Start Magazin Geschichte/n Nachlass von Afrikaforscher Schillings wird aufgearbeitet

Nachlass von Afrikaforscher Schillings wird aufgearbeitet

Ein Forschungsprojekt zur Erschließung des Sammlungsbestands von Carl Georg Schillings ist am Leopold-Hoesch-Museum gestartet. Dazu wird auch die Bevölkerung aufgerufen, etwaige mit Schillings in Zusammenhang stehende Exponate sichten zu lassen, die in Privatbesitz sind. Die Ausstellung soll voraussichtlich 2025 präsentiert werden.

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Carl Georg Schillings: Nachtaufnahme einer Hyäne, um 1910. Diapositiv, Glas, handkoloriert, 9 x 12 cm. Sammlung Leopold-Hoesch-Museum, Düren. Foto: Leopold-Hoesch-Museum
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Das Dürener Leopold-Hoesch-Museum (LHM) ist seit seiner Gründung 1905 im Besitz des Nachlasses des Afrikareisenden, kolonialen Großwildjägers und Naturforschers Carl Georg Schillings (1865-1921). Zu diesem bisher unerforschten Sammlungskonvolut zählen an die 600 Objekte, darunter Jagdtrophäen, naturkundliche Objekte, Fotoapparate, Dias, Briefe, Bücher und Notizen. Zum ersten Januar 2023 hat die Ethnologin Frauke Dornberg ein Forschungsvolontariat zur Erschließung des Sammlungsbestands von Carl Georg Schillings im Leopold-Hoesch-Museum angetreten. Zum Ende des zweijährigen Forschungsprojekts, das vom Land NRW im Rahmen des Programms „Forschungsvolontariat Kunstmuseen NRW“ gefördert wird, sind eine Ausstellung im LHM und die Veröffentlichung eines Katalogs geplant.

Carl Georg Schillings wurde 1865 in Düren geboren. Nachdem ihn der Direktor des Zoologischen Gartens Berlin auf die reiche Tierwelt Ostafrikas aufmerksam gemacht hatte, schloss sich Schillings 1896 der Expedition des Dürener Industriellensohns Max Schoeller nach Deutsch-Ostafrika (heute: Tansania, Burundi, Ruanda und Teile Mosambiks) und British-East-Africa (heute: Kenia) an. Bis 1903 folgten drei weitere eigenständige Expeditionen mit dem Ziel, Trophäen für deutsche Naturkundemuseen zu sammeln sowie lebende Tiere für den Zoologischen Garten Berlin zu fangen und Tierfotografien anzufertigen. War Schillings zu Anfang seiner Reisen vor allem noch mit der Jagd vor Ort beschäftigt, so sorgten zunehmend schwindende Tierbestände für einen Wandel seiner Interessen. Schillings setzte sich im Laufe seines Lebens vermehrt für Regelungen zum Naturschutz und für Jagdschutzgesetze in Ostafrika ein. Während dieser Zeit entstanden vor allem seine Fotografien – meist in Form von Glasdias –, die Schillings von anderen Afrikareisenden seiner Zeit abheben. Er fotografierte als erster Deutscher ostafrikanische Säugetiere und Vögel in ihrem natürlichen Lebensraum vor Ort in einer Zeit, in der tragbare Blitzlichtgeräte und tropentaugliche Kameras noch nicht erfunden waren. Mehr als tausend seltene, belichtete Glasplatten finden sich in der Sammlung. 1905 veröffentlichte Schillings seine Reiseerlebnisse in seinem Buch „Mit Blitzlicht und Büchse“, dem 1906 ein weiterer Band mit dem Titel „Der Zauber des Eleléscho“ folgte.

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Die Schillings-Sammlung im LHM gehört zu den ältesten Sammlungsbereichen der Institution. Bereits zur Eröffnung des Museums 1905 waren durch das Testament des Dürener Industriellen und Mäzens Leopold Hoesch Mittel verfügbar, um einen Teil der Schillings-Sammlung anzukaufen und auszustellen. Denn das heutige Kunstmuseum wurde zunächst als Universalmuseum eröffnet. Im Jahr 1950 kaufte die Stadt Düren einen weiteren Teil des Nachlasses an, der lange Zeit auf dem Weyerhof in Düren-Gürzenich gehütet worden war. Teile der kolonialen Sammlung wurden zuletzt 2001 der interessierten Öffentlichkeit im LHM vorgestellt. Aktuell ist noch bis Mai 2023 eine Ausstellung über Carl Georg Schillings im Stadtmuseum Düren zu sehen, das in den letzten Jahrzehnten einen großen Teil der Sammlung als Dauerleihgabe verwahrt hat.

