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Vom Reisen und vielen Begegnungen mit Menschen

„Langeweile habe ich eigentlich nie gehabt, das muss ich sagen.“ Und wie diese adrette Dame mit den wachen Augen und dem Schmunzeln um die Mundwinkel das sagt, besteht daran kein Zweifel. Renate Hövelmann ist immer noch unternehmungslustig. Sie hat in und für Jülich ehrenamtlich viel bewegt. Am 26. September feierte sie mit 22 Gästen ihren 90. Geburtstag.

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Renate Hövelmann, Ehrenvorsitzende der Kleinen Hände, sammelt Spenden für den Verein zu ihrem 90. Geburtstag. Foto: Dorothée Schenk
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Sprachlich begabt ist Renate Hövelmann. Englisch und Französisch gehörten zu ihren Grundkenntnissen, die sie im Aachener Fernmeldeamt zum Einsatz brachte. Dort war sie für die Auslandsgespräche zuständig. „Wir haben Reklamationen angenommen und es gab ja noch R-Gespräche“, erinnert sie sich. Die Begeisterung für Sprachen kam Renate Hövelmann bei ihrer Reiselust zugute, die sie in fast alle Erdteile führte: Marokko, Singapur und Thailand aber auch Südamerika gehörten zu den Zielen. Gereist ist sie nach Myanmar, war dort an der Brücke am Mekong. „Es war so interessant, die Leute zu sehen und dann die Geschichte der roten Khmer zu erfahren, die da gelebt und gekämpft haben. Das alles das hat mein Leben unheimlich bereichert.“ Für eine Reise nach Peru hat sie auch noch Spanisch gelernt. „Ich fand das so wunderbar und es war so schön, dass mein Mann auch so gerne reiste“, erzählte sie strahlend.

Kennengelernt hat sie den Mann fürs Leben, einen frisch examinierten Wissenschaftler am Rogowski-Institut aus dem Fachbereich Elektrotechnik, in Aachen. Geheiratet wurde 1958. 1967 folgte Renate Hövelmann ihrem Mann nach Jülich, wo er die neugegründeten Ingenieurschule mit gestaltete. Ein besonderes Erlebnis war der gemeinsame sechswöchige Aufenthalt in China. In Aachens Partnerstadt Ningbo erhielt ihr Mann einen Lehrauftrag und sie begleitete ihn. Viele Besuche im Land auf die Dörfer wurde – „per Büschen“ – organisiert und auf ganz niederschwelligem Niveau hat Renate Hövelmann auf Bitten der Gastgeber auch Deutschunterricht erteilt. „Ich habe gesagt: Ich bin keine Lehrerin. Ich kann das nicht.“ Aber schließlich hat sie sich doch mit Unterstützung von einfach Lehrmaterial bereit erklärt. Schließlich ging es ja nur um die Vermittlung erster Sätze mit Subjekt Prädikat, Objekt. „Ich hab die sechs Wochen so genossen“, strahlt sie noch heute beim Erzählen. Später hat sie diese Erlebnisse noch einmal aufgefrischt, als sie mit Marlies Keil im Seniorenbeirat ein Projekt angestoßen hat, in dem für chinesische Studenten in Jülich deutsche Paten gesucht wurde.

