Wir schreiben das Jahr 1985. Am Aschermittwoch erscheint pünktlich zum Schulbeginn im Pädagogischen Zentrum des Gymnasiums Zitadelle ein junger Punk, dem man die frohsinnigen Anstrengungen der letzten sechs Karnevalstage schon von weitem deutlich sichtbar ansieht. Sein verkaterter Allgemeinzustand wird noch zusätzlich von promille- und übermüdungsbedingten Schüttelfrostanfällen begleitet. Den anwesenden Freunden und Mitschülern ist es möglicherweise zu verdanken, dass für den jungen Karnevalisten am vielbesungenen Aschermittwoch nicht „alles vorbei ist“, denn selbstlos bedecken sie ihn in einer versteckten Ecke des PZ mit ihren wärmenden Daunenjacken (so an die 20 Stück), so dass unser Freund dem sicher geglaubten „und wir haben ein Idol – Harald Juhnke“ Schicksal noch so gerade entgeht.
Diese Frohnatur ist den Jülicher Jecken in den Tagen von Weiberfastnacht bis Veilchendienstag durch seinen Humor, seine Ausdauer und vor allen Dingen durch seine unglaubliche Textsicherheit beim Mitsingen von kölschem Liedgut aufgefallen und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Held dieser Geschichte nur ein Jahr später mit einer sensationellen Büttenrede bei der von ein paar jecken Punks neu gegründeten CCKG Jülich von sich reden macht. Noch heute schießen den Gründern der CCKG Tränen der Verzückung in die Augen, wenn sie in geselliger „Feuerzangenbowlenrunde“ Auszüge dieser Gladbach-Fan-Rede zum Besten geben.
„Den Elfer hält der Uli Sude – ich glaub ich muss zur Hannenbude“ oder „weil die Bremer Asis waren, müssen wir noch zum Bahnhof fahren“ sind nur zwei Beispiele für die anarchisch-punkig-jecke Stimmung seines Vortrags.
Die Karriere als Karnevalspunk ist nicht mehr aufzuhalten. Er wird Präsident der Cafe Cholera Karnevalsgesellschaft und führt den Verein (nicht gänzlich alleine) zu einem der erfolgreichsten Vereine in der jüngeren Jülicher Brauchtumsgeschichte. Dem Punk bleibt er treu – als Leadsänger der Stimmungskapelle Les6KölscheinCola.
Das Leben zwischen Rock´n Roll, Fastelovend, Arbeit und Freunden nimmt seinen Lauf und gibt keinen Raum sich zusätzlich noch mit der deutschen Flora und Fauna zu beschäftigen. Schnittmengen ergeben sich maximal zum Humulus (Hopfen), übrigens ein Hanfgewächs.
Dann, wie aus dem Nichts, verändert sich die Welt unseres Originals und seiner Umgebung grundlegend. Am Tag X, nennen wir den Tag einfach Tag X, begrüßt er seine geliebte Gattin (er hat nämlich mittlerweile auch geheiratet und ist stolzer Vater) mit den Worten:
Ich muss den Vorgarten in Ordnung bringen!!
Fortan dreht sich alles, wirklich alles um Buchsbäume, Rindenmulch, Unkrautfolie… noch besser Unkrautvlies, Kieselsteine, natürlich schön weiße etc, etc.
Die Zentren des Seins sind nicht weiter das Tor 3, das E-Werk, der Kuba oder der Sonic Ballroom, sondern die Tempel des Glücks heißen jetzt Praktiker, Hornbach, Obi und Bauhaus.
Gras gehört seit dem Tag X in den Bereich der semilegalen Rauchwaren, denn wir reden von Rasen und die omnipräsenten Toten Hosen geraten in Vergessenheit ob der Schönheit von roten Rosen. Er wartet nicht aufs Christkind, nein viel spannender ist das Warten auf die ersten Blätter der neuen Liguster-Hecke.
Bei meinem letzten Besuch erklärt er mir, dass der Gartengott ein Jeck sein muss, denn in der Session wachse kein Unkraut und so hätten die Karnevalisten mehr Zeit zum Feiern. Unsere Blicke schweifen in den Vorgarten. Dort liegt ein einsames Buchenblatt im fein säuberlich angehäuften Kieselbett. „Oh, dat muss aber noch weg!“.
Ich gehe nach Hause und denke mir: Meine Blätter bleiben liegen – Dat is Punkrock!