Höhere Kosten, steigende Fallzahlen und steigende Anforderungen an die Arbeit des Jugendamtes: Die Jugendamtsumlage des Kreises Düren steigt 2024 um rund 17 Millionen Euro. Mussten die Kommunen des Kreises – mit Ausnahme der Stadt Düren, die über ein eigenes Amt verfügt – 2023 noch 101 Millionen Euro für die Arbeit des Jugendamtes an den Kreis überweisen, werden es 2024 118 Millionen Euro sein. Für das Jahr 2025 geht die Verwaltung sogar von 122 Millionen Euro aus.
Zu den Aufgaben des Jugendamtes gehört es beispielsweise, dass Kinder und Jugendliche im Kreisgebiet nach individuellen Bedürfnissen betreut werden, dass ihnen Freizeitangebot unterbreitet werden und dass Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern Hilfe bekommen, wenn es in den Familien Probleme gibt. Dabei setzt das Amt wenn möglich auf vorbeugende, familienunterstützende Angebote, die dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für Familien zu schaffen. Ziel ist immer eine Unterstützung und Stärkung der Familien.
Gerade in diesem Bereich der sogenannten „Hilfen zur Erziehung“ sind die Fallzahlen in den vergangenen Jahren „dramatisch gestiegen“, berichtete Landrat Wolfgang Spelthahn. „Die Aussage, der ländliche Raum hat weniger Probleme als die Ballungszentren, stimmt nicht mehr“, sagte Spelthahn. Die Fallzahlen kletterten von 2020 bis 2022 um 15,1 Prozent, die Kosten stiegen in diesem Bereich um 33 Prozent. Tendenz steigend. „Wir erleben dramatische Entwicklungen in der Unterbringung von Kindern“, fuhr Spelthahn fort. Um die Kinder zu schützen, müsste das Jugendamt viel öfter eingreifen, um in Notfällen Kinder aus Familien und prekären Verhältnissen herauszuholen – die damit oft verbundene Unterbringung und Betreuung in Pflegeeinrichtungen mache sich ebenfalls mit deutlich steigenden Ausgaben bemerkbar. Hinzu kämen die hohe Inflation und die daraus in fast allen Bereichen resultierenden Kostensteigerungen sowie Tariferhöhungen in Höhe von rund zehn Prozent.
„Bundesweit steigen die Zahlen, wir erleben überall mehr Fälle von Kindeswohlgefährdung“, ordnete der Landrat den deutlichen Anstieg ein. Zugleich sei die erhöhte Sensibilität und Wachsamkeit aber auch ein Erfolg der Kampagne „Gut aufwachsen im Kreis Düren“. Schulungen im Bereich der Prävention führten dazu, dass besser darauf geachtet werde, wie mit Kindern umgegangen wird. „Wir werden als Jugendamt nicht in einer gewissen Lässigkeit agieren können, um Kosten zu sparen. Aus gutem Grund ist die Angst, dass etwas passiert und Kinder Schaden erleiden groß“, unterstrich Spelthahn, dass es keine Kürzungen auf Kosten der seelischen und körperlichen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geben könne.
Ein weiterer Kostenfaktor ist der steigende Bedarf an Kita-Plätzen im Kreis Düren. „Vor sieben Jahren dachten alle Experten, eine Betreuungsquote von 35 Prozent wäre ausreichend. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus, wir gehen mittlerweile von 60 Prozent und mehr aus“, sagte Spelthahn, der betonte: „Wir werden nicht aufhören, weitere Kitas zu bauen“. Mit Blick auf fehlende Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt sieht er gerade in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch „ein großes Potenzial brachliegen“. Als familienfreundlicher Kreis Düren müsse es ganz vorne stehen, mehr Menschen die Teilhabe am Berufsleben ermöglichen und Familien gute Betreuungsmöglichkeiten zu unterbreiten. Ebenso müsse die Schulsozialarbeit ausgebaut werden.
„Wir versuchen immer, die Funktionalität der Familien zu erhalten, Eltern zu stärken und zu unterstützen“, erklärte Dezernentin Elke Ricken-Melchert die Vorgehensweise des Jugendamtes. Doch immer häufiger stoßen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sozialpädagogischen Familienhilfe an ihre Grenzen. Ist das Wohl der Kinder gefährdet, gebe es keine Alternative zur deutlich teureren Herausnahme der Kinder. „Wir erleben zunehmend Kinder, die völlig haltlos sind, die keine Bindungserfahrung zu ihren Eltern haben, die brutalste Gewalt erfahren haben. Manche Kinder sind derart auffällig, dass sie nicht mehr in normalen Pflegefamilien aufgenommen werden können“, schildert Elke Ricken-Melchert die tägliche Arbeit. Ursachen seien in Armut, Arbeitslosigkeit, Überforderung, Drogenkonsum, Desinteresse und einem fortschreitenden Verlust elterlicher Kompetenzen zu suchen. Trauriger Fakt: Immer mehr Eltern sind ohne Unterstützung offenbar nicht in der Lage, ihre Kinder adäquat erziehen zu können. Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen stieg zuletzt auf 900, 32 Prozent mehr als noch im Jahr 2022. Ein Drittel davon waren massive Gefährdungen.
„Wir verweigern keine Debatte um sinnvolle Kürzungsvorschläge“, betonte Landrat Wolfgang Spelthahn. Aber angesichts der steigenden Aufgaben und Fallzahlen sehe er kaum Möglichkeiten. Das Jugendamt des Kreises Düren habe mit angemessenem Aufwand sehr vieles bewegt. Die Gemeindeprüfanstalt habe dem Kreis Düren attestiert, dass jeder einzelne Fall im Durschnitt kostengünstiger gemanagt wurde als in vergleichbaren Kommunen, betonte er. „Wir tun im Finanzcontrolling, was wir können. Wo Management gefragt ist, schneiden wir gut ab“, fügte Kämmerer Dirk Hürtgen hinzu.
Von der Reaktivierung einer vermeintlichen Einnahmequelle riet Landrat Wolfgang Spelthahn direkt ab: „Ich halte die Einführung der Beitragsfreiheit für Kitas für eine der größten Errungenschaften“, machte er kein Geheimnis daraus, dass er die Forderungen nach einer Wiedereinführung von Kita-Gebühren nicht unterstützt. Nicht nur angesichts einer zu erwartenden „schwierigen Debatte“ über die Staffelung der Gebühren sei der Nutzen nicht allzu groß. Spelthahn rechnet mit möglichen Einnahmen in Höhe von 2,5 Millionen Euro pro Jahr, abzüglich der Personalkosten für neu einzustellende Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter und weiterer Aufwendungen. „Mit Netto-Mehreinnahmen in Höhe von 1,7 Millionen Euro haben wir nicht ansatzweise das Problem gelöst, stellen aber viele Eltern vor die qualvolle Frage, wie viele Stunden Betreuung sie sich leisten können.“ Ziel müsse es idealerweise sein, kostenlose Kitaplätze im gesamten Land zu ermöglichen, um Kinder bestmöglich betreuen und Familien entlasten zu können.