Start Magazin Geschichte/n Einführung in „Stolz geprägt“

Einführung in „Stolz geprägt“

von Kuratorin Susanne Richter

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Susanne Richter. Foto: Dorothée Schenk
Susanne Richter. Foto: Dorothée Schenk
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Münzen erzählen Geschichte. Ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Reise in das Mittelalter und Ihnen dabei unsere Blickpunktausstellung „StolzGeprägt“ vorstellen. Im Zentrum dieser Ausstellung stehen sechs mittelalterliche Münzen.

Münzen waren und sind Zahlungsmittel – sie sind aber noch viel mehr als das. Münzen können uns auch Geschichten erzählen: Über den zunehmenden Handel, der es nötig machte auch Münzen mit höherem Wert herzustellen. Über die Notwendigkeit, ein einheitliches Zahlungsmittel für größere Territorien zu erhalten, über Unruhen, die es nötig werden ließen, das Barvermögen zu verstecken, damit es nicht gestohlen wurde. Und nicht zuletzt: Über den Stolz eines Herrschers, einen neuen Titel erhalten zu haben und dies gleich mit der Prägung einer neuen Münze für alle Welt sichtbar zu machen.

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Die erste Münze, die ich Ihnen vorstellen möchte ist ein sogenanntes „Köpfchen“ mit dem Wert eines Pfennigs. Graf Gerhard V. von Jülich (1297–1328) ließ sie prägen, obwohl er eigentlich noch kein verbrieftes Recht besaß, eigene Münzen herzustellen. Das ursprünglich ausschließlich dem König vorbehaltene Münzrecht ging im Laufe des 13. Jahrhunderts weitgehend an die Landesherren über. Das ausgestellte „Köpfchen“ ist somit die erste gesicherte Münze aus dem späteren Herzogtum Jülich: Mit dieser Münze beginnt die Geschichte des Jülicher Münzwesens.
Die nächste Münze ist Chronist eines wichtigen Münzvertrages: Am 6. November 1348 schloss Balduin von Luxemburg in seiner Eigenschaft als Erzbischof von Trier mit dem Kölner Erzbischof Walram von Jülich und dessen Bruder, dem Markgrafen Wilhelm V. (dem späteren Herzog) von Jülich, einen Landfrieden auf fünf Jahre. Der Vertrag enthielt zum ersten Mal in der rheinischen Münzgeschichte eine territoriale Münzvereinbarung. Der ausgestellte „Adlergroschen“ ist eine der wenigen erhaltenen Münzen aus diesem Münzvertrag. Er sah vor, dass für einen Zeitraum von fünf Jahren Gold- und Silbermünzen einen einheitlichen Wert haben sollten. Zur Identifizierung wurden alle Münzen mit einem Adler als Reichszeichen versehen – daher der Name „Adlergroschen“.
Der Bedarf an Münzen mit höherem Wert führte zunächst in Frankreich 1266 zur Schaffung des sogenannten „Turnosgroschens“, des Zwölffachen eines Pfennigs, der dort seit den Karolingern als einzige Münze den Geldverkehr bestimmt hatte. Zur Zeit der Erhebung Jülichs zum Herzogtum waren die Turnosen für die Zahlung hoher Beträge schon fast vollständig durch Goldmünzen verdrängt worden. Nach 1360 wurde der Turnosgroschen von Herzog Wilhelm II. von Jülich dann wieder geprägt und blieb bis in das 16. Jahrhundert hinein Zahlungsmittel. Ein Exemplar dieses Jülicher Turnosgroschens sehen Sie in der Ausstellung.

Die Vielfalt der umlaufenden Münzsorten des 14. Jahrhunderts und der häufig unterschiedliche Wert von Münzen gleichen Namens erschwerte den Zahlungsverkehr und damit die gesamte Wirtschaft. Um dem entgegen zu wirken, schlossen sich die vier rheinischen Kurfürsten, das waren die Erzbischöfe Adolf von Mainz, Kuno von Trier und Friedrich von Köln sowie Pfalzgraf Ruprecht, 1385 zum sogenannten Kurrheinischen Münzverein zusammen. Sie beschlossen die Prägung gemeinschaftlicher Gold- und Silbermünzen, nämlich Goldgulden, Weißpfennigen und deren Teilstücken. Die Vereinbarung sorgte für stabiles Geld im Vertragsgebiet und hatte bis in das 16. Jahrhundert Bestand. Am 2. Dezember 1417 trat Jülich unter Herzog Rainald I. dem Vertrag bei und begann sogleich mit der Prägung von Silbermünzen, wie dieser hochseltene Weißpfennig aus der Münzstätte Jülich zeigt.

