Unter einer Spolie versteht man ein älteres Bauteil, das in einem neuen Gebäude wiederverwendet wurde. Geht man mit offenen Augen durch Jülich, findet man immer wieder solche Überreste vergangener Zeiten, wobei sich diese nicht immer ursprünglich in einem Bauwerk befunden haben müssen. Das gilt beispielsweise für Spolien aus römischer Zeit, die sich in mittelalterlicher Architektur in Jülich wiederfinden.
Die unteren drei Geschosse des Turms der Propsteipfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt stammen aus der Zeit um 1150. Geht man zum Eingang links vom Turm, befindet sich etwa auf Augenhöhe rechts ein Stein aus römischer Zeit. Zu erkennen ist der obere Teil eines mit Früchten gefüllten Füllhorns. Damit dürfte es sich hier um einen Weihestein handeln, der vermutlich aus einem nahe gelegenen Matronenheiligtum stammt. Auch auf der zur Innenstadt zugewandten Seite des Hexenturms sind römische Spolien zu erkennen. Es handelt sich um Teile von Grabaufbauten eines ehemals sich hier befindlichen römischen Friedhofs.
Die Steine dürften jeweils bei den Fundamentierungsarbeiten zu Tage gekommen sein und wurden dann unmittelbar wiederverwendet. Das hatte wohl weniger eine symbolische Bedeutung, sondern war dem Natursteinmangel vor Ort geschuldet. Tiefe Einblicke in die römische Kultur in Jülich und der Euregio Maas-Rhein bietet aktuell die Ausstellung „Wer schreibt, der bleibt! Schrift und Schriftlichkeit zwischen Maas und Rhein in der Römerzeit“, die noch bis zum 1. September im Centre Charlemagne – Neues Stadtmuseum Aachen“ zu sehen ist. 2025 wird die Ausstellung im Museum Zitadelle Jülich gezeigt.