Start Magazin Geschichte/n In die Tiefe der Kommende einsteigen

In die Tiefe der Kommende einsteigen

Auf fast alles rund um das Herrenhaus und das Anwesen der Deutsch-Ordenskommende in Siersdorf bei Aldenhoven hat Guido von Büren die passenden Antworten und Fakten parat. Aber wie viele Stunden die Ehrenamtlichen seit 2012 zur Entschuttung der Räume vom Dach bis zum Keller eingesetzt haben, wieviel Material bewegt worden ist oder wie viele Steine zum Wiederaufbau geschleppt worden sind, da kann der Historker in seiner Funktion als Vorsitzender des Fördervereins nur mutmaßen und mit den Schultern zucken: „Unzählige…“

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Kommende Siersdorf. Fotos: Paul Wirtz
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Unglaublich, was hier in sechs Jahren ohne hauptamtliche Unterstützung geleistet worden ist: Neben den Bauarbeiten, die allsamstäglich ab 8 Uhr von den Mitglieder des Fördervereins Kommende Siersdorf mit Schutzhelm und Arbeitshandschuhen aufgenommen worden sind, halt es Konzepte zu schreiben und Bauunternehmen zu beauftragen, Fachfirmen zu engagieren und Fördermittel zu beantragen. Bund und Land NRW aber auch die Nordrhein-Westfalen-Stiftung sind an dem Projekt finanziell beteiligt. Derzeit hofft Guido von Büren, dass auch die letzte Summe noch bewilligt wird, mit der schließlich die Brücke instandgesetzt werden soll. „Das wichtigste, was wir geschafft haben?“, sinniert von Büren. „Es ist sicher, dass die Bausubstanz gerettet ist.“ Die Bestandssicherung sei zwar noch nicht vollständig abgeschlossen, aber gut vorangetrieben worden.

In diesem Jahr feiert der Förderverein die 800. Wiederkehr der Schenkung des Ensembles an die Deutsch-Ordensritter durch Graf Wilhelm III. von Jülich anlässlich der Belagerung der Stadt Damiette im Nildelta. Von der Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1219 haben sich zwei Ausfertigungen erhalten. Ein Exemplar befindet sich im NRW-Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf und ein zweites im Deutsch-Ordens-Zentralarchiv in Wien.

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Erst 1578 wurde unter Heinrich von Reuschenberg das Herrenhaus der Kommende im Stil der Renaissance neu errichtet. Von einzigartiger Bedeutung ist das Ensemble, weil es eine der ersten im deutschen Sprachgebiet erbauten Einflügelanlagen mit vier quadratischen Ecktürmen ist. Nachdem das Herrenhaus in den 1920er Jahren restauriert werden konnte, wurde es im November 1944 durch amerikanischen Artilleriebeschuss stark zerstört.

Das Ensemble gehört zum Erlebnisweg Via Belgica. Foto: Dorothée Schenk

Das historische Bauwerk beflügelt die Fantasie: Fünf Diplomanten hatten sich an der Fachhochschule Köln an der Fakultät für Architektur, Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege mit der Umnutzung des Herrenhauses der Deutschordens-Kommende beschäftigt. Von Hotel bis Rehaklinik für Kinder und Jugendliche oder Tagungsort reichten die Gedankenspiele. Klar ist: All das wird wegen mangelnder Finanzierbarkeit und wegen der stark in Mitleidenschaft gekommenenen Bausubstanz nie realisiert werden.

Was dem Fördervereinsvorsitzenden und seinen Mitstreitern vorschwebt, ist, das Gebäude für Besucher erlebbar zu machen. „Das ist eine gewaltige Aufgabe“, räumt von Büren ein und „es ist ein Weg, den der Förderverein nicht allein gehen kann.“ Die ersten Überlegungen sehen vor in der alten Schmiede und einem Teil der Scheune ein Besucherzentrum einzurichten, in dem Interessierte im Wortsinn und übertragenen Sinn „abgeholt“ werden. Ein Film könnte einen ersten Einstieg in die Geschichte des Baus bieten. Im Keller des Herrenhauses sieht von Büren ein Dokumentationszentrum, das ermöglicht in die Tiefe der Geschichte einzutauchen. Ohne Hauptamtliche wird diese Aufgabe nicht erfüllt werden können. Für die Umsetzung gilt es den Deckel eines neuen Fördertopfes anzuheben – und dafür muss das nächste Konzept geschrieben werden.

Im Mai kam hoher Besuch ins Haus: Der 66. Hochmeister des Ordens vom Deutschen Haus Sankt Mariens Jerusalem, Generalabt Frank Bayard kam zum Treffen der Wissenschaftlichen Vereinigung für den Deutschen Orden, Komturei „An Rhein und Ruhr“ nach Siersdorf, bei dem es öffentliche Vorträge zu hören gab und ein Hochamt in St. Johannes mit den Deutschordensrittern gefeiert wurde.

Wer es profaner mag kann bis September jeweils am letzten Sonntag des Monats – also am morgigen 28. Juli – um 11 Uhr an einer öffentliche Führung durch die Kommende teilnehmen. Ein Bild machen können sich Interessierte durch Fotograf Pit Siebig und seine Ausstellung „Die Deutschordens-Kommende Siersdorf im Fokus“, die bislang im Museum Zitadelle zu sehen war und nun bis 28. August im Aldenhovener Rathaus gezeigt wird. Rund um den Tag des offenen Denkmals, am 7. und 8. September, wird erstmals das Kommenden-Fest begangen. Dass auch das Fachpublikum interessiert ist, zeigt eine zweitägige wissenschaftliche Tagung in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Rheinland, die für das Frühjahr 2020 geplant ist.

Bis dahin gehen die Arbeiten weiter: Jüngst erhielt der Förderverein Kommende Siersdorf weitere Fördergelder zur Bestandssicherung durch den Bund und das Förderprogramm „National wertvolle Kulturdenkmäler“ sowie das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der denkmalpflegerischen Projektförderung. Hinzu kommen Mittel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der NRW-Stiftung. Mit den zu erwartenden 45.000 Euro kann vor allem die historische Brücke über dem Graben gesichert werden.

Ein kleiner Blick in die Veränderungen, die dem Förderverein Kommende Siersdorf gelungen sind. Der HERZOG dankt Paul Wirtz, der alles fotografisch festgehalten hat und der Redaktion zur Verfügung stellt.


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