Bemalte und auffällig gestaltete Teile der Berliner Mauer wurden in alle Welt verkauft, um die Kosten für ihren Abbruch zu refinanzieren. Ein Teilstück steht in Jülich an der Großen Rurstraße in Sichtweite des Ratssaals des Rathauses. Der Unternehmer Heinz-August Schüssler hatte es 1989 als Erinnerung an die Teilung Deutschlands, das Unrechtsregime und Verantwortung für eine gemeinsame demokratische Zukunft erworben.
Mit dem Tieflader ließ der Jülicher Bauunternehmer das tonnenschwere steinerne Dokument nach Jülich bringen, wo es erst einmal sicher auf privatem Boden sicher verwahrt wurde, ehe es zum Tag der Deutschen Einheit 2009 seine erste öffentliche Aufstellung fand: Auf dem Schlossplatz. Drei Segmente an der Ecke Kölnstraße/Schlossstraße sollten an den Mauerfall am 9. November vor 20 Jahren erinnern. Wie in der örtlichen Presse nachzulesen ist, war es erst einmal aus „Auftstellungsexperiment“ gedacht. Geschrieben hat Volker Uerlings wörtlich: „Auf Nachfrage teilte der Jülicher Beigeordnete Martin Schulz mit, dass es sich um ein ,Geschenk auf Zeit‘ eines Jülicher Bauunternehmens handelt, das in ein paar Wochen wieder verschwindet. Es sei denn, die Bürger finden Gefallen und wollen das Symbol des Kalten Krieges behalten.“
2010 schenkte der engagierte Jülicher und Ehrenringträger das Monument der Stadt Jülich.
Weniger für Auseinandersetzung mit der inhaltlichen Komponente der Teilung und Wiedervereinigung sorgte dieses Zeugnis deutscher Geschichte auf Jülicher Boden, denn für Diskussion um den Aufstellungsort: Von 2010 an beschäftigten sich die Ausschüsse nach diversen Anträgen mit der „Berliner Mauer“. Im November 2010 waren es die Junge Union und Seniorenunion, die einen besserem Standort und die Anbringung einer Hinweistafel forderten: „Das Teilstück der Berliner Mauer ist ein eindrucksvolles Zeugnis der deutschen Geschichte und sollte im Stadtbild besser zur Geltung kommen,“ schrieben Wolfgang Gunia und Marco Johnen. Ein halbes Jahr dauerte es, bis entschieden wurde, dass ein neuer Standort festgelegt werden sollte, „sobald das Konzept für die Gestaltung des Schlossplatzes vorliegt“. Auch ein Stück Geschichte.
Der Ausschuss für Kultur, Integration und Soziales diskutierte in seiner Septembersitzung 2011 verschiedene Aufstellungsorte: den Brückenkopf-Park, um das Mauerteilstück für Schüler und Schulklassen sichtbarer zu machen. Die damalige Parkchefin Dorothee Esser lehnte das mangels inhaltlicher Anbindung ab. Eine Aufstellung im Verlauf der ehemaligen B1 wurde wegen des historischen Kontextes vorgeschlagen. Zur Diskussion standen der Neusser Platz, Ecke Neusser Str./Römerstraße, die ehemalige Trinkhalle Schwanenteich und der Platz neben der Hofeinfahrt des Neuen Rathauses, die am Jahrestag der Zerstörung Jülich 2011 nach der Gedenkfeier bei einer Ortsbesichtigung mit Vertretern der Fraktionen in Augenschein genommen wurden.
Es sollte noch vier Jahre und einige Ausschusssitzungen dauern, bis das Mauersegment in Abstimmung mit dem Stifter Heinz-August Schüssler seinen heutigen Aufstellungsort am Fuße der Eleonorenbastion erreichte.
Im Jahr 30 des Mauerfalls bekam schließlich auf Initiative des Vereins „Unternehmer für Jülich“ das Jülicher Zeitzeugnis einen würdigen Rahmen: Nach Vorbild der Gedenkstätte am Grenzübergang Bernauer Straße in Berlin wurde der Ort gestaltet. Die Mauer, die Betonblöcke, die als Sitzgelegenheiten dienen, das Hinweisschild auf metallenen Fuß mit metallener Platte ist in dieser Gestaltung nachempfunden.
Bei der kleinen Einweihungsfeier betonte Bürgermeister Axel Fuchs die Bedeutung des Mauerstücks für Jülich, als Erinnerung „was wir uns als Menschen angetan haben“. Menschen hätten die Mauer überwinden wollen und wären bei dem Versuch zu Tode gekommen. Das müsse man sich bewusst machen. Die Sitzgelegenheiten böten die Möglichkeit, mit Blick auf die Mauer und einfach nachzudenken.