Mit Spateln, Maurerkellen und manchmal auch feinem Pinsel werden derzeit die sterblichen Überreste mittelalterlicher Jülicher freigelegt. „Das ist ein Finger, dort ist die Wirbelsäule und hier müsste der Schädel sein,“ erläutert ein Techniker. Gut zu erkennen ist somit die Ausrichtung der Toten: Der Kopf liegt im Westen, so dass der Verstorbene in Richtung Osten blicken konnte. So sind die meisten der in vielen Jahrhunderten rund um die Kirche beerdigten Toten zur letzten Ruhe gebettet worden.
Ablesen lässt sich außerdem, dass in dem Areal rund um den Marienbrunnen die eher „weniger Wohlhabenden“ bestattet wurden, erklärt Archäologin und Grabungstechnikerin Toni Kunkel. Särge gibt es hier nämlich keine. Das verraten die nicht vorhandenen Sargnägel. Vermutlich wurde auch das „recht junge Individuum“, dessen Knochen Kunkel gerade vorsichtig freilegt, in seiner „Sonntagskleidung und in ein Tuch gewickelt“ beigesetzt. Auch Hinweise auf Grabsteine oder zumindest hölzerne Kreuze lassen sich nicht finden, berichtet Husmann.
Jahrhunderte, vermutlich sogar ein ganzes Jahrtausend lang, sind in dem Gräberfeld an der heutigen Propsteikirche Jülicherinnen und Jülicher begraben worden. 1784 wurde der Friedhof aufgelöst, soviel ist bekannt, erzählt Horst Husmann. Die Auflösung dürfte aus hygienischen Gründen erfolgt sein. Denn die Toten liegen recht nahe unter der Oberfläche, eine Geruchsbelästigung ist wahrscheinlich. Für die heutigen Grabungen ist das eher ein Glücksfall, denn tiefes „Buddeln“ ist nicht nötig. Schon ein neu ausgehobener Graben für Versorgungsleitungen ermöglicht schnell einen interessanten Einblick in Jülicher Geschichte. Denn, und das betont der Archäologe: „Wir begleiten die Bauarbeiten, wir bergen und inventarisieren.“ Aufgehalten wird die Baustelle durch die Grabungen nicht, vielmehr läuft beides parallel. Dort, wo gerade nicht gebaut oder bauvorbereitende Maßnahmen ergriffen werden, kann das Grabungsteam arbeiten. Je nach Erhaltungszustand eines Fundes, in diesem Fall sind das vor allem menschliche Knochen, dauert es rund einen Tag bis ein Fund geborgen werden kann.

In einem solchen historischen Zentrum, wie Jülich es ist, graben zu können, sei aufschlussreich und sehr wichtig, so Husmann. Und weiter: „Wir kratzen immer nur an der Oberfläche, aber wir haben schon vieles gefunden.“ Zu den vielen Funden gehören beispielsweise mittelalterliche Bauten aus „vor-pasqualinischer“ Zeit und immer wieder auch römische Fragmente. So konnten die Archäologen in der Vergangenheit beispielsweise den bis dato angenommenen Verlauf der römischen Kastellmauer korrigieren.
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