Am 8. Mai hat das Ende des Zweiten Weltkrieges seinen 75. Jahrestag. Mehr als 60 Millionen Menschen hat der von Nazi-Deutschland begonnene Krieg das Leben gekostet. Das Ende war schon zum Jahresbeginn 1945 absehbar. Und obwohl die Lage aussichtslos war, kämpfte die Deutsche Wehrmacht völlig irrational weiter. Der Januar wurde mit 450.000 Toten zum verlustreichsten Monat des ganzen Krieges und bis zum Ende starb noch einmal eine weitere Million Menschen. Sogar in der letzten Woche nach Hitlers Selbstmord wurden noch 95.000 deutsche Soldaten von der Wehrmacht in irrwitzigen Kämpfen verheizt.
Die Deutschen erlebten immer größere Verwüstung und die Rückkehr des Krieges in das eigene Land. Dazu den Terror des sich blindwütig gegen den Untergang wehrenden NS-Systems. Und bis zuletzt lief die Vernichtungsmaschinerie der Konzentrationslager. Der Luftkrieg hatte seit Herbst 1944 eine neue Dimension angenommen. In den letzten acht Monaten fielen drei Viertel aller Bomben des ganzen Krieges. Die letzten Kriegsmonate sind die Erfahrungen, die sich am tiefsten in das kollektive Gedächtnis der deutschen Gesellschaft eingebrannt hat – die damit verbundene Not, der Hunger, Flucht und Vertreibung ließen andere Erinnerungen verblassen, auch die der Gewalt, die von Deutschland selbst ausgegangen war.
Die letzte Phase des Krieges war Thema des im September letzten Jahres gestarteten gemeinsamen Projektes des Museums Zitadelle Jülich mit dem Stadt- und Kreisarchiv Düren „Zwischen ‚Führer‘ und Freiheit – Bombenkrieg und ‚Befreiung‘ an der Rur“. Aufgrund der Corona-Krise fällt die Abschlussveranstaltung am 8. Mai aus (soll später nachgeholt werden). Trotzdem soll will das Museum Zitadelle aktuell an dieses wichtige Datum erinnern, das Bundespräsident Richard von Weizäcker in seiner Gedenkrede 1985 erstmals einen „Tag der Befreiung“ nannte: „Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte.“
Das Kunstwerk „Büchse der Pandora: Saat und Ernte“ bringt diese Verkettung auf den Punkt. Diese ausdrucksstarke Arbeit stellt die Saat der Waffen der Ernte des Todes gegenüber. Der Künstler Dr. Hermann Scharpf arbeitet viel mit Abgüssen klassischer Bildwerke, deren gewohnte Optik er für die zeitlose Geltung der Zusammenstellung nutzt: „Ich habe mit Absicht keine Originalhelme verwendet, sondern einen WK I Mod 16 Helm abgeformt und gegossen. Die Übertragung in das neutrale Gießmaterial und in die Farbe Weiß soll das Thema jenseits der deutschen Tragödie in einen überzeitlichen und überräumlichen Zusammenhang bringen.“
Während unsere Gesellschaft mit aller Macht gegen die Ausbreitung des Corona-Virus kämpft, macht die traurige Alltäglichkeit des Krieges deutlich, dass wir der weltweiten „Infektion“ durch Rüstung und Waffenhandel weiterhin angeblich machtlos gegenüberstehen. Die Kunstinstallation wird aufgrund der Schließung des Museums im Glaspavillon am Südeingang der Zitadelle für Passanten präsentiert. Ein Audioguide ist online verfügbar und kann auch im Home-office genutzt werden (über den Browser: izi.travel/de > Jülich). Marcell Perse, Museumsleiter