In diesem Roman, der kurz nach seinem Erscheinen 2011 nicht nur die Literaturkritiker, sondern auch die Leserschaft begeisterte, stehen scheinbar der Philosoph Hans Blumenberg und sein Werk im Mittelpunkt. Denn immerhin ist es sein Arbeitszimmer, in dem ihm ein leibhaftiger Löwe erscheint. Jetzt heißt es für den Denker: Fassung bewahren. Dies wird nicht einfacher für ihn als er bemerkt, dass er beinahe der einzige Mensch ist, der diesen Löwen sehen kann.
Wie meistert der Philosoph den Einbruch des Unerklärlichen, des Widervernünftigen? Nun denn also: Mit dem Löwen steht Blumenberg ein Wunder ins Haus und den bequemen Ausweg, die Löwenerscheinung einfach als Halluzination zu betrachten und nach dem Arzt zu rufen, gestattet er sich nicht. Trotzdem hat er, indem er diesen Löwen als Zimmernachbarn akzeptiert, ein Rationalitätsproblem, wer wollte das bestreiten? Er hat aber auch eine gute Erklärung: „Der Löwe ist zu mir gekommen, weil ich der letzte Philosoph bin, der ihn zu würdigen versteht“, dachte Blumenberg.
Aber nicht nur für Blumenberg ist der Löwe eine Herausforderung, ebenso für Lewitscharoff. Auch sie wählt nicht den einfachen Ausweg, den Löwen zu einer Allegorie zu erklären. Sie verleiht dem Löwen sogar, indem sie ihm keine offensichtliche metaphorische Bedeutung zuweist, umso mehr reine Präsenz. Je selbstverständlicher der Löwe in Lewitscharoffs unerschrockener Prosa anwesend ist, desto kleinlicher erscheinen alle erkennungstheoretischen Fragen nach seinem ontologischen Status.
Der ungläubige Thomas musste erst seine Hand in Christi Wunde legen, um sich von der Wiederauferstehung des Herrn zu überzeugen. Blumenberg ahnt das Unschöne einer solchen Überprüfung und versagt sich deshalb die „Handprobe“: den Löwen zu streicheln.
Den Roman und seine Autorin und den Philosophen Blumenberg stellt der begeisterte Leser und Bonner Philosoph Markus Melchers vor. Markus Melchers ist mit seiner Philosophischen Praxis „Sinn auf Rädern“ bundesweit tätig.