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Sebastian Reimann beim Online-Unterricht. Foto: Musikschule Jülich
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So wie eine lebende Pflanze benötigt auch das musikalische Buschwerk kleine Triebe in Form von Nachwuchs, der mit der Zeit immer stärker heranreift, um letztlich ein Eigenleben zu bekommen und so den klanglichen Spirit weiter zu verbreiten. Doch ist dies in Zeiten von Corona überhaupt möglich? Wenn eine Begegnung nicht richtig funktioniert, wie lässt es sich da überhaupt unterrichten, damit die Zöglinge ihren Musiktrieb auch weiter ausbilden können?

Viel Erfahrung in Sachen Gitarrenunterricht besitzt Hajo Hintzen. Bereits seit fast 30 Jahren besteht das Gitarren- und Bass-Studio Six and Four in Jülich, an dem er von Beginn an sein musikalisches Wissen verbreitet. Daneben arbeitet er auch an der Jülicher Musikschule im Schulzentrum an der Linnicher Straße. Selbst in der momentanen Situation hätten ihm die Schülerinnen und Schüler die Stange gehalten und zuweilen auch weiter bezahlt, obwohl sie vielleicht nicht immer Unterricht erhalten hätten, erzählt er.
Die negative Seite bei Musiklehrern sei allerdings, „dass wir keine Neuanmeldungen mehr bekommen“. Dies sei insbesondere deswegen schwierig, weil immer wieder Schüler abspringen würden, beispielsweise weil sie nach dem Abitur andernorts ihr Studium anfangen. So wird der Stamm natürlich auf Dauer immer kleiner, weswegen die Akquise von neuen Schülern lebensnotwendig für die Musiklehrer ist. Für die Einwerbung von neuen Schülern sind neben der Mundpropaganda auch Schülerkonzerte ein wichtiger Faktor.
Wenn die Krise allerdings noch lange anhielte, sei ungewiss, ob sich das Gitarren- und Bass-Studio weiter halten könne. „Dann muss man eine andere Art von Lösung finden.“ Online ist Hajo Hintzen sehr aktiv mit über 40 Schülern in der Woche. „Es ist eine Notlösung, aber es ist eine Lösung für eine gewisse Zeit.“ Denn viele Dinge wie etwas die Handstellung am Instrument oder das Musizieren mit anderen sei via Internet nur bedingt zu beurteilen oder umzusetzen.

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Dies sieht Stefan Palm ähnlich. An der Hochschule für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart in der Nähe von Tübingen, deren Rektor er ist und wo er eine Professur inne hat, läuft der Hochschulbetrieb seit einem Jahr bis auf ganz wenige Ausnahmen ausschließlich online. In Theorie oder Fächern wie Orgel würde es einigermaßen funktionieren, jedoch nicht, wenn es um größere Gruppen wie Chöre oder Orchester ginge. Insbesondere Sänger hätten dabei keine guten Erfahrungen gemacht. Sie müssten mehr an den Menschen dran sein. Auch ein gemeinsames Proben oder Musizieren sei wegen der Zeitverschiebung nicht möglich.
Es gebe aber auch positive Aspekte, so bei den Masterstudenten, die sich bei der Produktion der eigenen Aufnahmen gründlicher vorbereiteten, weil sie sich ja nun auch selbst hören und somit beurteilen können. Deshalb schätzt Stefan Palm, dass in der Zeit nach der Pandemie dies nicht ganz abgeschafft, sondern die Vorteile ausgenutzt und zumindest teilweise weitergeführt werden. Zudem könnten auf diese Weise unter anderem Fahrtkosten gespart werden.

Online-Unterricht ist jetzt Normalität
Probleme an Neuanmeldungen hätte die Musikschule der Stadt Jülich nicht, soweit es den Instrumentalunterricht betrifft, wohl aber bei der Früherziehung. Da seien die Anmeldungen erst kleckerweise nach den Sommerferien gekommen, unterstreicht Musikschulleiter Bernhard Dolfus. „Die Kurse sind nicht richtig voll geworden.“ „Wir merken schon die fehlende Orchesterarbeit an den Schulen“, ergänzt Musikschulmitarbeiterin Susanne Schlüter. „Da werden schon Kinder für Instrumente interessiert, und da ist oft ein Austausch zwischen den Orchesterkindern und der Musikschule vorhanden. Da ist Bewegung drin, und diese Bewegung ist jetzt nicht da. Gerade die Kinder, die in der fünften Klasse seit Monaten im Lockdown sind und noch nicht einmal ihre Mitschüler richtig kennenlernen konnten, die können erst recht nicht Aktivitäten wie das Schulorchester ausprobieren.“ Dadurch würde ersichtlich, wie und wo überhaupt das musikalische Leben vernetzt ist.

