Sie war etwa 1,58 Meter groß, hatte blondes Haar, nie Knochenbrüche, konnte sich gut ernähren und wurde über 60 Jahre alt. So stellt sich Christina von Stommeln medizinisch-wissenschaftlich dar. Eine Ausstellung zum 700. Todestag zeigt einen neuen Blick auf die visionengeplagte stigmatisierte Selige.
„Wir sind froh, dass die forensischen Untersuchungen die Identität der Seligen Christina bestätigen“, verhehlt Beate Ortwein, Gemeindereferentin der GdG Heilig Geist Jülich, ihre Erleichterung nicht. Seit 420 Jahren werden die Gebeine der Christina in der Jülicher Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt aufbewahrt und verehrt. Kirche und Museum Zitadelle Jülich haben zum Gedenkjahr das gemeinsame Forschungs- und Ausstellungsprojekt „Gottesschau und Gottesliebe“ initiiert.
„Sie hat nichts Besonderes bewirkt, sie hat keine großen Werte hinterlassen, sie hat keine Gemeinschaft gegründet, sie hat keine Ideen formuliert, die Spuren in der Zeitgeschichte hinterlassen hätten“, formuliert es Schirmherr Bischof Heinrich Mussinghoff im 432 Seiten starken Katalog zur Ausstellung. Dennoch sei Christina von Stommeln in ihrer Religiösität und Spiritualität außergewöhnlich und vorbildhaft. Bislang lag der Fokus der Rezeptionsgeschichte vor allem auf Christina als der Leidenden, der Ausgestoßenen und später der durch Wunderheilungen Verehrten. Das Museum Zitadelle Jülich lenkt den Blick auf den Menschen, ihr Leben und soziales Umfeld, der sich durch die Lektüre des hervorragenden Katalogs kurzweilig vertiefen lässt.
Überraschend gut dokumentiert sind die Lebensumstände der Christina aus dem ländlichen Stommeln durch den Codex Iuliacensis. Diese Handschrift aus dem Bischöflichen Diözesanarchiv in Aachen beinhaltet den Briefwechsel der Christina mit dem schwedischen Dominikaner Petrus von Dacien. Als „besonderes Kleinod“, so Kurator Guido von Büren, ist es in der Ausstellung zu sehen.
Ein weitere „Hingucker“ ist die Gesichtskonstruktion der Christina. Erstmals seit 1897 wurden die Gebeine der Christina aus ihrem gläsernen Sarg genommen und im Rechtsmedizinischen Institut der Uni Köln untersucht. Eine besondere Herausforderung, erklärte Prof. Markus Rothschild, da man bei der Analyse ausgesprochen pietätvoll vorgehen musste. So wurde nach einer Computertomografie eine Spitzguss-Nachbildung des Schädels gefertigt. An diesem Modell gab Constanze Niess der Seligen nach 700 Jahren wieder ein Gesicht gab. Von Angesicht zu Angesicht können die Ausstellungsbesucher nun der Mystikerin gegenübertreten.
Wenig spektakulär, aber kulturhistorisch von größtem Interesse sind die „Grabbeigaben“, etwa die aufwändig bestickten Handschuhe. Sie dienten zur Aufbewahrung der eigentlichen Handschuhe der Christina. Allem voran ist aber das Diptychon im heutigen Taschenbuchformat von großem Interesse, das eine Kreuzigungsszene und eine Mariendarstellung zeigt und gleichzeitig als Reliquiar diente. Restaurator Börries Brakebusch hat hierzu einen detaillierten Aufsatz für den Katalog verfasst. Das Ergebnis seiner Arbeit ist in der Ausstellung zu sehen. Das Diptychon dürfte eines der frühesten Dokumente privater Gläubigkeit sein, ist Museumsleiter Marcell Perse überzeugt.
Lesen Sie hierzu den Beitrag von Guido von Büren
Die Ausstellung wird bis 13. Januar im Ostturm der Zitadelle Jülich gezeigt. www.juelich.de/museum