Grün ist die Hoffnung, aber was hoffen wir? Auf den berühmten grünen Zweig zu kommen? Sicher, nur bleibt das Gras auf der anderen Seite des Zauns immer grüner und mischt sich mit Farbe der Ferne, dem mystischen Blau. Je höher dieser Zaun, desto blauer das Gras. Farben passen zum Teint, entsprechen der Mode oder es sind Symbole. Als solche sind sie hier von Interesse und Symbole finden in einem Wort Platz, über das sich Abhandlungen schreiben ließen.
„Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“, singt Audrey Hepburn als Blumenmädchen Eliza in My fair Lady am Ende ganz dialektfrei. Die Bemühungen ihre Sprache glattzuziehen, sind auf einen grünen Zweig gekommen. Ihrem Lehrer Professor Higgins ist sie aber wegen dessen arroganter Methoden nun ganz und gar nicht mehr grün. Auch sie hofft auf den grünen Zweig zu kommen und singt nachts vor den Markthallen, von warmen Füßen und vollem Magen, wäre dett nich wunderscheen…
G.B. Shaw bedient sich in My fair Lady eines sehr alten Stoffs, Pygmalion. Die Erschaffung einer Figur, in die wir uns verlieben. Das tun beide, der Professor und das Blumenmädchen. Die Liebe ist ein Symbol und bekanntlich rot. Aber Rot und Grün sind komplementär und mischen sich zu einem hässlichen Braun, so als stünden sich das Grüne der Prosperität und das Rot der Liebe im Wege. Die Bergpredigt jedenfalls sieht das so.
Einige aktuelle Philosophen sehen die Liebe, mit all ihren Erwartungen von Erfüllung und Erlösung, als die Religion der säkularen Welt. Das entsprechende Heer von Märtyrern wäre jedenfalls vorhanden. Nun wird bekanntlich nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird, die Liebe schon gar nicht, an der sich schon mancher verbrannt hat. Also gießen wir ein wenig neutralisierendes Weiß hinzu und vermischen das Ganze zu einem bekömmlichen Rosa. Wem das zu zuckerig ist, der könnte die Liebe durch die Beimischung von etwas Himmelblau auf ein Podest heben. Dort bliebe sie dann als das Violett des Sakralen, der selbstlosen Liebe und der Bischofsmäntel in sicherer Entfernung.
Blau hat die größte Wellenlänge, wenn alle anderen Farben erlöschen, bleibt das Blau. Der Himmel ist blau und die blaue Blume der Romantik blüht nicht nebenan. Und so ziehen in Märchen und Novellen die Grünschnäbel aller Länder aus, um sie zu suchen. Doch wenn sie sich wie bei Novalis endlich findet, dann vermischt sie sich in den Jünglingen altersgemäß mit roten und erotischen Elementen. Wie bei jeder Mischung ist jetzt das Verhältnis entscheidend. Überwiegt das Blau, so wird ein Violett daraus, die Farbe des Heiligen. Überwiegt das Rot, so wird es ein Scharlach, die Farbe der Hure Babylon und des Obszönen.
Das Rot der irdischen Liebe muss also nicht gelingen, die berühmten Liebespaare scheitern, Philemon und Baucis einmal ausgenommen. Nach einem langen Eheleben werden die beiden von den Göttern als zwei Olivenbäume auf einem Felsen über der Ägäis eng miteinander verwachsen verewigt. So weit emporgehoben rücken sie farblich eindeutig ins Blaue.
Farben sind Symbole, aber wir benutzen sie auch in der Farbtherapie, wo sie nachweisbare Wirkungen zeigen. Wenn ich z.B. im April an einem blühenden Rapsfeld vorbeigehe, dann trifft mich das Gelb wie ein Schlag auf den Solarplexus. Das Herz beschleunigt sich, der Gaumen wird trocken, die Finger zucken, eindeutige Zeichen einer Erregung, eine Erregung ohne ein Objekt, vegetatives Nervensystem. Ganz anders dagegen ein warmes Gelb, das mich mit der Untermischung von Rot beruhigt. Der Goldton des Abendlichts, Heimkehr, warte nur, balde ruhest du auch…
Aber das ist das Oberdeck und aus den aufsteigenden nächtlichen Träumen wächst mir das Unterbewusste hinauf, mein Dschungel von vegetativen Anteilen, mein reptilienartiges Stammhirn und seine ins Tagesbewusstsein nur schlecht integrierten Impulse, sind sie nun Rot oder Grün? Wer sich schon einmal im Wald verirrt hat weiß, dass Grün etwas Bedrohliches haben kann. Die sprichwörtliche grüne Hölle. Das permanente Blühen, Wuchern und Fruchtragen stellt einen Angriff auf Grenzen, Struktur und Plan unseres Bewusstseins dar und dem grünen Wuchern eines Urwalds über die Stätten ehemaliger Hochkulturen sind eben nicht Grün. Die Farbsymbolik hat unscharfe Ränder.
Mein Malerfreund Herrmann regelte die Fülle der Erscheinungen durch Ausschluss und meinte, Grün wäre die Farbe der Bekloppten. Da zieht sich das Grün der Wintersaat Stängel an Stängel bis zum Horizont oder es reiht sich Fichte an Fichte, um in der Distanz zum Tannenbäumchen aus dem Kindergarten zu werden und man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, schimpfte er.
Aber das geht ja auch umgekehrt. Man sieht vor lauter Wald die Bäume nicht und dann kann man ihn malen, als eine plastische Größe, grün, aber mit violetten Schatten, lichtgelben Fronten und indigodunklen Toren. Die Landkarte ist nicht das Land, Flüsse sind nicht zwingend blau, sondern nur, wenn sich ein blauer Himmel darin spiegelt und das gegensätzliche Element Feuer ist nicht zwingend gelb oder orange. Das kann auch blau sein, das stört aber die Synästhetik, unser Zusammenspiel der Sinne und so ist Grün bei der Verkehrsführung willkommen, bei Früchten warten wir lieber auf Gelb oder Rot. Klar definiert ist die Farbe nur als Lichtschwingung, dann hat sie so und soviel Angström, so wie ein Ton eine bestimmte Anzahl von Hertz hat.
Farben sind Symbole und darin Gefühl, Inhalt und Übereinkunft auf einen Nenner zu bringen, scheint unmöglich. Wir machen uns wie Eliza und Higgins ein Bild, das nicht passen will und so kommt es im Miteinander zu manchem Kahlschlag. Wie bei Herrn Keuner, der in Brechts gleichnamigen Geschichten den Auftrag erhält, einen Lorbeerbaum zur Kugel zu schneiden. Das ist leichter gesagt als getan und, als die Kugel endlich rund ist, liegt etlicher Grünschnitt am Boden. Der Gärtner, der das Werk begutachtet, sagt bedauernd: Gut das ist die Kugel, aber wo ist der Lorbeer?