„Von Jülich in die ganze Welt“ sollte sie senden, und das tat sie – mitunter sendeten die Antennen der Deutschen Welle allerdings auch in die Toaster, Plattenspieler oder Kassettenrekorder der Jülicher Haushalte. Dazu später mehr.
Guido von Büren eröffneteals Vorsitzender des Jülicher Geschichtsvereins die gleichnamige Ausstellung im kleinen Sitzungssaal des Rathauses. Angesichts des großen Interesses hätte der Verein für diesen Anlass wohl besser den benachbarten größeren Raum gewählt. Stellwände und Besucher füllten mühelos den ganzen Saal, da empfiehlt es sich während der nächsten Tage einmal einen ungestörteren Blick auf das Werk der Initiativgruppe „ehemalige Sendestelle der Deutschen Welle“ zu werfen.
Auf 13 Tafeln gibt es technische und historische Fakten, eingeordnet in die damaligen politischen Verhältnisse nachzulesen. Denn die Sendeanlage war keinesfalls „nur“ als technisches Mittel zur Übertragung von Kurzwellen und damit Nachrichten aus Deutschland eben in die ganze Welt zu verstehen, sondern war immer auch „hochpolitisch“ betonte von Büren. So führte der Kalte Krieg in den 1960er Jahren gleichzeitig zu einer Art „Wellenkrieg“.
Während die Deutsche Welle über die Jülicher Anlage Nachrichten auch hinter den Eisernen Vorhang schickte, funkten osteuropäische und russische Störsender dazwischen. Derlei Manöver führten dann dazu, dass unter anderem in Bourheim die sonntägliche Messe von russischen Gesprächsfetzen unterbrochen wurde, weswegen sich der dortige Pfarrer hilfesuchend an die Mitarbeiter des Senders wandte. Hilferufe ereilten die Mannschaft auf der Mersher Höhe aber auch von Autoherstellern: Einmal habe das Telefon geklingelt und ein Mann aus Rüsselsheim hätte angerufen mit der Frage, ob es wohl an der Deutschen Welle liegen könne, dass der Opel Admiral eines Kunden immer auf der Merscher Höhe ausging. Es konnte sein und hat schließlich dazu geführt, dass künftig die elektronischen Bauteile auf Einstrahlungsfestigkeit getestet wurden.
Mit ihren Anekdoten und Erinnerungen verliehen die ehemaligen Mitarbeiter der Rundfunksendestelle der Ausstellungseröffnung eine besondere Note – vielleicht finden diese Geschichten als Audiodokumente ja einen Platz im „großen Projekt des Geschichtsvereins“. Aktuell ist der Verein damit beschäftigt, zwei Container voller Objekte, die aus der inzwischen abgerissenen Sendeanlage gerettet wurden, zu sichten und weiteres Material zusammenzutragen. Wer Fotos, Dokumente oder anderes zur für die Zukunft geplanten Ausstellung beisteuern könne, sei herzlich willkommen, rief Guido von Büren die Jülicher zur Unterstützung auf.
Die derzeit laufende Wanderausstellung widmet sich kur, knapp, übersichtlich und verständlich der spannenden Geschichte der Rundfunksendestelle auf der Merscher Höhe. Trotz einer Lebensdauer von gerade einmal 54 Jahren avancierten die zunächst 21, später dann 34 Türme zu einem der Wahrzeichen Jülichs. Wenn etwa eine Viertelstunde Fahrtzeit von Jülich entfernt die roten Lämpchen der Sendemasten aufflackerten, wusste man „jetzt ist man gleich Zuhause“, formulierte Guido von Büren und erntete zustimmendes Gemurmel. Nur eine Woche lang ist die Ausstellung im Neuen Rathaus zu sehen, danach wird sie im Jahresverlauf immer mal wieder „irgendwo im Stadtgebiet aufploppen“ – da heißt es also: Augen auf, denn der Besuch lohnt sich.
Die Initiativgruppe besteht aus: Winfried Cremerius, Guido von Büren, Günter Hirthe, Günter Dahmen, Claus Maas, Martin Marquardt und Alfred Ponten.