Karl-Heinz Chardin wurde 92 Jahre alt. Er war ein Engagierter der Rechte der Benachteiligten, rückte Menschen in den Fokus, die sonst nicht gesehen wurden. Er starb am 5. März, am Aschermittwoch, einen Tag, nachdem die Historische Bruderschaft Lazarus Strohmanus ihm zu Hause die Ehrenurkunde für legendäre 75 Jahre Mitgliedschaft persönlich überbrachte.
Mit vielen Titeln konnte sich der Jülicher schmücken: Er war eine Muttkrat. Er wurde im Jahr 1932 geboren und gehört mit zu den Jülichern, die nach dem Krieg die Stadt wieder aufgebaut haben, Ihr blieb er treu – bis auf ein beruflich bedingtes Intermezzo.
Er war Sozialdemokrat. 2022 wurde er für 75 Jahre Mitgliedschaft SPD geehrt. Schon bei der Jugendorganisation der „Falken“ war er nach dem Krieg aktiv. Bis zuletzt besuchte er die Versammlungen und war nicht nur anwesend, sondern sprach aus, was ihm wichtig war als „Streiter für die Sache“. Mit 29 Jahren zog er erstmals in den Rat der Stadt Jülich ein und gehörte ihm ununterbrochen bis 1975 an. Nur wegen des Ortswechsels gab er dieses Mandat auf. Die Vielfalt der Aufgaben, die Karl-Heinz Chardin übernahm, nötigt Respekt ab: Er war als Fraktionsvertreter im Haupt-, Schul-, Kultur-, Stadtwerke-, Jugend- und Sport- und Sozialausschuss der Stadt Jülich aber ebenso Mitglied im Kreistag und der Verbandsversammlung des Sparkassenzweckverbandes.
Karl-Heinz Chardin war der „Vater der AWO“ in Jülich: 1979 wurde auf seine Initiative hin die Arbeiterwohlfahrt als erste Sozialstation der Stadt Jülich eingerichtet. Er erreichte den Neu- und Erweiterungsbau des Hauses. Außerdem rief Chardin Kinderferienfahrten ins Leben, die von Hunderten Jülicher Kinder genutzt wurden, und für die er und seine Ehefrau sogar ihre Urlaubtage einsetzten. Er war aber nicht nur Initiator, er nahm Verantwortung an: Das Amt des Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt Jülich hatte Karl-Heinz Chardin 14 Jahre lang inne; zusätzlich bis zur Neugliederung auch das des Kreisvorsitzenden des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt Jülich.
Für dieses überdurchschnittliche Engagement erhielt er bereits mit 54 Jahren den Ehrenring der Stadt Jülich. In seinen Dankesworten von damals spiegelt sich die Haltung von Karl-Heinz Chardin. Zweifel hätten ihn getrieben, ob ihm die Auszeichnung gebühre. Letztlich konnte er den Ehrenring annehmen vor allem, weil er sie als Auszeichnung für seine Weggefährten verstand. „Ich war nur ein kleines Rädchen im Getriebe und habe nur das getan, was Herbert Wehner einmal schlicht und einfach mit ,ich diene‘ ausdrückte.“ Er war ein Macher, ein Beharrlicher, der dranblieb, aber alles mit einer Prise Humor gewürzt. Dafür erwartete der gelernte Schlosser, der mit 14 Jahren bereits im Jülicher Eisenbahnausbesserungswerk in die Arbeitswelt eintrat, keinen Applaus. Es war ihm hörbar ein Bedürfnis und darum seine Bescheidenheit kein Lippenbekenntnis, sondern Wesenszug.
Nach dem Ehrenring der Stadt wurde ihm für seine zahlreichen Engagements auch das Bundesverdienstkreuz am Bande zuerkannt.
Karl-Heinz Chardin war im damaligen Eisenbahn-Angelsportvereins Jülich und dort 25 Jahre ununterbrochenen als Vorstandsmitglied und Vorsitzender tätig. 1984 wurde ihm das goldende Verbandsabzeichen verliehen. Als „Lazarus-Bruder“ durchlief Chardin vom Besenträger bis zum Vizepräsidenten alle Stationen – und war Spott-Sprüche-Schreiber für die Veilchendienstagsumzüge, „die es in sich hatten“, wie ein Zeitzeuge formulierte.
Karl-Heinz Chardin war ein Mann von Format. Er wird den Jülichern fehlen.