Musikschule Jülich. Foto: tee

Eine Kooperation mit dem Gymnasium Zitadelle in Form einer Bläserklasse sei schon recht weit gewesen, und dann kam Corona dazwischen, erzählen Bernhard Dolfus und sein Stellvertreter Jörg Tetzlaff. Ähnliches gilt für die Seniorenarbeit, in der die Musikschule seit zwei Jahren Fuß zu fassen versucht. Online-Unterricht sei kein Problem an der Musikschule, „da die meisten Kollegen technik-affin sind und quasi von heute auf morgen auf Online-Unterricht umsteigen konnten“, verdeutlicht es Dolfus. Spätestens beim zweiten Lockdown war diese Form des Unterrichts völlig normal. Sogar in den Gruppen bei der Früherziehung wurden die Voraussetzungen geschaffen, so dass es nach anfänglichen Schwierigkeiten gut funktioniere. „Die Schüler, die zuhause nicht die Möglichkeit hatten, denen haben wir hier vor Ort die Möglichkeit geboten, den Online-Unterricht in Anspruch zu nehmen“, meint Dolfus. So hatte er bereits vor Jahren Wlan in der Musikschule einrichten lassen. Dadurch sind verschiedene Modelle umsetzbar, je nachdem ob Lehrer oder Schüler sich zum Zeitpunkt des Unterrichts zuhause oder in der Musikschule befinden. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Teilnehmenden zur gleichen Zeit in verschiedenen Räumen der Musikschule den Unterricht bestreiten.

„Und jetzt ist es noch spannender. Jetzt können Kleingruppen mit fünf Kindern im Präsenz unterrichtet werden, und Gruppen, die zehn Kinder beinhalten, werden gesplittet“, bekräftigt Susanne Schlüter. Das heiße, dass die Lehrkraft in einem Raum fünf Kinder unterrichtet, während die anderen fünf Kinder mit ihren Instrumenten in einem anderen Raum von der zweiten Lehrkraft Fee Heinrichs unterstützt angeleitet werden, wobei sie über einen Monitor zur Hauptlehrerin verbunden sind. „Also, es ist wie ein Raumschiff.“

Selbstvertrauen ist gewachsen
Fee Heinrichs unterstützt als „Bufti“ im Bundesfreiwilligendienst die Kurse der Musikalischen Früherziehung, die Musikzwerge und das Kleine Orff-Orchester, hilft aber auch auf dem seit Corona bestehenden YouTube-Kanal der Musikschule Jülich und hat dabei die Beiträge für das digitale Weihnachtskonzert der Musikschule zusammengeschnitten. Momentan schneidet sie einen Beitrag der What Else BigBand für den Kanal. Hierfür gibt es allerdings noch kein Veröffentlichungsdatum.
Jedoch sehen auch die Lehrenden der Musikschule der Stadt Jülich die Möglichkeiten online als begrenzt an: von technischen Problemen wie schlechten Internetverbindungen und mangelnder Bild- und Klangqualität bis zur zeitlichen Versetzung, die ein Zusammenspiel unmöglich macht. „Viele Aspekte eines guten Unterrichts können dort nicht oder nur unter großem Zeitaufwand genutzt werden“, bekräftigt Klaus Luft. „Trotz alledem habe ich Schüler, die tierisch abgegangen und vorangekommen sind“, meint Jörg Tetzlaff. Vielleicht, weil sie durch den Lockdown mehr Zeit dazu gehabt hätten, vielleicht aber auch, weil sie auch mal alleine spielen und somit allein schon selber zählen und sich beispielsweise mit Auftakten auseinander mussten. Auch das Selbstvertrauen der Schüler hätte dadurch oft gewonnen.

Errungenschaften weiter pflegen
„Ich würde es so zusammenfassen: Der Präsenzunterricht kann nicht ersetzt werden, aber er kann ergänzt werden“, sagt Bernhard Dolfus. Einige Kollegen hätten Filme produziert, die sie beim Spielen zeigen, und diese dann den Schülern mitgegeben oder verschickt. „Solche Sachen werden auch beibehalten. Wir werden mit Sicherheit digitale Medien weiter nutzen.“ Es dürfe aber nicht aus dem Blick geraten, dass diese nur eine Nothilfe seien, insistiert indes Klaus Luft, „aus der wir viel lernen und aus der wir viel mitnehmen können.“ Dennoch sieht er eine Vergleichbarkeit oder gar einen gleichwertigen Ersatz dadurch nicht gegeben. Letztlich sei es halt doch nur eine Notlösung: „Wenn ich den Ball beim bösen Nachbarn über‘n Zaun geschossen habe, bin ich froh, dass ich noch ‘ne Coladose hab‘.“


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