Feminismus. Da ist wieder dieses Wort. Es gehört zu einen der vielen Bewegungen, die falsch verstanden werden oder falsch verstanden werden wollen. Doch was bedeutet Feminismus? Feminismus beschreibt eine soziale Bewegung und Wertung des Patriarchats. Dazu gehört die Kritik an der strukturellen Benachteiligung der Frauen. (Dass Frauen strukturell benachteiligt werden, sollte jeder inzwischen verstanden haben). Soweit so gut. Oder eben auch nicht.
Die Autorin Sophie Passmann schimpft sich auch Feministin. Die 28-Jährige wurde auf den Poetry Slam Bühnen Deutschlands groß und polarisiert mit ihren Kolumnen im „ZEIT“-Magazin. Nach ihrem Studium der Fächer Politikwissenschaft und Philosophie arbeitet sie im Radio. Weiter noch hat sie einen Spiegelbestseller geschrieben: „Alte Weisse Männer-Ein Schlichtungsversuch“.
„Alte Weisse Männer“ war mein erstes Buch über das Thema Feminismus. Für den Einstieg in dieses Schlachtfeld von Thema fand ich es gut. Der Titel hat mich angesprochen und ich war gereizt das bissige und kritische, was ich von Sophie Passmann sonst kannte, wiederzufinden. Doch ich merkte schnell, dem war nicht so. Die Intention von Passmann war eben ein „Schlichtungsversuch“. Doch reicht das? Die typischen cleveren Kommentare von Sophie Passmann gab es zuhauf, doch, dass sie tiefer in die Aspekte geht, die wirklich bedeutend für diese Diskussion wären, fehlten.
Worum geht es überhaupt? In dem Buch trifft sich Sophie Passmann mit insgesamt 16 prominenten Herren, darunter Claus von Wagner, Micky Beisenherz und Robert Habeck. Mit ihnen möchte sie zusammen herausfinden, ob der böse Wolf bzw. der „alte, weisse Mann“ wirklich an allem Schuld ist. Zwischen Zitaten und indirekter Rede kommt vor allem die Meinung der befragten Männer klar heraus. Denkanstöße von Passmann umranden dann die Thesen der Männer. Doch was eigentlich als Leinwand für Passmann gelten sollte, wurde zur Leinwand der Herren. Obwohl sie kontroverse und interessante Männer wie Julian Reichelt oder Kevin Kühnert trifft, gewinnen die Gespräche nie so wirklich an Tiefe.
Das ernste Thema mit Humor und Ironie aufzulockern ist zwar schön für die Unterhaltung, doch nicht jede Frau kann es sich gönnen, darüber zu schmunzeln. Das Treffen mit den eigentlich klugen Männer wirkte wie ein Treffen von sturen Kindern oder eben alten weißen Cis-Männern, die nicht verstehen möchten, was Passmann ihnen da versucht zu erklären. Sie „mansplainen“ der jungen Passmann, warum das so gar nicht ist wie gedacht. Der frühere „Bild“-Chef Kai Diekmann behauptet bei dem Gespräch der zwei, dass Männer immer noch besser netzwerken könnten. Sophie Passmann schreibt dazu: „Keine Frau, die ich kenne, würde das dementieren.“ Alleine diese Aussage begünstigt den Vorwurf, Sophie Passmann sei nur eine weitere liberale Feministin, die an der Oberfläche kratzt, obwohl sie eigentlich in die Materie „eintauchen“ wollte.
Das Komplexe zu verstehen ist, dass „der alte, weisse Mann“, nicht unbedingt ein alter, weisser Mann sein muss. Es reicht schon privilegiert zu leben und dies nicht zu realisieren. Es gibt also nicht nur Donald Trump oder Harvey Weinstein, sondern auch Justus, 30 Jahre alt, Chef einer Firma, der seinen weiblichen Mitarbeitern weniger zahlt als den männlichen. Obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten. Das heißt, obwohl er jung ist, benutzt Justus seine Macht und sein Privileg, gegen die Frauen. Daher gehört auch er zum Phantom „alter, weisser Mann“.
Fazit: Das Buch ist unterhaltsam und der Schreibstil amüsant. Das Lesen wird leicht gemacht, dadurch, dass sie den hochtrabenden Wissenschaftskontext weglässt. Doch vielleicht ist genau gerade das, das Problem. Ein Fazit, kontroverse Gegengedanken oder eine Analyse der Tatsachen, haben mir zu häufig gefehlt. Den „unbestechlichen“ Feminismus, von dem Anne Will da redet, finde ich nicht wieder in diesem Buch.
Buchinformation:
Sophie Passmann: Alte Weisse Männer| TB 288 S. |Kiepenheuer & Witsch Verlag| ISBN: 978-3-462-05246-6| 12 Euro