Start Magazin Kunst & Design Niemand ist vor einem Einsamkeitsgedanken gefeit

Niemand ist vor einem Einsamkeitsgedanken gefeit

„Wenn Menschen zu einsam sind, werden sie zu Monstern“, sagte Cornelia Geppert als Autorin und Repräsentantin des Indieentwicklerstudios Jo-Mei aus Berlin, als sie 2018 im Rahmen der E3 den Teaser Trailer zum „Sea of Solitude“ vorstellte. Dieser Satz fasst die Geschichte um Kay, die Protagonistin, sehr gut zusammen. Kay lebt in einer Welt der Einsamkeit, in der sie, auf einem Boot reisend und mit Lichtstrahlen bewaffnet, Monstern begegnet, bei denen sie unterscheiden muss, ob sie ihr schaden oder nicht - und dabei selbst ein Monster ist, das versucht wieder ein Mensch zu werden.

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Quelle: Sea of Solitude
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Wenn man sich wirklich auf das Spiel einlässt und über den fantastischen Teil der oberflächlichen Story hinwegsieht, dann sieht man ein endloses Meer an Metaphern und eine Realitätsnähe, die einem zuweilen das Herz schwer machen kann und es einen übel werden lässt. Dies liegt darin begründet, dass Cornelia Geppert nach eigener Aussage ihre eigene Geschichte in Sea of Solitude verarbeitet hat. Eine Geschichte, die sich nachempfinden lässt, denn niemand ist vor einem Einsamkeitsgedanken gefeit.

Das Spiel wartet mit einem comicähnlichen Grafikstil auf, der mich sofort angesprochen hat. Vermutlich ist er für manche etwas speziell, doch gibt er den Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit perfekt wieder und macht aus einem ernsten Thema ein Märchen, das eine wirkliche Parabel ist. Ergänzt wird dies von atmosphärischer Musik und einer etwas schwierigen Steuerung des Bootes, zumindest auf dem Controller, die aber so sicher gewollt ist. Auch, dass man nicht einen bestimmten Weg entlang geführt wird, sondern fast Open World-mäßig seinen eigenen Weg in eine grobe Richtung bahnen muss trägt zu Geschichte und Atmosphäre bei, selbst wenn es einige Male fast Verzweifeln und Kopfzerbrechen erforderte, den richtigen Weg zu finden – gerade, wenn man gerne von dem vorgegebenen Pfad abweicht und die Umgebung erkundet. Sea of Solitude hat eine englische Synchronisation, die allerdings vornehmlich von deutschen Synchronsprechern vorgenommen wurde. Dies ist einigen sauer aufgestoßen, aber es nimmt dem Ganzen keinen Charme und man gewöhnt sich doch schnell an den Akzent. Es ist nur zu Beginn etwas seltsam, wenn man ansonsten Muttersprachler als englische Synchronsprecher gewohnt ist. Ein Plus für Musikfans ist zudem, dass sich die einzelnen Kapitel ihre Namen jeweils mit Songs teilen, so etwa „Mixed Emotions“ oder „Back to Black“.

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Neben der Hauptstory warten zwei Arten von Collectables darauf, in jedem Level gefunden zu werden. Zum Einen gibt es Möwen, die verscheucht werden können und zum Anderen sind an mehreren Punkten verschiedene Flaschen mit Flaschenpost versteckt, die die Geschichte eines anderen Reisenden erzählen, der oder die offenbar auf derselben Route unterwegs war. Sie reflektieren die Gedanken Kays und des Spielers und sind ein weiterer Kampf gegen die Einsamkeit, geschrieben in der Hoffnung, dass sie eines Tages gelesen werden und der Vorgänger oder die Vorgängerin nicht alleine ist.

Insgesamt gibt es innerhalb der Geschichte und Kays Umgang mit anderen Monstern vieles, bei dem man selbst schnell weiß, was das Problem sein könnte oder, wie man am Besten mit der Situation umgehen könnte. Ich vermute, dass das ebenfalls zur Geschichte gehört. Als außenstehende Person fällt es immer leichter, Situationen rational einzuschätzen, als wenn man persönlich eingebunden ist. So kann das Spiel möglicherweise auch helfen zu sensibilisieren – man wird damit konfrontiert, wie Menschen sich fühlen können und man sich vielleicht auch selbst fühlen kann. Wie schwer es vielleicht auch fällt, gegen die Einsamkeit und negativen Gefühle anzukämpfen, was auch in Leveln mit einem, im Vergleich zum Rest des Spieles, hohen Schwierigkeitsgrad dargestellt ist. Was für Ängste man empfinden kann, die in einigen Horror-Elementen metaphorisch wiederzufinden sind. Wie leicht es ist, zu ertrinken oder sich einfach von der Einsamkeit und düsteren Gedanken einnehmen zu lassen. Aber, dass es sich auch lohnt, sich wieder freizukämpfen.

Sea of Solitude ist ein Spiel, das sich allein als Fantasy-Spiel gut spielen lässt und in eine farbenfroh bis düstere Welt mitnimmt, aber es kann den Spieler auch sehr eindrücklich Schwermut fühlen lassen. Es ist keine Bewältigung der eigenen Einsamkeit, aber es kann möglicherweise helfen, zu verstehen, wie es anderen Menschen geht und zeigen, dass es immer ein Licht gibt, das man erleuchten kann, um zur nächsten Ebene zu wechseln. Sea of Solitude ist daher nicht uneingeschränkt zu empfehlen, wenn man selbst sich einsam und traurig fühlt. Dafür ist es zu realistisch. Aber als Indie-Erstlingswerk, nach einigen Browser-Spielen, ist es so beeindruckend, dass es nicht weiter irritiert, dass es als EA Original von EA veröffentlicht wurde.

Sea of Solitude


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