Geboren in Santiago de Chile 1954, hatte sie erste Ausstellungen mit bildhauerischen und grafischen Werken schon im Alter von zwanzig Jahren ebenfalls in Santiago, wo sie an der Kunstakademie ihr Studium begann, das sie in Maryland und Washington, USA, fortsetzte. Ihre Arbeiten sind über die ganze Welt verteilt: Ein Kreuzweg in der »Gott-Vater-Kirche« in Buenos Aires, ein Altarschiff mit einem Kreuz als Mast in der Pilgerkirche des »Magdala-Centers« in Israel am See Genezareth: Über den Altar hinweg geht der Blick auf diesen See, an dem Jesus lebte und predigte, ein Reliquienschrein des hl. Suitbert in Düsseldorf-Kaiserswerth, der Chorraum der Propsteikirche in Jülich, der Volksaltar in der Kirche von Jülich-Barmen und ein Denkmal zum Mai-Brauchtum ebendort, die Mariensäule auf dem Jülicher Kirchplatz, bald auch die Namenspatrone Andreas und Matthias der Kirche in Lich-Steinstraß, Arbeiten in Euskirchen-Kreuzweingarten, ein Kreuzweg in der Apostolischen Nuntiatur in Berlin! – Und diese Frau wohnt und arbeitet auf Burg Engelsdorf, dem kleinsten Ortsteil der Gemeinde Aldenhoven. Seit 1979 ist sie mit Juan Fernandez verheiratet. Zwei Töchter, ein Sohn und zwei Enkelkinder gehören zur Familie! Ihre Heimat ist Chile. Zehn Kinder hatte ihre Familie, sie ist das achte. – Zu Hause aber ist sie in Engelsdorf. Das betont sie ausdrücklich!
Ganz zweifellos kann man sie eine Migrantin nennen, eine Wanderin in dieser Welt, eine Zuwanderin nach Aldenhoven-Engelsdorf, eine Auswanderin aus der Millionen-Stadt Santiago in Chile. Sesshaft ist sie überall da, wo ihrer universalen Kunst Raum gelassen wird.
Diesen Freiraum für ihre Schaffenskraft und Kreativität findet sie in Engelsdorf, wo das Ehepaar Fernandez seit 1991 lebt. Manches im Leben der Maria Fernandez hat sich glücklich gefügt. Sie spricht von »Fingerzeigen Gottes«, auf die sie achtet. Einen solchen Fingerzeig sieht sie darin, dass sie ihren Mann kennenlernte, der selbst Bildhauer und Architekt ist, der in Engelsdorf alle handwerklichen Arbeiten, die seiner Kunst und der seiner Frau dienen, selbst erledigt. Er hat 2004 eine riesige Marmor-Skulptur für den Petersdom in Rom geschaffen und die Skulptur der hl. Teresa de Los Andes, der ersten Heiligen Chiles, aus Engelsdorf zum Vatikan transportiert. Der Sohn hilft mit Tischler-Arbeiten, deren es viele gibt in der »Kunstwerkstatt Fernandez«. Eine Spindeltreppe in der alten Burg wurde vom Sohn unter der hohen Aufsicht des Denkmalamtes restauriert.
Ihren Mann traf Maria Fernandez, als sie zum Studium nach Europa gekommen war. Er studierte in Münster Philosophie und Theologie, wurde Diplom-Theologe. Das hat den Mann aus Chile bis heute geprägt. Er drängte seine Frau, den gemeinsamen Wohnort nach Deutschland, in das Herz Europas, wie er deutlich machte, zu verlegen, auch weil der künstlerische Erfolg der Maria Fernandez hier schnell wuchs.
Kunst ist für diese Frau ein Gnadengeschenk Gottes, an den sie glaubt und vor dem sie sich verantwortlich weiß. Für Maria Fernandez gewinnen die von ihr ganz persönlich gestalteten Kunstwerke erst durch diese Gott-Bezogenheit allgemeine Gültigkeit. Sie schafft und arbeitet aus ihrem christlichen Glauben, der ihr für ihr eigenes Leben wie für ihre Kunst die weltumspannende innere Grundlage bietet. Sie lebt, wo immer sie lebt und arbeitet, in dem Bewusstsein, ein winziges, aber hochwichtiges Rädchen im Ganzen der Geschichte zu sein. Ihre christliche Kultur gab und gibt ihr und ihrem Mann auch die Kraft, in Engelsdorf die Burg – vor Jahren eigentlich eine Ruine ohne Chance – zu ihrer alten Größe zurückzuführen. In dem gewaltigen Bauwerk leben beide dennoch sehr bescheiden, nie auf großem Fuß.
