Da wir vom Herzog jeden Monat einen echten Jülicher vorstellen, mag es doch ein klein wenig verwundern, dass wir erst jetzt dazu kommen, Dr. Peter Nieveler, das Jülicher Urgestein schlechthin, zu interviewen. Aber es passt nun mal so schön, einen Ex-Bürgermeister vors Diktiergerät zu holen, in Zeiten des tobenden Wahlkampfes um das Amt des ersten Bürgers der Stadt.
Auch, wenn sich Peter Nieveler selbst zur aktuellen Tagespolitik nicht mehr äußern möchte. Und das Schöne am Interview mit dem Philosophen und Philologen, der den rheinischen Zungenschlag so liebt, ist, dass gar kein richtiges Interview gelingen will. Starre Frage- und Antwortspielchen sind nichts für den Mann, dessen Markenzeichen früher immer sein Hut gewesen ist. Von Anfang an entwickelt sich ein lebhafter Austausch, wie man ihn auch in einer Kneipe mit super Atmosphäre erleben kann. Ein Portrait über jenen Mann, der „Sieben Meter Goethe“ im Regal stehen hat, schließt sich also auch aus. Der Autor dieses Textes, angefüllt mit reichlich humorvollen Erinnerungen, verlegt sich folglich auf eine lebhafte Gesprächsnotiz.
„Den Herzog kann man lesen, ohne dabei rot zu werden“, begrüßt mich der mittlerweile 80-Jährige gut gelaunt bereits an der Eingangstür seines geschmackvollen Hauses. „Mensch, haben Sie ein tolles Auto!“, lacht er.
Peter Nieveler bittet mich in einen Raum in der ersten Etage, der nach dem Geschmack der siebziger Jahre – durchaus im besten Sinne – ausstaffiert ist. „Schalten Sie dat Ding an, und lassen Sie et einfach laufen!“, gibt Nieveler auf die Frage, ob wir ein Diktiergerät benutzen dürfen, amüsiert zurück. „Der Herzog ist jung. Also nicht nur das Heft, sondern auch die Leute, die ihn schreiben. Und solche Leute braucht Jülich!“ Ein Misslingen des Interviews wäre also von Anbeginn des Gesprächs ausgeschlossen. Die Frage, was ein Bürgermeister mit Kultur in seiner Stadt zu tun hat, beantwortet Nieveler mit einem klaren Standpunkt. „Der Bürgermeister sollte der kulturelle Star der Stadt sein. Das heißt, er sollte jede Initiative unterstützen, auch dann, wenn er nicht immer mit Geld helfen kann. So sollte er doch mindestens immer Präsenz zeigen und mit dabei sein.“ Um Städte von der Größe Jülichs fürchtet er jedoch im Hinblick auf die Zukunft. Wenn sich die Dinge so weiterhin entwickelten, wie es sich in den letzten Jahrzehnten andeutet, blieben am Ende nur noch Köln und Düsseldorf übrig. Und das wäre doch sehr schade.
Also verkaufen wir Jülicher unsere Haut zu billig im Vergleich zu anderen Städten? Peter Nieveler denkt ein wenig nach und gibt eine Antwort, die zwar den Ernst der Lage erfasst, jedoch nicht ohne Humor auskommt. „Unser Pech ist, dass die Zitadelle so tief liegt. Die Leute sehen sie einfach nicht. Wenn sie so hoch aufragen würde wie der Kölner Dom, wäre das eine andere Sache.“ Nieveler, der selbst hin und wieder als Führer für Interessierte in Jülich und in der Zitadelle unterwegs ist, erinnert sich an einen alt eingesessenen Jülicher, der einst an einer seiner Führungen teilnahm und die Zitadelle zeitlebens noch nie eingehend besichtigt hatte. „Wichtig ist, dass es genug Leute gibt, die eine solche Gefahr für einen Lebensraum wie Jülich erkennen und etwas dagegen tun. Leute, die sich mit den Dingen befassen, die Jülich liebens- und lebenswert machen, sie sammeln und den Menschen erzählen, wie schön es doch eigentlich bei uns ist. Hier sind besonders die jungen Leute gefragt.“ Peter Nieveler liebt Jülich. Probleme, die die Stadt hat, berühren ihn sichtlich. Doch behält, bei aller Sorge um die Zukunft seines Lebensraumes, seine rheinische Frohnatur die Oberhand. Gerne erinnert er sich, wie es gelang, die Mitarbeiter der früheren KFA zu integrieren. „Dies war auch nicht immer einfach, aber heute wissen die, dass sie zu Jülich gehören und Jülich zu denen!“
Das Treffen mit Peter Nieveler ist vor allem eines: Eine Ermutigung, sich des Wertes unseres Lebensraumes und seiner Geschichte einmal neu bewusst zu werden und sich für die Zukunft desselben einzusetzen. Diese Angelegenheit ist für ihn eine ernste Sache. Auch, wenn unser Treffen die Leichtigkeit einer Kneipenunterhaltung hat. „Und ich will auch in Zukunft hier in Jülich noch eine Kneipe finden, in der man sich gut unterhalten kann!“, schließt er schmunzelnd.