Wenn wir Menschen ein Schiff betreten, dann lässt das jeden von uns nicht kalt. Ein Schiff gehört aufs Wasser. Doch auf dem Wasser steht es niemals still. Wenn wir ein Schiff betreten, ob Sie oder ich, weckt das in uns Gefühle: ob Sehnsüchte, Ängste, Freiheits- oder Ohnmachtsgefühle. Sie, da hinten, nein Sie, ja, ja, Sie, genau, wovon träumen Sie, wenn Sie ein Schiff betreten? Wollen Sie auf ein Schiff gehen, das kein Ruder hat? Welchem Kapitän vertrauen Sie sich an? Welche Gewässer würden Sie niemals befahren?
Stellen Sie sich mal vor: Ihr Schiff steuert auf eine Brandung zu. Was macht das mit Ihren, (mit unseren) Sinnen? Fühlen wir uns nicht alle manchmal wie auf einem solchen Schiff? Und dann? Haben wir nicht alle Angst vor der Kraft der Brandung, vor fremden Gewässern, vor fremden Passagieren? Dann kommen da diese Hilfe suchenden Fragen… Wo ist der Hafen, der Raum lässt, für mich und meine Freiheit? Wir alle kennen diese Ängste vor dem wankenden Meer, vor dem sinkenden, manövrierunfähigen, den Wellen ausgesetzten Schiff? Diese Angst kann uns krank machen…
Die Hände, sie zittern beim ohnmächtigen Schlag gegen die Wand; die Ohren, sie dröhnen von den Sirenen der Angst;
die Augen, sie sind geblendet von der Panik, im Schiffbruch zu enden; der Mund, er erstickt im Orkan der sozialen Entfremdung.
Aber seien wir doch mal ganz ehrlich: Was sind das überhaupt für Klippen, was sind das für Felsen, vor denen wir uns fürchten?…
Wir Menschen sind unzählige, so viele, so unterschiedlich, so anders, so einzigartig, auf diesem blauen Planeten. Und unsere Vielfalt: sie macht uns manchmal Angst. Diese Vielfalt: sie erscheint uns oft als Bedrohung, wie eine Brandung, vor allem, wenn man das Gefühl hat, am Rande des Lebens zu stehen, wo unreflektiert Hass entstehen kann, der zugleich das innere Kind erstickt. Und diese Brandung, die vielleicht gar nicht real existiert, aber an die wir glauben, verblendet unsere Sinne. Sie sehen nur Angst, nur noch Hass, weil sie nur das sehen, was sie sehen wollen, sehen das Wasser links und rechts bis zum Halse stehen, obwohl rechts und links Wüsten sind. Und dann die Panik: Es rette sich, wer kann! Wer verliert, der verliert: hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, egal ob mit Vernunft oder ohne. Hauptsache, ich habe eine Waffe, die mir Kraft gibt.
Wo ist meine Rettungsweste, die nur mir gehört? Meine Sinne sind fixiert, verblendet, sinn- entleert. Immer diese Wellen von Ebbe und Flut, ob real oder imaginär, die Tag und Nacht an mir nagen; sie brechen meine Zuversicht, sie brechen meine Sinneskraft.
Unsere Seenot, sie führt zu Atemnot. Furcht und Feindlichkeit machen uns krank. Unsere Augen werden blind für die Würde des Anderen,
die Ohren taub für die Freiheit,
die Hände werden unfähig für Versöhnung,
der Mund wird voll von Hass.
Aber ist das unser Schiff, auf dem wir fahren wollen, wenn Angst und Hass wie Ratten das Kommando übernehmen, wenn das Ruder, wenn Vernunft und Weitblick verstört sind? Wenn Lügen und Fake-News unsere Ohren, unseren Augen, unseren Glauben und unsere Wahrheit betrügen? Solche Ängste und Lügen haben mit Wahrheit nichts zu tun.
Wir schreien: „Unser Schiff ist das stärkste!“, doch wie schnell kentert dabei das „Ich“? Doch braucht nicht ein jeder von uns ein Ich und ein Wir? Ein Ich in Würde und ein Wir in Toleranz? Denn ein Ich ohne Farbe ist nicht erkennbar — in diesem Schiff geht man unter, in diesem Schiff kentert die Würde im Sekundentakt.
Hass ist nicht Vielfalt, denn Vielfalt kennt Wahrheit. Wahrheit will wahr sein und tragen; die Echtheit, sie ist ein Geschenk. Vielfalt kennt Farben, wo jeder eine Farbe ist.
Wer verbietet uns, dass unsere Sinne weit sind, wer verbietet uns, zu spüren, dass ein Schiff trägt, dass wir in Vielfalt über das Meer des Lebens fahren dürfen? Es braucht dieses Schiff voll Freiheit und Wahrheit, es braucht eine Mannschaft, es braucht uns, die der Würde Halt geben, nicht irgendwie, nicht irgendwo, sondern jetzt und hier. Wer hindert uns daran, ein solches Schiff zu bauen und darauf zu fahren?
Das Meer scheint oft grenzenlos und ist doch irgendwo endlich… Ankerplätze müssen gesucht, und Brandungen können umfahren werden: wir können die Gezeiten lesen und den Horizont weiten. Jedes Schiff braucht einen sicheren Hafen, braucht eine Heimat, um Kraft zu tanken, wieder aufzubrechen. Denn Häfen können Brücken sein, zwischen Menschen, zwischen Kulturen, zwischen Erdteilen. Ein Hafen, er strahlt dann, wenn viele Schiffe in vielen Farben, in Vielfalt zu ihm fahren. Denn wenn alle Schiffe nur noch unter einer Flagge fahren dürften, dann wäre sie nicht nur monoton, sondern eine Kriegsflagge, die alles unterdrückt.
Wenn in unseren Herzen die Kriegsschiffe weniger werden,
ist mehr Platz für Toleranz, für Freiheit, für Solidarität, wo die Farbe eines jeden geachtet und beachtet wird.
Toleranz findet ihren Raum,
wenn unsere Augen nach Frieden Ausschau halten, …
wenn unsere Ohren für Wahrheit offen sind, …
wenn unsere Hände neue Brücken schlagen, …
wenn unsere Sprache die Herzen verbindet.
Maja Blümer:
Denn Toleranz kennt kein Schwarz-weiß-Denken.
Leon Schall:
Toleranz kennt kein mehr- und minder-wertiges Leben.
David Eckey:
Toleranz liebt das Leben.
Felix Offermanns:
Toleranz sucht die Freude, das Gemeinsame.
Das Intro der Ode an die Freude erklingt auf der E-Gitarre.
Wenn die Kesselpauken nach dem Intro einsetzen, werden die Holi-Farben in die Luft geschmissen: Zuerst die Sinnestanzenden in den Farben ihrer Shirts, dann auch alle anderen Friedensbot*innen.
Nach dem Ende des Farbfestivals: Stille… Alle, die bunt sind, nehmen sich nebeneinander an den Händen.