Der am 29. April 2021 veröffentlichte Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. März 2021 (Az. 1 BvR 2656/18 u.a.) kann gewiss als „historisch“, „bahnbrechend“ oder „epochal“ bezeichnet werden, wie es in den Medien zu Recht durch sich überschlagende Superlative zum Ausdruck kam. Das höchste deutsche Gericht erklärt das bislang geltende Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) für teilweise verfassungswidrig. Das bisherige KSG belaste laut Spruch des 1. Senats des BVerfG künftige Generationen übermäßig stark, da es keine spezifischen Regelungen zu Treibhausgasemissionen nach 2030 treffe, obwohl sich Deutschland u.a. im Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat, bis 2050 klimaneutral zu werden. Demnach wäre zu befürchten, dass künftige Klimaschutzmaßnahmen Freiheitsrechte „weit drastischer beschneiden“ müssen als bislang angenommen.
Das bisher aufgelegte KSG verschiebe die hohen Lasten infolge der auferlegten Emissionsminderung unumkehrbar auf die Zeit nach 2030, mithin in die Verantwortung der jungen und zukünftigen Generationen. Der jetzigen älteren Generation würde nämlich eine vergleichsweise milde Reduktionslast hinsichtlich des Kohlendioxidabbaus im Wege eines umfangreichen Verbrauchs des Kohlendioxidbudgets zugestanden, so dass die Freiheitseinbußen nachfolgender Generationen in unakzeptabler Weise verschärft würden.
Die Freiheit heutiger Generationen dürfe im Sinne des Lebensschutzes und der körperlichen Unversehrtheit, mithin der Wahrung der Generationengerechtigkeit nicht über die Freiheit künftiger Generationen gestellt werden. Diese Argumentation in seiner Rechtsprechung leitet das BVervG aus Art 2 Grundgesetz (GG), dem großartigen Freiheitsgaranten im Grundrechtekatalog, insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG her, der laut der deutschen Verfassungshüter auch staatliche Schutzpflichten bei Beeinträchtigungen durch negative Umweltveränderungen garantiert. Gemäß dem grundrechtlichen Schutzauftrag dürften die politischen Entscheidungsträger dem Klimawandel auch und gerade mit Blick auf die Zeit nach 2030 keinen freien Lauf lassen.
Namhafte Rechtsexperten sehen in der spektakulären Entscheidung des BVerfG eine erste und bislang einmalige Kodifizierung eines Grundrechts auf Zukunft und auf Generationengerechtigkeit für unsere Umwelt.
Wie noch nie in der bundesdeutschen Geschichte haben die obersten Verfassungshüter der Politik offenbar dermaßen Beine gemacht, dass die Bundesregierung bereits zwei Wochen nach Verkündung der höchstrichterlichen Entscheidung eine Novelle des KSG auf den Weg zur Verabschiedung im Bundestag gebracht hat.
Jetzt will die Bundesregierung die blühende Landschaft der Klimaneutralität, mithin die Senkung der Treibhausemissionen auf null mithilfe eines Sofortprogramms namens „Klimapakt Deutschland“ bereits bis 2045, also noch vor 2050 als der im Pariser Klimabakommen festgelegten Ziellinie schaffen. So soll bis 2030 eine Reduktion des Treibhausgasausstoßes um mindestens 65 % anstatt bisher 55 % im Vergleich zu 1990 realisiert werden. Dafür sollen die Kohlemeiler noch früher abgeschaltet werden als bis zum bisher festgelegten Datum in 2038. Zudem soll die Elektrifizierung im Automobilbau massiv vorangetrieben werden.
Die künftige Kohlendioxidabgabe soll durch Übernahme der hälftigen, durch fossile Brennstoffe entstehenden Heizkosten seitens des Vermieters kompensiert werden.
Eine Gebäudesanierungsoffensive und die Vorgabe klimafreundlicher Neubaustandards sind überdies Kerninhalte des Sofortprogramms.
Nicht zuletzt sollen die erneuerbaren Energien, insbesondere die Windenergie- und Wasserstoffwirtschaft in den künftigen Bundeshaushalten prioritäre Förderungen mit hohen Milliardensummen erfahren.
Im Ergebnis hat unsere rechtsstaatliche Gewaltenteilung im Verfassungsdreieck der stets wachen und wachenden Judikative sowie der in die Verantwortung genommenen und in der Verantwortung stehenden Legis- und Exekutive den wohl wesentlichsten Stresstest für unsere umweltgeschützte und damit lebenssichere Zukunft in voller Blüte bestanden.