„En unserem Veedel“ – dieser Song ging tief rein in die Gemüter des Partyvolks gestern beim Zweiten Jülicher Schüttelfest am Kulturbahnhof Jülich (Kuba) – und brachte die Menge beim Schunkeln sofort auf gleiche Wellenlänge. Mit dem Klassiker der Bläck Fööss schaffte es Jasmin Bolz aus Gevenich im Karaoke Wettbewerb dann auch verdient zur diesjährigen „Schüttel-Königin“, gekrönt vom Tom Beys, alias „Der Präsident“, der durch den Abend moderierte.
Musikalisch war das Publikum da schon sehr gut eingestimmt, denn unter anderem „Kempes Feinest“ – mit dem Power Paket Nicole Kempermann als Frontfrau – hatte allen musikalisch schon richtig eingeheizt. Falls das überhaupt noch möglich war, denn bei über 30 Grad im Schatten hatten die Jülicher „Herzog“-Wetter und das Außengelände des Kuba kochte. So mancher schaffte es dennoch mitzuschwingen. Mit Jo Eicker hatte Kempest Feinest eine neue Gitarristin an Bord. Diese habe beim Anblick der Jubelnden gleich Gänsehaut bekommen, meinte „Nicki“ Kempermann. Jülich sei immer „mega schön“. Die Sympathie war eindeutig beidseitig und „Der Präsident“ verhandelte gleich über einen Konzerttermin: „Nicki, du bist eine Rampensau“, brachte er es auf den Punkt. Kempes Feinest kam einfach super an. „Nikki“ Kempermann, die mit ihrer Truppe mittlerweile zur Profi-Liga gehört, steht in karnevalistischer Familientradition. Schon der Vater hatte Karnevalsmusik gemacht und unterstützt ihre Karriere, die natürlich, wie bei allen Profi Künstlern, während Corona unter den Bedingungen zu leiden hatte.
Dass so viele Kräfte in Jülich wieder dabei waren, ist alles andere als selbstverständlich: „Wir sind stolz, dass wir das nochmal so machen konnten, der Cornel Cremer und ich“, verriet gestern Beys schon zu vorgerückter Stunde. Nach zweijähriger Corona-Pause sei das keine Selbstverständlichkeit. „Das war ja alles schon vor zwei Jahren geplant und dann kam ,die Fledermaus‘ dazwischen“, sagte der Präsident zur Eröffnung der Veranstaltung locker zum Publikum. Aber damit die die Stimmung der Jülicher wieder so ausgelassen sein konnte, hatten die Organisatoren, Beys und der Kuba Geschäftsführer Cremer mit seinem Team, viel geleistet. Der besondere Eröffnungsdank vom „Präsidenten“ und Moderator des gestrigen Abends ging an DJ Markus und die Technik, die wieder Daniel von Büren klar gemacht hatte.
Ganz besonders strahlende Gesichter gab es bei den Gästen des „Stammhaus“, einer Einrichtung des betreuten Wohnens aus Jülich. „Wir konnten so lange nicht raus und jetzt geht das wieder“, freut sich Leiterin Gaby Stobbe und strahlt auch, beim Anblick der puren Lebensfreude ihrer Schützlinge. Zwischen 400 und 500 Tickets waren verkauft worden, aber es waren einige wohl wegen der Hitze ferngeblieben, schätzt Kuba Vorstandsmitglied Fatima Abdellaoui. Aber der harte Kern des Partyvolks ließ sich davon nicht abhalten, auch bei Hitze heiß zu tanzen.
Nachdem die ersten Gruppen – „Stadtrand“, gefolgt von der geballten Frauenpower „Colour“ – karnevalistisch eingestimmt hatten, hielt es spätestens ab „Kempes Feinest“ viele nicht mehr von der Tanzfläche fern. Dabei erwies sich das weibliche Publikum als eindeutig tanzfreudiger, während sich viele Herren lieber beim Kaltgetränk am Programm erfreuten. Aber ohne Flüssigkeit war das Ganze auch nicht auszuhalten. Ben Randerath schlug zwischendurch dann ruhigere Töne an und führte das Publikum zurück in die Musikwelt der 90er Jahre – eine Atempause.
Mit der Band Planschemalöör gab es dann einen weiteren Höhepunkt und die Partywelle schwappte über: Die Band, die sich selbst „Bodyband“ nennt, setzte mit dem „Kölsche Surf Pop“ den ganzen Körper zur Motivation ein. Das klappte in Jülich wie geschmiert. Denn hier lauerten die Karnevalisten schon darauf, endlich wieder loszulegen. Darunter auch die „Fidelen Sternchen“ aus Koslar, die im schwarzen Shirt für mega Stimmung sorgten. Maria Wilhem war auch beim ersten Schüttefest dabei gewesen und erinnert sich, dass es da noch ausgelassener zugegangen war. Die Zeit zu Hause hatte allen zugesetzt. Aber es war gestern die Gelegenheit, wieder Pläne zu schmieden und die nächste Karnevals-Session zu planen. Wenn das gestern kein Auftakt gewesen ist, sich wieder einzuschwingen – oder einzuschütteln.
Planschemalöör hatte vor vier Jahren als Support-Band von Cat Ballou performt. Nun standen sie als eigenständiger Act auf der Bühne und verbreiteten den karnevalistischen Toleranz – Gedanken, der auch in Köln den Karneval prägt. Der Sänger Juri – nicht schwarz nicht weiß – wie er sich selbst beschreibt, war hier die perfekte Symbolfigur. Das kam gut an in Jülich. Das zeigt auch, dass es trotz Corona auch Nachwuchskräfte schaffen, kölsche Musik-Traditionen fortführen. Das Jülicher Schüttelfest mit seinem ulkigen Schüttel-Kult wird hoffentlich bald auch zu einer weiteren Institution, denn hier kommen Menschen zusammen, die den Karneval hochhalten und fortbestehen lassen, und damit auch den Künstlern ihre Bühne geben.
Fotos: Volker Goebels