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Dieter Laue – Wassermusik

Interview mit Dieter Laue.

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Dieter Laue | Foto: Sandra Andree
Dieter Laue | Foto: Sandra Andree
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Schüren: Wie ich sehe, warst du gerade wieder zu Fuß unterwegs. Sind die besten Gedanken die, die man beim Gehen hat, wie Nietzsche behauptet?
Laue: Es geht nicht um Gedanken, eher um Eindrücke. Picasso sagte von sich, er suche nicht, er finde. Ich gehe noch ein Stück weiter und sage, es findet mich. Die Bilder schreiben sich in mich ein, wie in eine Matrize, die ich hinterher wieder abspielen kann. Es findet unbewusst statt. Das Denken kommt erst hinterher.

Schüren: Ich weiß, dass du dir das ländliche Umfeld von Jülich schon erlaufen hast. Was inspiriert dich an der Natur?
Laue: Da sind die Farbklänge, z.B. die Weißabstufungen einer Birkenrinde, Kreide, Elfenbein, Cremeocker auf Rosa, oder das Graphische von Rinden, Ästen, Stämmen. Risse im getrockneten Schlamm. Es ist eine Art Trance. Ich erkenne mich in der Natur, so wie man sich beim Tanzen in der Musik erkennen kann. Außerdem ist meine Malerei ja sehr körperbetont. Ich trete vor, setze Impulse, dann gehe ich 5-6 Meter zurück, schaue, lege das Bild auf Böcke oder auf den Boden, schütte die Farbe, hänge es wieder auf, trete zurück, lege, hänge. Das geht über Stunden und beim Wandern baut sich nebenbei die dafür notwendige Kondition auf.

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Schüren: Wichtig ist dir Wasser, fließendes Wasser. Reicht dir das Geplätscher der Rur oder sehnst du dich nach Größerem. dem Rhein, Köln, wo du noch immer dein Atelier hast?
Laue: Nein. An der Rur ist das Wasser viel erfahrbarer, vor allem wo sie nicht begradigt wurde. Was mich am Wasser interessiert, ist das Vielgestaltige. Meine eigene Existenz ist durch den ständigen Wechsel zwischen Köln und Jülich unsteter geworden, aber das sich verlorengehen und neu finden müssen empfinde ich als kreativ und es entspricht meinen Malprozessen.

Foto: Sandra Andree
Foto: Sandra Andree

Schüren: Wenn vom Wasser die Rede ist, muss man auf deine spezielle Art der Malerei zu sprechen kommen. Hat deine Art zu malen etwas mit den Wasserspielen der Kindheit zu tun?
Laue: Wenn ein Wolkenbruch niedergeht, Straßen und Wege überschwemmt und sich Wasserläufe in Erdkrusten eingraben, da habe ich schon als Kind unentwegt zuschauen können. Wasser steht ja für das Unbewusste. Mein Unbewusstes zieht es zum Wasser, als könne es sich darin bewusst werden. Bei meiner Mal-Technik stand ein Zufall Pate. Ich hatte begonnen, meine Farben aus Pigmenten selbst herzustellen und setzte Füllstoffe hinzu, um ihnen Volumen zu geben, als sich auf der Leinwand aus der satten Farbe heraus ein Tropfen bildete. Er bahnte sich durch die feuchten Farbflächen und ich war sofort hellwach. Sackt er ein, reichert er sich an, welchen Weg wählt er? Eine feuchte Leinwand ist ein sehr amorphes Terrain, die Wege sind immer unvorhersehbar und der Tropfen zog seine Spur wie eine Zeichnung, die in den übereinander liegenden Schichten ständig die farblichen Intervalle veränderte.