Maria Fernandez will mit ihrer Kunst erziehen, Werte vermitteln, hinführen zur Erkenntnis von einem Wesen des Menschen, das weit über sinnliche und weltliche Genüsse hinausführt. In urchristlichem Sinn sucht sie nach dem Zentrum menschlichen Seins, das sie immer in Gott findet, der seinen Sohn in diese Welt schickte, damit sie geheilt werde von ihrer Brüchigkeit. Und sie will durch ihre Kunst diesen ihren Glauben vermitteln und mitwirken in und an der Heilsgeschichte Gottes.
Für jeden sichtbar hat sie auf dem Kirchplatz an der Kölnstraße in Jülich die Mariensäule errichtet, den Marienbrunnen. Aus dem Wasser des Lebens erhebt sich in zwei gewundenen und miteinander verquickten Spiralen die von der Marien-Figur bekrönte Säule mit Bildern aus Jülichs Geschichte, die sich in guten und in bösen Zeiten, in Zeiten der Glaubensverkündigung und der Glaubenskämpfe, in Zeiten wirtschaftlichen Erfolgs und katastrophaler Zerstörungen unter den Schutzmantel der Madonna flüchtet.
Seit mehr als tausend Jahren trägt die Jülicher Pfarrkirche das Patrozinium »Mariae Himmelfahrt«. Im Altarraum dieser Kirche hat die Künstlerin ihr Verständnis von einer Welt unter dem Schutz Mariens gestaltet, bekrönt von einem Radleuchter, der die Geschichte der Schöpfung darstellt, wie die Bibel sie sieht. Und zentral in das alte Retabel von 1909 setzte die Künstlerin ein neues Tabernakel mit dem brennenden Dornbusch, in dem sich Jahwe dem Moses und der Welt zeigte wie Christus in diesem Tabernakel.
Im Jahre 2013 schuf sie für die Hauskapelle des Zentralhauses der Frauen von Schönstatt in Vallendar den Altarraum neu. Wie in Jülich fasst auch hier die farbige Wandgestaltung das Tabernakel und den Volksaltar als Lebenseinheit in das Blau des Himmels mit dem Mittelpunkt des Kreuzes, das in einem Lebensbaum aufgehängt erscheint. »Alles« geschieht bei ihr »zur höheren Ehre Gottes«, wie es in großen lateinischen Lettern ganz oben in der Apsis der Jülicher Kirche geschrieben steht. Und weil ihr Werk Gotteslob ist, kann das Material nicht wertvoll genug sein. Gold und kostbare Email-Glasuren, Bergkristalle, strahlend weißer Marmor, durchscheinender Alabaster und leuchtende Bronze lassen ihre Werke bei jedem Lichtstrahl leuchten. Und auch wenn sie Holz nimmt, wie in Israel und jetzt bei den Aposteln in Lich-Steinstraß, muss es von bester Qualität sein, darf keinen Fehler haben und muss so geleimt sein, dass sich nie etwas verzieht. Holzarbeiten liebt sie besonders, weil sie den Gestalten mit farblicher Fassung verschiedenste Lebensbezüge gleichsam »auf den Leib« malen kann.
Sie ist bewundernswert, diese Frau, diese Künstlerin. Wer sonst lässt sich auf ein Abenteuer mit einer zerfallenen Burg ein und hilft mit, sie zu restaurieren? Wer sonst mischt sich ein und trägt selbstbewusst eine Meinung vor, wenn es um die Gestaltung öffentlicher Räume geht? „Jülich ist ein Juwel“, sagt sie, „trotz aller Zerstörung ein lebendiges Meisterwerk renaissance-zeitlicher Städteplanung.“ Sie will mit daran arbeiten, dass den Jülichern diese Bedeutung ihrer Stadt klarer wird. „Kunst muss Zeichen setzen, Zeichen für eine neue, bessere Welt!“ – So sieht und so sagt sie es. Und Jülich sollte und muss sich dafür bei ihr bedanken!
Peter Nieveler