Das Gespräch mit Kyra Sophie Essling war eines mit Gänsehautmomenten auf beiden Seiten. Vielleicht, weil sie so authentisch und unaufgeregt formulieren konnte, was sie zu den einzelnen Fragen bewegt. Vielleicht auch, weil nichts davon gelernt oder auswendig klang, sondern überzeugend und echt. Ganz sicher aber auch, weil sich bei Kyra Sophie Esslings Werdegang zur Lehrerin alles so wunderbar gefügt hatte und nun eine berührende „Homecoming-Story“ ist.
Es war ihr „erster Schultag“ an der Nordschule Jülich; zumindest ihr erster Schultag als fest angestellte Lehrerin, denn zur Schule gegangen ist sie dort selbst als Kind. Ihr Abitur hatte Essling dann am Mädchengymnasium Jülich gemacht und schließlich in Wuppertal für das Grundschullehramt studiert. Um an „ihre“ Nordschule Jülich zurückzukommen, hatte sie dann einen kleinen Umweg über eine Vertretungslehrerstelle gemacht – es hatte sich am Ende gelohnt. Bekanntlich ist nicht der schnellste Weg immer der Beste. Der HERZOG hatte einige Fragen an die junge Lehrerin aus Jülich, die so kurz vor dem Zweiten Staatsexamen steht, und für die sich nun ein lang ersehnter Traum erfüllt hat – und zwar mit ihrer früheren Klassenlehrerin als Mentorin in der Ausbildung.
Wenn sie zu ihrem ersten Schultag als frischgebackene Lehrerin der Nordschule selbst eine Schultüte bekommen hätte, was wäre da heute drin gewesen?
„Auf jeden Fall mein Lehrerkalender, ohne den gehe ich nirgendwohin. Aber auch etwas Schoki als Nervennahrung. Und vielleicht unser Klassentier.“ Da Essling aktuell noch in mehreren Klassen unterrichte, stehe das Tier aber noch nicht fest, aber es gebe schon einen Wunsch: „Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde es die Krabbe. Die Kinder haben die Tiere bis in Klasse vier. Da möchte man dann nicht mehr ‚das Entchen‘ sein“, sagt sie schmunzelnd.
Welches Buch würde sie gerne heute noch nachts unter der Bettdecke lesen?
„Ich habe immer gerne gelesen, die ‚frechen Krabben‘ ist mir auf dem Flohmarkt in die Hände gefallen. Ein Buch über eine Mädchenbande. Das werde ich auf jeden Fall noch lesen.“
Mit welchem Satz würde sie noch heute von ihren Eltern zum ersten Schultag in die Schule geschickt?
„Auf jeden Fall ‚sei du selbst und hab Spaß‘. Frei hingehen und gucken was kommt. Und so sein wie man ist. Und ich glaube das passt – damals wie heute.“ Das Verhältnis zu ihren Eltern sei ein ganz besonderes und damals wie heute sehr gut. Ihre Eltern hätten sie immer in allem unterstützt. Zuhause sei sehr viel gelacht worden, die Pubertät sei da gar nicht so aufgetaucht, erinnert sich Essling gerne zurück.
Was waren ihre Lieblingsfächer damals?
„Mathe war es schon immer. Aber im Studium habe ich auch noch mein jetziges Schwerpunktfach Sachkunde kennen und lieben gelernt. Eigentlich mache ich alles gerne, wenn man es gut vorbereitet, dann würde Mathe auch jemandem Spaß machen, der es eigentlich nicht mag.“ Sie habe auch schon die Mathematik-Stunde als Escape Room konzipiert, um die Fantasiewelt der Kinder anzusprechen – mit Rätseln, die zu lösen waren und mit König ‚Kombinatorix‘. Der musste dann dem Ritter Löwenherz helfen. Am Ende sei dann die Schatztruhe aufgegangen und die Schüler hätten gar nicht gemerkt, dass sie eigentlich Mathe machen.
Was isst sie gerne und was macht sie in ihrer Freizeit?
„Also Pasta und Pizza gehen immer, italienisch.“ Ihre Hobbies: Kochen, lesen und basteln. „Es ist gut wenn eine Lehrerin Basteln auch als Hobby hat“, findet sie.
