„Das ist die Vorstufe zum Paradies, vor allem wenn man einen Akkord spielt“, sagt Christof Rück leise schmunzelnd, greift in die Tasten und zieht dann das Register „vox coelestis“, die Stimme des Himmels. Es ist eines von 44 Registern der vollmechanischen Vleugels-Orgel in der Propsteikirche, die, wie der Kirchenmusiker erklärt, ein ganzes Orchester klanglich darstellen können. „Bei diesem Orchester ist es allerdings so, dass die Querflöten momentan ,krank’ sind“, formuliert Rück und meint damit, dass dieses Register zwar von den Orgelbauern vorbereitet worden ist, aber noch keinen „Pfeifensatz“ hat und darum „stumm“ bleibt. Gleiches gilt für die „Klangzüge“ unda maris, Basson 16 Fuß, Cornet 5fach und Claron 4 Fuß im Hauptwerk. Der Grund: Es fehlte an den nötigen Finanzmitteln, als 1998 die neue Orgel gebaut wurde, die bei der Firma Vleugels als III/45 – Opus 320 gelistet ist.
Jetzt scheint allerdings eine „Nachrüstung“ in greifbare Nähe gerückt: Mit Hilfe des „Vereins zur Förderung der Kirchenmusik in der Pfarrei Heilig Geist wird aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr die Querflöte gesunden und auch die Pfeifen für „unda maris“ eingebaut. „Da sind wir eigentlich auch stolz drauf.“ Im wahrsten Sinne ist nämlich bei den Matineen zur Marktzeit der Hauptteil des Geldes eingespielt worden. Weiteres Geld kam durch „Fans und Spender“ zusammen. Auch wenn sich Organist Rück ziert eine Summe zu nennen, lässt er wissen, dass ein fünfstelliger Betrag alleine für diese zwei Klangfarben zu veranschlagen ist. Vom Bistum sei kein Zuschuss geflossen und auch die Pfarrei Heilig Geist verfüge nicht über die nötigen Geldmittel. Vor dem Einbau steht aber jetzt nur noch die Klärung von „ein paar Formalien mit dem Kirchenvorstand“.
In drei besondere Register hatte die damalige Propsteipfarrei allerdings beim Bau 1998 investiert und damit ihre Orgel zu einem ganz besonderen Einzelstück gemacht. Über den Kirchenmusiker wacht während seines Tastenspiels eine eiserne Muttkrat, das Jülicher Wappentier, und ihr ist auch ein eigenes Register zugeordnet. Wird der Klangzug bewegt öffnet die Kröte das Maul und quakt. Ein besonderes Schauspiel! Unterlegt werden kann es mit den zwei weiteren Effektregistern: Dem Imber Iuliaci, dem Jülicher Regen, und Donnergrollen, bezeichnet mit Tympanon. Diese drei sollen an die Klänge der heimatlichen Natur erinnern und spannen den Bogen zur Bauzeit während der Landesgartenschau.
„Eine Orgel ist aber nicht einfach nur ein Instrument, sondern auch ein handwerkliches Meisterwerk, vor dem man unglaublich Respekt hat“, betont Christof Rück und öffnet die kleine Seitentür, durch die man das Innerste des Instrumentes betreten kann. Über schmale Leitern geht es bis zu den „Laden“, den Pfeifenstöcken und Rasterbrettern. Das gibt es eckige und runde Pfeifen, solche aus Holz und Metall. „Sie sehen alle anders aus, weil jede Form einen besonderen Klang erzeugt, der einem Orchesterinstrument nachempfunden ist“, erläutert der Fachmann. Die Orgel hat drei Klaviaturen, erfährt der geneigte Hörer, die Manuale genannt werden. „Alles was hier steht, ist im zweiten Manual, da hinten ist das dritte Manual, das so genannte Schwellwerk“, weist der Organist auf einen Holzkasten hin, der über eine Jalousie-ähnliche Vorrichtung verschlossen werden und so den Klang leiser werden lässt. Während die meisten Pfeifen frei stehen sind die großen Prospektpfeifen so schwer, dass sie oben verankert werden müssen. „Sonst würden sie einsinken.“
Ohne das Handwerk kein Klang, erläutert der Kirchenmusiker weiter: Sein besonderes Lob gilt der „Intonation“, so wird das Verfahren genannt, wenn der Orgelbauer die Register, die Pfeife neu einsetzt und den Klang bestimmt. Hier wird entschieden, ob die Töne lauter, leiser oder voluminöser werden. „Der Intonateur hat das ganz hervorragend gemacht“, sagt der Organist und freut sich schon auf die Zusammenarbeit bei der Installation der neuen Register.
Aber einen Wunsch hat der Organist dennoch: „Was mir hier ein bisschen fehlt ist eine Spielhilfe.“ Das ist ein Medium, mit dem Registerkombination von einem auf den nächsten Moment umgestellt werden können. Denn was dem Auge des Zuhörers verborgen bleibt: Ein Organist hat nie genügend Hände und in Konzerten oder großen Messen steht ein „Assistent“ daneben und zieht die benötigten Register, die einer alleine nicht bedienen kann. „Im Normalfall steht aber niemand neben mir und das schränkt mich natürlich in der Auswahl der Stücke ein.“ Mit einer Spielhilfe wäre das Problem aus der Welt geschafft: „Da drücke ich nur auf einen Knopf“ und elektrisch gesteuert lassen sich die Register bewegen. „Das hat keinen Einfluss auf den Klang“, betont der Musiker.
Derzeit „spielt“ Christof Rück viele Pausen, Messen fallen aus, Chorproben ebenfalls. Was bleibt sind die Gottesdienste im Internet. Ob es nach dem 7. März zu Lockerungen und Wiederaufnahme der Präsenz-Gottesdiensten kommt und die Orgel ihren Klang wieder für die Menschen entfalten kann, ist nicht absehbar. Für Christof Rück ist die Marschrichtung aber klar: „Ich mache was möglich und vertretbar ist.“