Start Galerie Galerie 2020 Independent-Sounds zur Provinz-Party

Independent-Sounds zur Provinz-Party

Und noch eine neue Konzertreihe. Diesmal mit dem Titel „Indie Provinz“, also „in die Provinz mit Independent-Music aller möglicher Couleur“. Und das in der ehemaligen Punkrock-Hochburg Jülich zu einer Zeit, in der Live-Gigs keinen Hund hinter dem Ofen hervor und in die Konzerthallen locken.

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Wohin gehen Bands, wenn es gut werden soll? Indie Provinz! Fotos: Volker Goebels
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Wenn, dann eher das ältere Publikum zu Acts, die an alte vergangene Tage erinnern. So als Nostalgie-Ding. Aber hier mit Bands, die in der Herzogstadt keiner kennt. So richtige Jung-Spunde aus Mönchengladbach und noch weiter weg, nämlich den niederländischen Groningen und Eindhoven. Wer soll denn dorthin kommen? Das kann doch gar nicht funktionieren…

Oh doch, erstaunlicherweise sogar recht gut. Pünktlich wie geplant um 20.15 Uhr legt das Quartett „Crowded Diary“ los, und zwar vor einer überwiegend jungen Zuhörerschaft in einer gut gefüllten KuBa-Kneipe. Direkt der erste Song „No give up“ besticht durch interessante Arrangements und eingängige Gesangsmelodien inklusive Woh-hoh- und Na-na-na-Lines. Aber keineswegs plump auf die Augen gedrückt, sondern sinnvoll in die Songs gepackt. Genau so die Gegenrhythmen und Mitklatsch-Grooves: einfach clever gemacht. Die Jungs wissen genau, was sie da machen.

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Überhaupt bedienen die Band um Bassist und Sänger Yannick Lange, Gitarrist / Backgroundsänger Jannik Backhaus, Keyboarder / Backgroundsänger Simon Nolte und Schlagzeuger Vincent Grupe die poprockige Seite der alternativen Musik-Welt. Da schleichen sich auch schon mal U2 oder Coldplay-Einflüsse ein, und ab und zu klingt es sogar nach den guten alten Smiths.

Überhaupt bewegt sich das Crowded-Diary-Schiff in relativ ruhigem Fahrwasser. Da fehlt dann auch nicht der obligatorische Wechsel von Akustik- zur E-Gitarre beziehungsweise zum E-Bass. Doch immer wieder geben die verhaltenen Parts quasi das Vorspiel für anschließende Power-Passagen wie bei „Burnin‘ Eyes“ oder „Face“. Und immer wieder sticht die ausgefuchste Drum- und Bass-Arbeit hervor. Übrigens: Mit gleichem Programm, aber anderem Namen ziehen die Jungs nach eigenem Bekunden direkt nach dem KuBa-Konzert durch die Musik-Welt, nämlich als „Miss Madison“.

Nach einem derart starken Anheizer-Act stellt sich natürlich die Frage, ob die nachfolgende Band das warm gelaufene Publikum mit ähnlicher Energie am Laufen halten und so die Konzentration hochhalten kann. Gerüchte machen bereits im Vorfeld, dass „The Vices“ quasi auf Europatour einen Abstecher in das verschlafene Jülich machen. Sänger Floris van Luijtelaar erklärt, dass er überrascht gewesen sei, dass die Stadt doch größer sei, als er sich es vorgestellt habe.

Kurz und gut: Die „Vices“ machen gleich auf sich aufmerksam. Diese Präsenz. Dieser Style. Dieses Selbstverständnis. Und dabei haben sie noch nicht einmal einen Ton gespielt. Bereits vor dem Konzert fallen insbesondere Floris und Jonathan durch ihren Look, ihre Bewegungen und ihre Ausstrahlung auf sich aufmerksam. Als sie dann auf der Bühne stehen, ist natürlich direkt klar: Logisch, das sind ja Musiker.

Und lassen auch keinerlei Zweifel daran, als sie mit „Speeding up to last“ keinen Gedanken daran verschwenden, sich nur mit Betriebstemperatur zufrieden zu geben. Übergangslos servieren sie den zweiten Song „Good Morning“, dazu ein kurzer Gruß ans Publikum. Super professionell und ziemlich abgezockt. Im durchaus positiven Sinn. Sie haben seh- und hörbar viel Spaß an dem, was sie tun, und genau das verbreiten sie auch.

Action ist angesagt, die Band mag nicht ruhig bleiben, und da offenbar auch viele Zuhörer nicht wissen, wohin mit der erzeugten Energie, setzen sie diese halt in rhythmische Bewegungen auf der Tanzfläche um. Power-Pop, Surf und Garage heißt die Gangrichtung laut Info, dabei setzen die Vier bei „Sly smiled Berlin child“ voll auf wildes ungestümes 60ies-Flair. Da schütteln nicht nur Floris und Bassist Simon ihre halblangen Wuschelhaare.

Überhaupt wirkt Sänger und Gitarrist Floris mit seinen Rockstar-Manierismen wie eine Mischung aus Mick Jagger, David Bowie und Keith Carradine in jungen Jahren, jedoch nie auch nur annähernd unnahbar. So sieht er ganz offensichtlich keinen Bedarf, Grenzen zu seinen Mitmusikern Jonathan Kruizenga (Gitarre / Gesang), Simon Bleeker (Bass / Gesang) und Mathijs Louwsma (Drums) zu ziehen, sondern ist ständig bemüht, sie mit ins Geschehen einzubeziehen, mit ihnen auf der Bühne einfach Party zu machen.

Da passen Songs wie das „Life grows“ mit seinem 70ies-Disco-Groove und dem anschließenden Funky-Part perfekt zum abzappelnden Publikum. Und dann hält es den Frontmann nicht länger auf der Bühne und mischt sich Gitarre spielend unter die Tanzenden. What a great public appeal…

Nach der Show nehmen sich die Vier noch reichlich Zeit, um die verbleibenden Vinyl-Ausgaben ihrer EP zu signieren oder geduldig für Handy-Fotos mit den Fans zu posieren. Dabei wartet bereits tags darauf ein Gig in Paris. Sie haben wirklich das Zeug zum Durchbruch. Das neue Album soll im April erscheinen, einen Titel trägt das Werk allerdings noch nicht.

Wenn „The Vices“ wirklich durchstartet, ist das auch ein Riesen-Erfolg für das Indie-Provinz-Team um Katharina Adams und ihr Konzept. Ausruhen auf solchen Lorbeeren werden sie sich sicher nicht, denn schon am 29. Februar und am 3. April sind Teil 2 und 3 geplant. Hoffentlich mit ähnlichem Erfolg wie die Premiere. Auf jeden Fall ist es gut zu wissen, dass sich wieder (oder immer noch?) richtig gute Bands zusammenfinden, um die Bühnen zu rocken.

Fotos Volker Goebels und Arne Schenk


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