Otti Conrad hat auch einen Fuß gesetzt in die männlich dominierten Entscheidungsstrukturen der katholischen Kirche, was für ihre Generation nicht selbstverständlich ist: Conrad ist 75 Jahre alt und „Kirchberger Mädchen“. Über 50 Jahre hat sie davon im Vorstand der Caritas Kirchberg aktiv mitgewirkt und sich um ältere Mitbürger im Ort gekümmert: sie besucht, beschenkt, ihr Ohr geliehen. Außerdem blickt sie auf 16 Jahre Vorsitz im Pfarrgemeinderat zurück, und das sei schon was Besonderes gewesen: „Als Frau muss man sich durchsetzen“, sagt Conrad und betont die wachsende Bedeutung der Rolle der Frau in der Kirche – ihr persönliches Anliegen. Sie hatte zum Abschluss ihres Engagements über ihr Leben reflektiert und selbst überrascht festgestellt: Sie hatte es der Kirche gewidmet und war hier als Frau schon eine Pionierin.
Conrad ist ein Mensch mit festen Überzeugungen, klaren Werten und positiver Einstellung, auch zum Tod, den sie sich als schöne Blumenwiese vorstellt. auf der sie mit einem Buch sitzen darf. Wenn man mit ihr spricht merkt man schnell, dass es Menschen wie Otti Conrad braucht, um Projekte am Leben zu halten. Doch es gibt scheinbar nicht genug davon und so musste die Gemeinde Caritas in Kirchberg im letzten Jahr aufgeben.
Die gelernte Einzelhandelskauffrau war in einem religiös geprägten Elternhaus aufgewachsen und hatte 26 Jahre lang in Kirchberg als Pfarrgemeinde-Sekretärin gearbeitet. Sie war im Chor aktiv, als Katechetin für die Kommunionskinder und blieb dann Betreuerin von Jugendgruppen, die ihr besonders am Herzen lagen. Viele Kinder seien dadurch religiös geblieben, überlegt Conrad ohne Eitelkeit, die auch Wortgottesdienste gelesen hat und sich dafür extra hatte ausbilden lassen. 50 Jahre in der Pfarr- und später Gemeinde-Caritas krönen ihr Leben im Geiste der Religion. Der Kirchenchor habe sich leider vor zehn Jahren schon aufgelöst, und nun ist es auch mit der Caritas in Kirchberg vorbei. Sie war in beiden Organisationen bis zum Schluss aktiv. Langeweile droht jedoch nicht, denn auch familiär ist Conrad gut eingespannt und unterstützt die Familie ihres Sohnes. Außerdem ist sie weiterhin Mitglied der Kolping Familie.
Otti Conrad ist keineswegs ein Mensch von gestern, die sich auflösende religiöse Strukturen einfach akzeptiert. Sie ist mit ihren 75 Jahren eine moderne Frau, die auch mit der Zeit geht und nach vorne Blickt: Sie betont die wachsende Bedeutung der Rolle der Frau in der Kirche. Leider habe sie einen Kurs zur Gemeindereferentin nicht beendet. „Ansonsten würde ich alles genauso wieder machen.“ Der Glaube sei ihr sehr wichtig, allerdings sagt sie auch offen, dass sie mit einigen strukturelle Veränderungen im Zuge der Auflösung der dörflichen Pfarreien und Zusammenfassung in der Jülicher Heilig Geist Pfarrei nicht so glücklich gewesen sei.
Und was interessiert sie noch? „Maria 2.0“ – bei diesem Projekt, wo es um die Umdeutung der Rolle der Frau geht, wäre sie sofort dabei, wenn es das hier gebe, meint sie dazu. Auch das Amt einer Diakonistin hätte sie sich grundsätzlich vorstellen können, was ja ebenfalls nicht möglich sei. „Der Glaube ist mir sehr wichtig, nicht unbedingt das Personal“, fasst Conrad ihre Haltung zu Religion und Kirche zusammen.