Zwei der ausgestellten Münzen stammen aus einem spätmittelalterlichen Münzschatz, den man 1953 bei Ausschachtungsarbeiten in der Grünstraße barg. Leider wurde die darin enthaltene Goldmünze eingeschmolzen, die anderen wertvollen Silbermünzen verkauft und der Fundkomplex damit auseinandergerissen. Insgesamt fand man mindestens 139 Münzen verschiedenster Herkunft, alle aus dem 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, darunter zahlreiche dünne, hohl geprägte Heller, die z.T. zerbrochen waren, sozusagen das Kleingeld… Diese Heller erhielt das Museum bereits 1953. Zwei der bedeutendsten Münzen aus diesem Schatzfund konnte das Museum in den letzten Jahren aus dem Münzhandel erwerben:

Die eine ist ein sogenannter „Dreikönigsgroschen“, benannt nach den auf der Vorderseite dargestellten Heiligen drei Königen, die dem Stern von Bethlehem folgen. Diese Münze wurde vermutlich zur Erhebung Wilhelms V. von Jülich in den Markgrafenstand 1336 geprägt. Sie zählt zu einem der schönsten Beispiele rheinischer Groschenprägung und zu den bildreichsten des Spätmittelalters.
Die zweite vom Museum erworbene Münze aus diesem Schatzfund ist der eben vorgestellte Adlergroschen. Da diese Münze zwischen 1348 und 1356 entstanden ist und die jüngste Münze aus dem Schatzfund darstellt, kann der Schatz frühestens 1348 versteckt worden sein. Dieses Datum führt uns auf die Spur des möglichen Besitzer des Schatzes:

Im Bereich des Fundortes Grünstraße 21–27 befand sich zwischen 1350 und 1461 auch die Synagoge der Stadt. Denkbar wäre daher, dass es sich um das Versteck eines jüdischen Fernhändlers handelt, da der Fund sehr überregional zusammengesetzt ist. Möglicherweise war er den Pestpogromen zum Opfer gefallen, die von 1348 bis 1350 im Rheinland wüteten, und konnte seinen Schatz nicht mehr bergen. So ist dieser Münzschatz ein Zeugnis für die Unruhen um die Mitte des 14. Jahrhunderts.

Die letzte Münze der Blickpunktausstellung die ich Ihnen vorstellen möchte führt uns zum Titel StolzGeprägt zurück: Ende 1356 wurde Markgraf Wilhelm V. von Jülich von Kaiser Karl IV. auf dem Reichstag zu Metz in den Herzogsstand erhoben. Diese Tatsache fand auch in der Jülicher Münzprägung in beeindruckender Weise ihren Niederschlag. Wahrscheinlich schon Anfang 1357 ließ Wilhelm – nun der I. – in Jülich neue Münzen schlagen, auf denen er als älterer Mann mit üppigem Bart zu sehen ist – ganz entgegen der Mode der Zeit, die ein glatt rasiertes Gesicht voschrieb. Es ist wahrscheinlich, dass die Darstellung Wilhelm zumindest ähnlich ist. Damit wäre diese Münze vermutlich das persönlichste Zeugnis, das von diesem außergewöhnlichen Herrscher erhalten geblieben ist.

Sechs Münzen haben uns einiges über den Handel, über Münzverträge und Unruhen berichtet. Zugleich sind sie aber auch Zeugnis über den Aufstieg der Jülicher Grafen (Gerhard V.) zu Markgrafen und Herzögen von Jülich (Wilhelm V./I., Wilhelm II. und Rainald I.).

Lesen Sie hierzu: Geschichte mit viel „Köpfchen“


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