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Gar nicht so einfach sei es allerdings anfangs als Zugezogene in Jülich gewesen. „Die ersten Jahre war man gar nicht angesehen. Gar nicht. Auch in Geschäften nicht.“ Die Standardfrage sei gewesen „Wo arbeitet denn Ihr Mann? Bei der Atom?“ Daran gehindert, hier in Jülich heimisch und aktiv zu werden, hat es Renate Hövelmann nicht. Nachdem sie sich als Mutter einige Jahre um ihren Sohn gekümmert hatte, suchte sie neue Aufgaben. Es folgten das erste Ehrenamt als Besuchsdienst im Krankenhaus für die evangelische Kirche. Bald stellte sie fest, dass das nichts für sie war. Wohl fühlte sie sich dagegen im Kreise der Frauenunion. Zu der Zeit hatte sie Frau von Pilar kennengelernt, die für die Frauenunion Ausflüge und interessante Veranstaltungen anboten. Ihr Mann meinte, sie könne nicht nur die Angebote nutzen, dann müsse sie auch Mitglied werden. Der Grund, warum sie in die CDU eintrat. Jüngst erhielt sie für 50 Jahre Mitgliedschaft eine Auszeichnung. Und gleich nach dem Beitritt trug man ihr ein Amt an: „Bei den Neuwahlen wurde ich gleich gefragt, ob ich nicht Sachkundiger Bürgerin werden will im Sozialausschuss. Das wollte ich wohl gern machen, das war ja interessant.“ Dann kam ein Schöffenamt dazu und ein Sitz im Kreistag im Jugendhilfeausschuss. Neben der Lust an fernen Ländern sollte die Beschäftigung mit Menschen und ihren Lebensumständen für Renate Hövelmann im Mittelpunkt zu stehen: Der SkF gewann sie für ihre Sozialberatung. „Wir haben die kurzen Wege über den Flur genutzt. Es gab ja noch keinen Computer. Wir hatten noch Akten und mussten für jede Person eine Akte anlegen und den Fall in so kurzen Worten schildern, dass der, der nach uns kam wusste, worum es ging“, erinnert sie sich.

Wegweisend war die Gründung des Vereins „Kleine Hände“ 1988. Gisela Gisela Booz hatte auf Anregung der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth die Idee aufgegriffen, Frauen trotz prekärer finanzieller und sozialer Umstände zu ermöglichen, ihre Babys zu bekommen. Damals ging es um den umstrittenen Abtreibungsparagraphen 218. „Während ich im Urlaub war, nahm die Idee Formen an und während meiner Abwesenheit wählte man mich zur ersten Vorsitzenden“, erzählt sie lachend. „Natürlich hatte ich vorher meine Zustimmung gegeben.“ Aus dem Nichts bauten die Ehrenamtlichen dann die Vereinsarbeit auf, die mit einem einzigen Lagerraum im Nordviertel und später einem ersten Raum ihn der Stiftsherrenstraße seinen Anfang nahm. Auf nachhaltige Erlebnisse blickt Renate Hövelmann zurück. „Das war für mich – das muss ich sagen – ein ganz fremdes Metier. Es war schön, diese unterschiedlichen Leute kennenzulernen. Die Gastarbeiter-Familien, bei denen oft zu den Öffnungstagen die Männer kamen oder Saisonarbeiter der Zuckerfabrik. Ich musste erst mal lernen wie die Leute ticken und wie sie ihr Leben sehen. Für zwölf Jahre war sie erste Vorsitzende des Vereins Kleine Hände, ermöglichte zuletzt noch den Umzug in die größeren Räume im Kulturbahnhof, wo der Verein bis heute seinen Sitz hat. Der Verein machte sie für ihre Verdienste zur Ehrenvorsitzenden. Renate Hövelmann zeigt ihrerseits ihre Verbundenheit, indem sie zu ihrem 90. Geburtstag auf Geschenke verzichtet und für „ihren Verein“ um Spenden bittet.

Anschließend engagierte sie sich im Seniorenbeirat, weiterhin beim SkF und gründete den Ehrenamtlichen Einkaufsdienst für Ältere, Kranke und für Menschen mit Behinderungen mit. Hier war sie – gelernt ist gelernt – vor allem für die telefonische Vermittlung zuständig. Ein Amt, das sie jetzt abgegeben hat. „Wissen Sie, es käme mir komisch vor, wenn eine 78-jährige mich anruft und bittet, dass man für sie einkauft.“ Langeweile, die gibt es aber immer noch nicht. Zweimal in der Woche frönt sie der Leidenschaft des Bridgespiels – dabei ist sie nicht die Seniorin in der Runde: die älteste Mitspielerin ist 93 Jahre alt. Ansonsten nutzt sie fleißig ihr Smartphone, mag politische Podcasts und kennt sich mit ihrem Computer aus. Und wenn es mal hakt? Dann fragt sie natürlich zuerst ihre Familie oder im Haus, wo es eine gute Nachbarschaft gibt.


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