Ein jeder kennt das teilweise seltsame Gefühl, wenn der Besuch weg ist. Dabei variieren die Emotionen je nach Mensch und Besucher: manchmal handelt es sich um Traurigkeit, teilweise ist man melancholisch oder fühlt eine Art Leere, wobei man aber auch Freude und Endlichkeit verspüren kann. Doch wie lassen sich diese Empfindungen darstellen und was haben sie mit Bettzeug zu tun?
Was für den einen wie zufällig zerknüllte Kissen und Decken aussieht, bedeutet für den anderen einen künstlerischen Prozess, welcher mehr über die Beziehung zwischen zwei Menschen verraten kann. „Kissen, Decken, all diese drapier- und veränderbaren Textilien – das ermöglicht mir künstlerische Freiheit“, berichtet Kathrin Philipp, Künstlerin und Kuratorin der Kunstausstellung „Der Besuch ist Weg“ im Hexenturm Jülich.
Die Malerin habe sich schon seit ihrem Studium im Fachbereich visuelle Kommunikation sehr für Textilien interessiert. Nicht nur aufgrund der verschiedenen Stoffe und Muster, sondern vor allem, weil Textilien immer veränderbar seien und jedes Mal eine andere Botschaft vermitteln können, fasziniere sie. Ihre Affinität zu Stoffen sei auch durch das Nähen gesteigert worden und nachdem ihre Kinder aus dem Haus waren, so Philipp, habe sie das Malen wieder aufgenommen. Begonnen habe die Künstlerin damals mit dem Malen von Ausschnitten aus klassischen und barocken Gemälden. Für ein Bild benötige sie teilweise zehn Stunden, manchmal aber auch drei Wochen. Mit Hilfe von unterschiedlichen Hintergründen, Licht- und Farbschattierungen schaffe Philipp solche textilen Skulpturen, welche vom Besuch individuell drapierte Stoffe zeigen.
„Es ist eine Interaktion zwischen dem Künstler und dem Besucher, wobei der künstlerische Prozess sofort nach dem Abschied einsetzt. Es ist kein Zufall, wie die Textilien drapiert werden“, so Laudatorin Dr. Dagmar Preising, Kuratorin beim Suermondt-Ludwig Museum in Aachen, bei der Vernissage. Die Frage „Was bleibt, wenn der Übernachtungsbesuch weg ist?“, bleibe dabei immer im Raum stehen.
Bei der Ausstellung konzentriere sich die Künstlerin vor allem auf die Bettüberwürfe und Kissen und weniger auf die Hintergründe. Der Fokus läge auf der Darstellung eines so privaten und intimen Raumes wie des Schlafzimmers, wobei die Gemälde nichts Provozierendes an sich haben, sondern viel mehr einen Blick in die Privatsphäre freigeben. Kathrin Philipp wolle außerästhetische Denkanstöße liefern, welche die Textilkunst als Kunst der Frau hervorheben, wobei auch die Assoziation zur Hausfrau hergestellt werden könne, da das herrichten der Betten meistens von Frauen gemacht wird.
Preising macht darauf aufmerksam, dass Philipp als eine moderne Künstlerin unserer Zeit gelte, welche das Alltägliche zur Kunst mache und es dabei aus eben dieser Alltäglichkeit hinaushole. Sie nutze das Bettzeug als Allegorie der Malerei und verdeutliche damit, dass auch hier die Freiheit der Kunst fortgeführt werde.
Auch die Besucher der Ausstellung zeigten sich begeistert von den vielfältigen Bildern. „Sie erinnern mich an eine Kissenschlacht und an die Leichtigkeit, die ich als Kind verspürt habe“, erläutert ein Besucher. Ein weiterer Gast verdeutlicht, dass sie von dem individuellen Einblick in die Privatsphäre fasziniert sei. Das Publikum ist beeindruckt von der autonomen Malerei und vor allem von den dreidimensional erscheinenden Oberflächen.
Die Kunstausstellung über das Spiel zwischen Künstler und Besucher kann noch bis Muttertagssonntag, 14. Mai, im Hexenturm besucht werden. Die Öffnungszeiten sind samstags und sonntags jeweils von 11 bis 17 Uhr.