Frauke Dornberg, geboren 1993 in Köln, ist eine von 29 jungen Forschenden, die im Januar 2023 mit ihren Forschungsvolontariaten an einem der Kunstmuseen in Nordrhein-​Westfalen begonnen haben. Es ist der zweite Jahrgang des vom Land NRW mit rund 2,1 Millionen Euro finanzierten Programms. Die zweijährigen Volontariate verbinden die museale Ausbildung mit eigenständigen wissenschaftlichen Projekten. 26 Museen nehmen an der Volontärsausbildung teil. Koordiniert wird das Programm durch das Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-​Heine-Universität Düsseldorf. Frauke Dornberg studierte Europäische Ethnologie und Regionalstudien Asien/Afrika im Bachelor und machte 2022 ihren Master in Ethnographie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Die wissenschaftliche Arbeit während des Volontariats hat die Sichtung, detaillierte Erfassung und Sicherung dieser Sammlungsobjekte, die Einordnung der Tätigkeiten von Carl Georg Schillings in den damaligen deutschen und britischen Kolonialgebieten Ostafrikas in die wissenschaftlichen Kontexte und kolonialen Netzwerke der damaligen Zeit zum Inhalt. Ein besonderer Fokus liegt auf der Einordnung der Museumskonzeption des Leopold-Hoesch-Museums von 1905 mit der Präsentation der Schillings-Sammlung in das Museums- und Ausstellungsverständnis des frühen 20. Jahrhunderts. In welchem Verhältnis steht Schillings’ Tätigkeit zur Beteiligung rheinischer Industrieller und der Bevölkerung im Rheinland am deutschen Kolonialismus? Welche historischen Vorstellungen von Mensch, Natur und Gesellschaft spiegeln sich im Vorgehen Schillings’ und seines Umfelds? Insbesondere stellt sich aber die Frage, inwiefern Schillings mit seinen Fotografien, seinen Publikationen und seinem Engagement für den Schutz der Tierbestände im Osten Afrikas zum heutigen Verständnis von Natur und Naturschutz beigetragen hat.

Im Rahmen des Volontariats soll die Sammlung von Carl Georg Schillings für den Ausstellungsbetrieb und zukünftige Projekte mit zeitgenössischen Kunstschaffenden sowie für die Wissenschaft erschlossen und sichtbar gemacht werden. Es ist beabsichtigt, die im Rahmen des Forschungsvolontariats erarbeiteten Ergebnisse Anfang 2025 in einer Ausstellung zu präsentieren. Dem Projekt zur Seite stehen Dr. Bernhard Gißibl am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Dr. Ina Heumann am Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung. Zum Forschungsvolontariat gibt es ein Begleitprogramm am Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, das den Austausch der im Volontariat Tätigen untereinander ebenso wie die aktive Teilnahme an aktuellen Museums- und Forschungsdiskursen sicherstellt.

Das Leopold-Hoesch-Museum ruft die Bevölkerung in Düren und näherer Umgebung dazu auf, in ihrem eigenen Besitz nach Gegenständen und Dokumenten zu suchen, die in Verbindung mit der Person Carl Georg Schillings oder seinen Expeditionen nach Ostafrika stehen könnten. Zusätzlich fragt das Museum nach Artefakten oder Tiertrophäen ostafrikanischer Tiere, die in der Zeit 1889 bis 1905 angefertigt worden sind und möglicherweise von Schillings oder seinem Begleiter William Orgeich präpariert worden sind. Im Besonderen interessiert sich Frauke Dornberg bei diesem Aufruf für Dokumente, Fotografien und Gegenstände, die von Carl Georg Schillings stammen oder Sachverhalte über sein Leben und vor allem seine Reisen enthüllen könnten. Dabei geht es nicht um eine Übergabe der entsprechenden Gegenstände oder Unterlagen an das LHM, sondern um eine gemeinsame Sichtung. Diese kann selbstverständlich auf Wunsch auch anonym erfolgen. Die Kontaktmöglichkeiten dazu sind die E-Mail-Adresse [email protected] oder per Telefon unter 02421 – 25 2520.


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