Was war die schönste Erinnerung an ihre eigene Schulzeit?
„Ich hatte eine sehr schöne Grundschulzeit und eine sehr junge Klassenlehrerin. Wir sind immer in Kontakt geblieben“, schildert Kyra Sophie Essling einen Schlüsselaspekt in ihrem Leben. Die Lehrerin Andrea Lauprecht sei ihre Inspiration gewesen, selbst Lehrerin zu werden, und sie sei jetzt auch ihre Mentorin. Das sei eine ganz besondere und sehr schöne Situation. „Man ist so frei als Kind, ich habe viel gelernt und mich sehr wohlgefühlt. An einem einzelnen Erlebnis kann ich es nicht festmachen“.
Was sieht sie jetzt als die größte Herausforderung, die auf sie zukommt?
„Meine letzte große Prüfung, also das Zweite Staatsexamen. Auf die Schule bezogen: neue Kinder, auf die man sich auch neu einstellen muss.“
Was würde sie anders machen als ihre Lehrer damals?
„Frei nach Ghandi nach dem Leitspruch handeln: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst.“ Man müsse unbedingt offen sein für die Kinder. Da seien ihr einige Lehrer begegnet, die das anders gemacht hätten. Die frühere Klassenlehrerin sei ihr aber ein leuchtendes Vorbild gewesen und auch in der Ausbildung habe sie sich überall Häppchen abgeschaut, wie sie es selber einmal machen möchte mit ihren Schülerinnen und Schülern später.
Was würde sie als Erfolg bezeichnen, wenn sie später auf ihre Lehrerlaufbahn zurückblickt?
„Ich finde es immer toll, wenn Kinder zurückkommen – sei es an einem freien Tag oder später. Mitzubekommen, dass sie einem guten Weg eingeschlagen haben, und am besten natürlich sowas wie mein eigenes Erlebnis.“
Welche Gefühle hatte sie heute am Ersten Schultag?
„Auf jeden Fall viel Freude. Klar ist auch viel Aufregung dabei.“ Es sei toll, wenn nach den Ferien jeder erzähle, was er oder sie erlebt habe. Und morgen kämen ja dann auch die Ersten Klassen, die ‚I-Dötzchen‘, dazu. „Dieses Jahr ist es schön, dass wieder vieles geht. Familie und Freunde dürfen wieder dabei sein, bei der Einschulung.“ Das sei während Corona ja anders gewesen. Und dann sei es natürlich auch gut, wenn die Kinder ihre neue Lehrerin ohne Maske, mit ihrer Mimik, wahrnehmen könnten.
Was wünscht sie sich für den Beruf des Lehrers?
Die Kinder kommen mit sehr individuellen Erfahrungen und Voraussetzungen, das sei eine Riesenherausforderung für den Beruf. Das habe sich in den letzten Jahren stark verändert. Vielleicht auch durch Corona, überlegt sie. Aber auch durch den geänderten Blickwinkel der Lehrer heutzutage. Dies sei früher nicht so gewesen. „Vielleicht waren wir auch so individuell und es hat keiner gemerkt“, ergänzt sie nachdenklich. Dann sei ja die Digitalisierung in vollem Gange und man müsse einen verantwortungsvollen Umgang mit den Medien vermitteln.
Der Lehrermangel gerade an den Grundschulen sei ein trauriger Aspekt, und sie sei mit vielen Klischees konfrontiert. „Es ist nicht so, dass wir den ganzen Tag nur singen, klatschen und ausmalen“, nennt sie eines davon. Als ein Grund dafür, dass es gerade an den Grundschulen so mangelt, und auch der Frauenanteil so hoch ist, vermutet sie die in Relation gesehen schlechtere Bezahlung als bei weiterführenden Schulen. „Wir leisten mindestens genauso viel Arbeit wie die anderen“, formuliert sie klar und deutlich.
Der HERZOG wünscht Kyra Sophie Essling und ihren künftigen Schülerinnen und Schülern alles erdenklich Gute für ihre weitere Laufbahn, und dass sich alles weiterhin so schön für sie fügt und vielleicht die Krabbe bald ihr Klassentier wird.