Schüren: Du benutzt den Begriff „Intervall“, das ist ein musikalischer Terminus. Gibt es da einen Zusammenhang? Kannst du die Besonderheit deiner Technik kurz erläutern?
Laue: Die abstrakte Malerei erregt ja ähnliche Hirnregionen wie die Musik: Nichtsprachliche Informationsfelder, die aber emotional enorm wirksam sind. Klänge wie Schwarz-Gelb, Rot-Weiß, Gelb-Violett reizen und warnen das Nervensystem. Ebenso reagieren die Nerven auf schnell, langsam und leise, in der Musik wäre das presto, largo, piano usw. Ich versuche diese musikalischen Kriterien in bildnerische zu übersetzen. Eine Verdichtung von Linien wäre dann ein Crescendo. Da ich alles nass in nass in das Fließen auf der Leinwand setze, kommt ein zeitlicher Faktor hinzu. Musik ist eine Kunst in der Zeit. Ich habe Mittel, das Tempo des Fließens zu beeinflussen, aber es bleibt immer eine Überraschung, auf die ich an der richtigen Stelle, mit dem passenden Farbton und der richtigen physikalischen Beschaffenheit, reagieren muss. Der entscheidende Akt vollzieht sich in Minuten. Das gibt dem Malen etwas vom Charakter improvisierter Musik. Jedes Bild ist ein Üben und ich verstehe meine Technik als ein Instrument, das mit wachsendem Register immer universeller wird.

Schüren: Du hast dich malerisch mehr und mehr von der Gegenständlichkeit und Symbolik befreit. Fürchtest du nicht, dass deine neue Freiheit als Willkürlichkeit missverstanden werden könnte?
Laue: Ich verstehe meine Technik ja gerade als meine Antwort auf die Beliebigkeit der Abstraktion. Das Problem der Abstraktion ist, Kriterien zu haben. Warum so und nicht anders? Natürlich kann ich so lange von rechts nach links und wieder zurück malen, bis es irgendwie passt. Aber nimm die Handschriften von Mozart, selbst die komplexen Symphonien sind ohne Korrekturen. Es sind unmittelbare Findungen. Das wäre mein Ideal. Auch wenn ich es nie erreichen werde, benötige ich dazu ein klar definiertes, theoretisches Feld. Ein Spiel mit Regeln, die ich nur aus dem Spiel selbst gewinnen kann. Die Regel ist das Bewusste, das Spiel ist das Unbewusste, ihr Verhältnis steht bekanntlich 1 zu 10. Ich verliere also meistens gegen das Bild.

Schüren: Es geht also, wenn ich dich richtig verstehe, um ein bestimmtes Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit. Wie bewusst ist dieses Spiel? Weißt du sofort, ob du es gewonnen hast und ein Bild gelungen ist?
Laue: Nein, das weiß ich nicht, schon gar nicht sofort. Ich weiß nur, wenn ich es verpatzt habe, aber auch da kann ich mich irren. Es gibt ja zwei Ebenen, eine Arbeit zu beurteilen. Du kannst deinen selbst gefundenen Regeln gerecht werden oder deiner Spontaneität. Das spielt in den Unterschied zwischen Apollinischem und Dionysischem hinein. Da sind wir wieder bei Nietzsche. Gedankliche Klarsicht in einem komplexen System oder rauschhaftes Erkennen von Neuland, das ist der Antagonismus in jeder Kunst. So können Bilder entstehen, die wichtig sind, aber nicht unbedingt gut sein müssen. Sie sind – dionysisch gesehen – authentisch, während sie – apollinisch gesehen – gegen die Regel verstoßen. Es dauert, das herauszufinden, ob in dieser Übertretung sich Substanz für eine Erweiterung des Reglements befindet, oder ob es nur eine Laune war. So entsteht der theoretische Überbau.

Schüren: Es wird bald eine Ausstellung von dir im Kunstverein Jülich geben: „Wassermusik“. Was erwartet den Besucher?
Laue: Arbeiten aus den letzen 2 Jahren. Ich stelle einen ganz neuen Abschnitt vor, der auf einer wesentlichen, technischen Neuerung basiert. Die Bilder werden diesen Schritt nachvollziehbar machen, ebenso die Bedeutung, die solche Erweiterungen des Registers auf meine Arbeitsweise haben.

Dr. Hermann-Josef Schüren lebt als Schriftsteller und Lehrer in Aachen. Zuletzt erschien von ihm der Krimi „Falsche Väter“. Zur Zeit arbeitet er am „Roman einer ländlichen Kindheit“ mit dem Arbeitstitel „Junge Stiere“.

 


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