Das erste Buch meiner Kindheit, an das ich mich bewusst erinnern kann, ist „Goldlöckchen und die drei Bären“. Dieses Bilderbuch mussten mir meine Eltern wieder und wieder vorlesen und die Illustrationen fesselten mich dabei immer wieder aufs Neue. Dies lag vermutlich daran, dass ich als Kind auch blonde Locken hatte und mich in der Protagonistin des Buches wiederfinden konnte. Somit habe ich dieses Buch nicht nur gelesen, sondern vielmehr „gelebt“. Und eben das macht ein besonderes Buch für mich aus – die Geschichte muss Bilder vor meinem inneren Auge hervorrufen und mir neue Welten eröffnen, mich gewissermaßen miteinbeziehen und ein Abenteuer im Kopf erleben lassen.
Mit besonderen Leseerfahrungen verbinde ich weitere Bilder meiner Kindheit – schon damals war ich in Büchereien zu Hause und habe mich nach deren Besuch mit Stapeln von Büchern in mein Zimmer zurückgezogen und diese quasi verschlungen. Ich sehe mich jetzt noch in der Erinnerung auf meinem Bett liegen und beim Eintauchen in die Lektüre die Welt um mich herum vergessen. Als unsere Pfarrbücherei dann nach einigen Jahren modernisiert und neugestaltet wurde, habe ich tatsächlich einen der alten Bücherschränke und meine Lieblingstitel aufgekauft. Diese stehen immer noch auf meinem Speicher und rufen bei deren Betrachtung immer wieder diese Bilder und die damit verbundenen schönen Erinnerungen hervor.
Vielleicht ein Wink des Schicksals oder Vorherbestimmung, dass ich heute die Leidenschaft meiner Kindheit in meinen Berufsalltag miteinfließen lassen kann.
Als Erwachsene hilft mir ein Buch heute vor allem nach einem anstrengenden Tag beim Abschalten und zur Ruhe kommen. Beim Lesen kann ich mich in eine Welt der Fantasie begeben, wenn ich in der realen Welt einmal Abstand zu meinem eigenen Leben finden möchte. In Abhängigkeit von der momentanen Stimmung sorgt ein Buch dafür, dass ich jedes Gefühl spüren kann und vielfältige Emotionen in mir hervorgerufen werden. Es lässt mich lachen, weinen, hassen und lieben und im besten Fall erwacht nach der Lektüre sofort in mir die Lust, es erneut zu lesen oder weiter zu empfehlen.
Lesen bereichert meine Fantasie, denn ich muss mir die Figuren, die Gegenstände und die Umgebung immer wieder aufs Neue vorstellen können. Dabei werden sowohl der eigene Wortschatz als auch die individuelle Ausdrucksfähigkeit sowie die Konzentrationsfähigkeit „trainiert“.
Natürlich ist Lesen für mich auch eine Grundvoraussetzung für Bildung. Durch das Lesen nimmt man täglich neue Informationen auf. Während literarische Texte eher ein konzentriertes und vertieftes Lesen erfordern, können beispielsweise Nachrichten auf den Social-Media-Kanälen eher überflogen werden. Beides benötigt aber Lesekompetenz und mehr noch – bei der Nutzung digitaler Angebote werden neben dem Lesen und Schreiben auch noch weitere Kompetenzen gefordert, weil deren Inhalte meist schneller erfasst werden müssen und zudem oftmals eine Interaktion auf mehreren Kanälen stattfindet. Dies macht für mich in der heutigen Zeit die Notwendigkeit deutlich, das Lesen auch abseits der Bereiche von Büchern und Literatur zu verhaften und in neuen Dimensionen zu denken.