Schirme zum Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung gehörten vielfach zur Ausrüstung beim Malen in der Natur, eine Ausrüstung mit Klappstuhl und transportablem Malkasten als Staffelei, die Johann Wilhelm Schirmer selbst mitentwickelt hatte. Im Jahre 1838 bezeichnete ihn die Kritik schon als „Ordensritter der Düsseldorfer Landschaft“ und ein Freund hatte ihn „Häuptling der Landschafter“ genannt. Zunächst war er seit 1832 nur einfacher Lehrer an der Kunstakademie Düsseldorf, aber eine weitere Karriere zeichnete sich ab, denn zahlreiche Landschaftskompositionen waren schon auf renommierten Ausstellungen gezeigt worden.
Angefangen hatte alles ohne diese Perspektiven: 1807 in Jülich geboren, also als Muttkrat wenn auch unter französischer Herrschaft, dann nur einfache Schulbildung, Lehre als Buchbinder im Betrieb seines Vaters am Marktplatz, geht er 1825 (zu Fuß!) nach Düsseldorf, arbeitet noch kurze Zeit als Buchbinder, setzt aber alles daran, aus seiner Leidenschaft was zu machen: Zeichnen und Malen. Er wird angenommen an der Akademie, muss die klassische Ausbildung durchlaufen, die ihm an einigen Stellen wenig zusagt. Zur anerkannten Kunstrichtung zählen vor allem Historienbilder, mythologische und religiöse Motive, Porträts. Das findet nicht sein besonderes Interesse, dagegen „schirmt er sich sichtbar ab“. Was er will, kommt in der Ausbildung allerdings nicht vor. Deshalb gründet er mit Gleichgesinnten einen Club für Landschaftsmalerei. Sein Eigensinn hat Erfolg! Später wird eine entsprechende Klasse eingerichtet, er steigt auf bis zum Professor und wird Jahre später zum Gründungsdirektor der Kunstakademie Karlsruhe berufen. Rund 300 Schüler bildet er aus, gibt neben den Grundlagen der Atelierkomposition auch die Grundlagen der Freilichtmalerei an sie weiter – aus heutiger Sicht der Keim der Moderne. Ihre Prägung durch Schirmer ist über viele Jahrzehnte im 19. Jahrhundert zu beobachten, auch wenn sie alle einen persönlichen Malstil entwickeln. Einige von ihnen werden später bekannter und berühmter als ihr Lehrer (Andreas Achenbach, Arnold Böcklin, Eugen Bracht, Anselm Feuerbach, Hans Thoma u.a.). Eine Ausstellung von Werken Schirmers und einiger seiner Schüler im Pulvermagazin des Museums Zitadelle liefert ein „bunte Palette“ von Anschauungsmaterial, das in diesem Umfang kaum in anderen Museen zu finden ist. Das Museum Zitadelle hat einen Schwerpunkt in der Erforschung von Schirmers Schaffen und seines Umfeldes entwickelt. Auch zeitgenössische Künstler setzen sich mit Werken Schirmers auseinander. Etwa 30 Künstler haben sich bislang unter den „gemeinsamen Schirm gestellt“ und Werke geschaffen als Dialoge zu Bildern von J.W. Schirmer. Zu ihnen gehören Heiner Altmeppen, Otmar Alt, Janet Brooks Gerloff, Walter Dohmen, Jens Dummer, Herbert Falken, Herb Schiffer, der Engländer Chris Billington, Erwin Gross – der an der Kunstakademie Karlsruhe Nachfolger auf Schirmers Professur ist – und auch Schirmers Ur-Urenkel, der Essener Künstler Jörg W. Schirmer. In einem seiner Dialog-Bilder schreitet „Der blaue Wanderer“ durch und über eine Landschaft bei Gerolstein, die sein Ur-Urgroßvater 1844 als Aquarell gemalt hatte. Hier bleiben Assoziationen nicht aus: Vieles hat die Kunst-Entwicklung seitdem „überschritten“, aber Fortschritt heißt immer auch die Grundlagen, die „Landschaften“ der vorhergehenden Generationen „durchschreiten“. Gerade die unterschiedlichsten Dialogbilder zeigen, wie aktuell und spannend die Landschaftsmalerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sein kann, die lange Zeit gegenüber anderen Kunststilen und Richtungen in den Hintergrund geraten war – geradezu abgeschirmt.