Schon der Schutzumschlag von Rachel Givneys Buch „Das verschlossene Zimmer“ verspricht Spannung und zeigt anschaulich auf, dass die Autorin sorgfältig recherchiert hat. Sie, die Tochter einer polnischen Mutter, hat für diese Geschichte Polnisch gelernt und Polen mehrmals bereist. Die Städte Krakau, Zakopane und das ukrainische Lemberg haben sie begeistert und jede Menge Stoff für ihren Roman geliefert. Der zentrale Schauplatz ihres Romanes ist aber Krakau im Frühjahr 1939. Polen steht an der Schwelle zum Krieg. Die deutsche Invasion ist als ständige Bedrohung spürbar, spaltet die Gesellschaft, fördert Rassismus und Antisemitismus.
In dieser Zeit der Angst steht für die Protagonistin der Erzählung Marie aber die Suche nach ihrer Mutter im Mittelpunkt ihres Denkens. Maries Vater weigert sich, mit seiner Tochter über die Vergangenheit zu sprechen. Sie ist aufgewachsen, ohne zu wissen, was mit ihrer Mutter passiert ist.
Die Lesende erfährt, während sie die junge Frau bei der Suche begleitet, viel über die Nöte der Frauen, die in dieser patriarchalen Gesellschaft ihren eigenen Weg gehen wollen. Auch Maries Leben ist nicht nur wegen des Geheimnisses um ihre Mutter schwierig. Sie möchte wie ihr Vater Medizin studieren. Da das klassische Frauenbild der Zeit dies nicht vorsieht, muss Marie mit Niederlagen zurechtkommen, die sehr dramatisch geschildert werden.
Die Handlung in Rachel Givneys Roman ist sehr komplex, manchmal etwas überfrachtet, so dass ich den Eindruck hatte, die Autorin ist von ihrem erarbeiteten Wissen sehr begeistert und möchte alles an die Leserschaft weitergeben.
Perfekt gelungen ist der australischen Schriftstellerin das Ende des Romans. Diese völlig überraschende Wendung hatte ich nicht erwartet. Selten hat mich die Auflösung eines Familiengeheimnisses so fasziniert.
BUCHINFORMATiON
Anne Ameri-Siemens: Die Frauen meines Lebens | 240 Seiten | Rowohlt Berlin, 10/2021 | ISBN-13: 9783737101271 | 20,- Euro