Start Magazin Geschichte/n „Schrecklich, einfach schrecklich“

„Schrecklich, einfach schrecklich“

So schön es für Mo Khomassi ist, seine Familie in Beirut wiederzusehen, so sehr ist der Libanese, der seit 34 Jahren Wahl-Jülicher ist, erschüttert von seinem Besuch in seinem Geburtsland.

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Rund 800 historische Gebäude sollen bei der Explosion zerstört worden sein. Im Hafenbecken liegen immer noch Schiffswracks. Foto: Mo Khomassi
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Heute vor einem Jahr, 18:07 Uhr, erschütterte eine Explosion Beirut. Diese Erschütterung spürte Mo Khomassi auch in Jülich. Denn der Wahl-Jülicher, der seit 34 Jahren in der Herzogstadt lebt, arbeitet und auch hier aufgewachsen ist, kommt ursprünglich aus dem Libanon. In Beirut leben ein Teil seiner weitverzweigten Familie und auch Freunde. Fast 200 Menschen ließen bei der verheerenden Explosion ihr Leben, die durch Schweißarbeiten und entzündetes Ammoniumnitrat entstanden sein soll. Eines der Opfer war ein guter Freund von Mo Khomassi. Aus dieser persönlichen Betroffenheit heraus organisierte der Jülicher spontan eine „Hilfsbrücke“ zwischen Jülich und seiner Geburtsstadt im Libanon.

Zum Jahrestag der Explosion reiste Mo Khomassi mit seiner Frau und den Kindern zu seiner Familie nach Beirut. Erstmals konnte die Großmutter die im Corona-Jahr geborene Enkeltochter sehen und ist natürlich begeistert. Normalerweise fährt er regelmäßig zu seiner Familie, es wird zusammen gefeiert, im Meer geschwommen, man geht essen und tut, was man eben so im Urlaub macht. Gefeiert wird jetzt vor allem das Wiedersehen. Ansonsten ist es kein Vergnügungsurlaub.

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Dieses Mal ist das anders: Für den Freund, der bei dem Unglück umkam, bereitet Mo Khomassi gerade eine Jahres-Gedenk-Trauerfeier vor. Darüber hinaus erlebt der Jülicher hautnah die Armut der Menschen. Der Verfall der Libanesischen Lira lässt einen normalen Angestellten am Zahltag Millionär sein; er ist verarmt, noch ehe er die Kosten für seine Grundversorgung wie Miete und Strom beglichen hat. Eine normale Stromrechnung beläuft sich auf 900.00 Lira „Das Geld hat hier keinen Wert“, berichtet Mo Khomassi hörbar erschüttert. „Hier herrscht große Armut. Die Menschen wissen nicht mehr weiter. Es ist schrecklich, einfach schrecklich.“ Die große Diskrepanz zu seiner Wahlheimat trifft ihn hart. Was für Urlauber Normalität ist, nämlich sich mal „schnell auf die Hand“ etwas zu Essen zu kaufen, verkneift sich Khomassi meist. Er schämt sich der Blicke seiner Landsleute, denen das nicht möglich ist oder die zum Teil sogar hungern. „Wir in Deutschland leben in einer Gesellschaft, die auf höchstem Niveau jammert und dort herrscht solche Not.“

Mo Khomassi ist derzeit zu Besuch in Beirut. Foto: privat

Vier Containerladungen mit Hilfsgütern wie Baby-Nahrung, Medikamenten und Kleidung sind inzwischen durch Khomassis Initiative „Aktion Hilfe für den Libanon“ im Land angekommen. Zwei weitere Container nimmt der Jülicher jetzt selbst vor Ort in Empfang und organisiert auch die Verteilung, „um mir selbst ein noch besseres Bild machen zu können.“ Weiterhin gilt: Es fehlt am Nötigsten, vor allem für Kleinstkinder und die ärztliche Versorgung. „Babymilch und Arzneien sind überhaupt nicht zu bekommen. Wir verteilen Medikamente, die wir persönlich mitgebracht haben“, berichtet Mo Khomassi.

Heute wird Mo Khomassi auf eine Fahrt in den Hafen von Beirut verzichten. „Man hat mir abgeraten. Das ist zu gefährlich.“ Die Menschen versammeln sich zu Demonstrationen, denn Hintergründe und Ursachenforschung, wie es zur Explosion kam, sind immer noch nicht abgeschlossen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung ist zerrüttet.

Mitte August wird Familie Khomassi die Heimreise nach Jülich antreten. Dann geht die Arbeit weiter. Die aktuellen Erlebnisse bestärken den dreifachen Familienvater darin, die Hilfsaktion für den Libanon weiter auszubauen. Und dass die Hilfe ankommt, davon kann er sich jetzt sogar persönlich Zeugnis ablegen.

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Atrium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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