Führungen laufen abends in der dunklen Jahreszeit nicht so richtig gut, so die Erkenntnis von Museumsleiter Marcell Perse. Folgerichtig haben sich die Verantwortlichen im Jülicher Stadtmuseum etwas Neues ausgedacht und für Samstagnachmittag zum Tee eingeladen. Das neue Format soll erst einmal getestet werden, wenn es gut ankommt, geht der „Kunst-Tee“ in die Fortsetzung.
In beinahe familiär-gemütlicher Atmosphäre traf sich der Museumsleiter in überschaubarer Runde mit etwa zehn Gästen zu Heißgetränk und Kunst statt Keks. Eine „vergleichende Bildbetrachtung“ stand auf dem Nachmittagsprogramm. Vom Sofa aus hatte die Teegesellschaft ungehinderten Blick auf Johann Wilhelm Schirmers „Berglandschaft mit Mönchen“ und das zum Vergleich stehende „Frühjahrsschnee in Schirmers Dorf“, gemalt von Janet Brooks Gerloff. Diese Wahl war keine zufällige, hatte die deutsch-amerikanische Malerin ihr 2008 entstandenes Werk doch bewusst in Auseinandersetzung mit eben jener Berglandschaft gemalt. Anfangs ein wenig zögerlich, folgten die Besucherinnen und Besucher dann doch Marcell Perses Aufforderung „Augen und Gefühle freizulassen“ und „gingen in den Austausch“ mit spannendem Ergebnis: Fand die eine die Farben des Himmels etwa in beiden Bildern wieder, fand eine andere Betrachterin keinerlei Gemeinsamkeiten. Eine dritte wertete die Bilder als Gegensatzpaar und fand in der Bildmitte bei Brooks Gerloff ein „Alien“. Und genau darum sollte es gehen: Wahrzunehmen, andere teilhaben zu lassen an den eigenen Empfindungen und Gedanken – richtig und falsch, so Perse, gab es an dieser Stelle nicht.
Einleitend servierte der Museumsleiter zunächst einige Informationen zum Warum der Landschaftsmalerei zu Beginn des 19. Jahrhunderts und zur Künstlerin im Speziellen. Janet Brooks Gerloff, tätig unter anderem für das Forschungszentrum Jülich, für das sie sogar als Kulturbotschafterin nach Polen reiste, begann wohl auf Anregung von Professor Joachim Treusch, sich mit Schirmers Werk auseinanderzusetzen. Typisch für ihr Schaffen war es, dass sie sich auf wenige Farbtöne beschränkte. Den Konturen schenkte Brooks Gerloff besondere Aufmerksamkeit, sie erzeugen eine besondere Art von „Ordnung“ in ihren Bildern. Um diese Wirkung zu erreichen, griff die Malerin häufig auf Zeichnekohle als bevorzugtes Arbeitsmaterial zurück. Zeichenkohle stand übrigens auch für die Gäste der Teestunde zur Verfügung. Denn das sollte den Abschluss der Veranstaltung bilden: Wer wollte, konnte selbst einmal „das sinnliche Erlebnis, ein Stück Zeichenkohle in der Hand zu halten“ ausprobieren. Um es gleich zu sagen: Es wollte einige.
Denn auch das ist Teil des neuen Formats „Kunst-Tee“ im Kulturhaus am Hexenturm: Neben der Möglichkeit, die eigene Wahrnehmung der Kunstwerke ungefiltert und ohne Scheu vor dem Urteil der anderen – so das denn möglich ist – kundzutun, bietet der familiärere Rahmen auch die Gelgenheit, selbst künstlerisch aktiv zu werden und so der Auseinandersetzung mit der Kunst anderer eine ganz neue Facette hinzuzufügen. Am 22. Februar geht der „Kunst-Tee“ unter der Überschrift „Stürmische Zeiten“ in die zweite Runde. Die Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule haben sich immer wieder einmal mit der entwurzelnden Gewalt des Sturms auseinandergesetzt, aber auch moderne Künstler haben das Thema aufgegriffen – soweit die Ankündigung. Welche Werke in der nächsten Teestunde serviert werden, bleibt spannendes Geheimnis bis dahin. Da hilft nur eines: Hingehen!