Erklärtes Ziel der Einführung des Bürgergelds ist es aber zunächst, einen milderen Umgang der Jobcenter mit den Beziehern von Grundsicherung zu befördern.
Denn viele Leistungsbezieher fühlen sich von Mitarbeiter*innen der Jobcenter von oben herab behandelt. Auch an der ernsthaften und individuellen Wiedereingliederung in das Arbeitsleben hapert es im alten Hartz-4-System, wie seit Jahren vielfältig kritisiert wird.
Die Einführung des Bürgergelds soll daher mit einer besseren Kooperation aller Beteiligten einhergehen.
Die Mitarbeiter*innen der Jobcenter sollen weitaus intensiver dahingehend geschult werden, auf Augenhöhe und verständlicher mit den Leistungsbeziehern persönlich und schriftlich zu kommunizieren sowie deren individuelle Wünsche zur beruflichen Planung effektiver aufzugreifen und umzusetzen.
Durch diesen sozialpolitischen Systemwechsel sollen nach dem Willen der Gesetzesinitiative Leistungsgerechtigkeit und berufliche Wiedereinstiegschancen erheblich gesteigert werden.
Im Kern beinhaltet das Bürgergesetz folgende Maßnahmen:
• Erhöhung des Regelsatzes pro Person um ca. 50 € monatlich.
• nur maßvolle Sanktionen z.B. durch Leistungskürzungen, um bessere Möglichkeiten zur Weiterbildung und Arbeitssuche zu eröffnen.
• „Belohnung“ von Weiterbildung und beruflicher Qualifizierung mit einem Bonus zum Bürgergeld von bis zu 150 €.
• Erhalt eines Schonvermögens für die ersten beiden Jahre nach Eintritt der Arbeitslosigkeit („Karenzzeit“) von 40.000 € pro Person und weiteren 15.000 € für jedes weitere Haushaltsmitglied unter Einschluss von Anlagen zur Altersvorsorge und Immobilienbesitz (bis 140 qm für Eigenheime und bis zu 130 qm für Eigentumswohnungen).
• In den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezugs keine Auflage des Umzugs in eine kleinere Wohnung.
• Einbehalt des Hinzuverdiensts durch Bürgergeld-Bezieher in der Spanne von 520 € bis 1.000 € mit 30 % (bislang 20 %). Hinzuverdienst zum Bürgergeld für Schüler*innen in Bürgergeld-Familien bis 520 € (Minijob) anrechnungsfrei.
Mit der Erhöhung des Regelsatzes um ca. 50 € monatlich erklärt sich auch gerade wegen der galoppierenden Inflation und der steigenden Energiepreise selbst die Opposition einverstanden.
Danach schieden sich aber die politischen Geister.
Denn die Streichung von diversen Sanktionen und die Erhaltung des Schonvermögens fanden bei der Opposition laut vernehmbares Unverständnis, da damit Arbeitsanreize noch wirkungsloser wären und die arbeitende Bevölkerung geradezu betraft würde.
Ist das so? Oder ist es eher ein Gerangel um den Mangel?
Man sollte wahrlich die Kirche im Dorf lassen, wenn es um die Unterstützung von Menschen geht, die ganz überwiegend unverschuldet zunächst in die Arbeitslosigkeit und sodann in den Grundsicherungsbezug geraten.
Die Sozialneidkarte zu ziehen, ist jedenfalls der völlig falsche Weg.
Denn die Erhöhung des Grundsicherungssockelbetrages um gerade einmal ca. 50 € bedeutet für den künftigen Bürgergeldbezieher nichts anderes, als sein Alltagsleben nach wie vor äußerst bescheiden zu organisieren, wenn man die Inflationsrate von nahezu 8 % dagegenhält.
Es wird dem Bürgergeldbezieher durchaus helfen und gar motivieren, einen Hinzuverdienst an Land zu ziehen, von dem er dann auch weniger anrechnen lassen muss als bislang.
Seriöse Berechnungen ergeben zudem, dass Arbeitnehmer*innen durchaus über spürbar mehr Erwerbseinkommen verfügen würden als Empfänger eines Bürgergeld.
Dies gilt selbst für die Arbeitnehmer*innen in den unteren Lohngruppen.
Denn der arbeitenden Bevölkerung ist über ihr Arbeitseinkommen hinaus der Zugang zu zusätzlichen Sozialtransfers eröffnet.
Die spürbare Erhöhung des Wohngelds (Wohngeld-Plus-Gesetz), der mögliche Kinderzuschlag, der Erwerbsfreibetrag, der Unterhaltsvorschuss oder die Leistungsaufstockung ergeben summa summarum auch für diese Klientel der Geringverdiener einen gebührenden Einkommensabstand gegenüber den Empfängern von Bürgergeld.
Auch darf nicht übersehen werden, dass Arbeitnehmer*innen gemeinsam mit ihren Arbeitgeber*innen Sozialabgaben in die Rentenversicherung abführen, was ihrer Altersversorgung zugutekommt.
Diesen Vorteil würden Bürgergeld-Empfänger nicht genießen, denn das Bürgergeld umfasst keinerlei Sozialabgaben in die Rentenversicherung.
Fazit:
Nehmen geringverdienende Erwerbstätige alle staatlichen Leistungen, die ihnen zustehen, in Anspruch, verfügen sie über sichtbar mehr Einkommen als der Arbeitslose in der Grundsicherung.
Es sollte dabei sehr wohl gesehen werden, dass sich dies alles für die betroffenen erwerbstätigen Geringverdiener und arbeitslosen Leistungsbezieher im äußerst bescheidenen Rahmen bewegt.
Es wäre mithin auch und gerade in den herrschenden Krisenzeiten eher geboten, nicht über Sinn und Unsinn eines durchaus vernünftigen Systemwechsels im Wege der Sozialreform des Bürgergeldes zu streiten, sondern schlicht dafür zu sorgen, die Gehälter der Erwerbstätigen insbesondere in den unteren Lohnstufen zu erhöhen.
Damit sich Leistung in der Erwerbstätigkeit lohnt, also arbeitende Menschen gerade nicht über weniger Geld verfügen sollen als Arbeitslose, sollte das Arbeitseinkommen nach oben angepasst und nicht an der Grundsicherung der Arbeitslosen auf dem Level des Existenzminimums herumgedoktert werden.