Der Heiligabend ist ein Fest, das man abschaffen sollte.
Sagen manche.
Richtig wütend sagen sie das: Heiligabend ist furchtbar!
An diesem Fest der Familie, wo man sich gegenseitig beglückt, da kommen Erinnerungen und Gefühle, die man gar nicht haben will – die man auch gar nicht brauchen kann! Weil sie einen richtig runterziehen können.
Doch da ist keine Chance dem zu entgehen. Angestoßen wird es „allüberall“ — durch Musik, durch Lichterketten in den Straßen, Gerüche von Glühwein und Kräuterbonbons, Werbung im Fernsehen, und in den Schaufenstern, Aktionstische im Supermarkt, Spendenaufrufe im Briefkasten oder mit der Sammelbüchse in der Hand, vom Weihnachtsmann persönlich vor die Nase gehalten, und die ständigen guten Wünsche und die ganz sicher lieb gemeinte Frage:
„Und? Was machst du so an Weihnachten?“
Ja was mache ich an Weihnachten? Was mache ich bloß mit Weihnachten, das so unvermeidlich ist,
wie … der Besuch beim Zahnarzt. Da denkt man an früher, an liebe Menschen, die man verloren hat. an Heimat, die weit weg ist … Kindheitserinnerungen, die im Nachhinein noch mal zusätzlich verklärt sind. Damals, ach ja, damals …!!!
Wer sehnt sich nicht ab und zu zurück, nach einer Geborgenheit, die mal war, und die immer besser abschneidet, warum auch immer!, als die Gegenwart, an der man meistens etwas auszusetzen hat. Damals… hach.
Und wenn man dann mit all dem langen Schatten der Vergangenheit, das Fest heutzutage feiert, im Rahmen der Restfamilie, oder der Patchwork-Familie, oder wie auch immer, dann ist es – seien wir ehrlich – oft genug ein etwas krampfiger, weil von hohen Erwartungen belasteter Abend unter dem Weihnachtsbaum.
Familie wandelt sich, und auch die Vorstellungen davon, wie man zu feiern hat, was es zu essen gibt, ob man zur Kirche geht, wer alles ab wann und wie lange dabei zu sein hat. Und Geschenke? sind immer ein Problem. Lieber man schenkt sich nichts.
Und Worte? – die spart man sich am besten auch. Die klingen an diesem Abend nämlich nach reiner Höflichkeit, oder nach Vorwurf – alles, was man sagt, kann nur falsch sein, unangebracht, denn man befindet sich in einem Zimmer voller Fettnäpfchen, in die man automatisch tritt, sobald man sich bewegt – schöne Bescherung!
Heiligabend ist furchtbar – ich denke wir sind uns einig, ich könnte noch weitere Argumente sammeln, um das zu belegen – aber das erspare ich uns jetzt.
Nachdem ich nun die Notlage hinreichend beschrieben habe, in die uns dieses Fest jährlich bringt,
komme ich nun zu dem Erfreulichen – Es gibt Hilfe. Seit vielen Jahrzehnten schon.
Eine Notwendigkeit. Gar nicht mehr wegzudenken aus Jülich. Eine Hilfe, die in immer stärkerem Maß in Anspruch genommen wird. Daher komme ich zu der Ehre heute ein paar Worte sagen zu dürfen.
Denn von der Christina-Stube seid ihr vor wenigen Jahren umgezogen Ins etwas geräumigere Bonhoeffer-Haus und wir sind froh, nun diese Aktion mit unseren Räumlichkeiten unterstützen zu können.
Und nun mal ganz im Ernst gesprochen …Ich weiß nicht wie vielen Menschen, Sie vielleicht schon das Leben gerettet haben mit dieser Einsatz am Heiligabend.
Von meiner Zeit als Gefängnisseelsorger weiß ich, dass der Heiligabend selbst die härtesten Jungs dort weichkocht. Die Vollzugsbeamten sagten mir, dass die Zahl derer, die sich etwas antun, an diesem Tag besonders hoch ist. Die Zelle ist an diesem Abend wohl unerträglich eng, und die Sehnsucht nach Familie, Geborgenheit wird zur Qual.
Heiligabend für Alleinstehende.
Als Student habe ich auf einmal zu einem solchen Abend hingefunden, das war in Bonn vor 30 Jahren. Die Tische waren gedeckt, es gab zu Essen, auch Musik wurde gemacht. Und neben mir saß eine Frau mit einem Kind, das erst wenige Monate alt war. Als sie sich Essen holen wollte, bat sie mich, das Kind einen Augenblick zu halten. Ich war völlig überrascht über das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte, ohne mich zu kennen. Und da saß ich nun am Heiligabend, eigentlich ziemlich einsam, aber jetzt mit dem Christkind persönlich, das ich auf Händen trug.
Ich bin seither nicht mehr zu so einem Fest als Teilnehmer gegangen, doch ich ahne, was Sie als Aktive für unvergessliche Erfahrungen gemacht haben in den vergangenen Jahren.
Es ist eine durchaus angemessene Art, diesen etwas kniffligen Abend zu verbringen.
Und ich meine: Der Heiligabend wird zu einem Heiligabend. Ich bin sicher, niemand geht wohl nach diesem Abend nach Hause und fragt sich, was das wohl sollte. Nein. Jeder versteht es. Die Botschaft kommt an.
Was sich nicht so deutlich rüberkommt bei den vielen Worten, die ich an diesem Abend in der Kirche von mir gebe.
Die Botschaft kommt an:
Du bist nicht allein.
Du sollst satt werden und dich freuen.
Und du sollst wieder Hoffnung haben,
für dein Leben.
Die Jülicher Klippe. Eine Notwährung aus Silber.
Als Symbol, dass ihr Engagement eine stabile Währung ist, die Not wenden kann. Und notwendig ist.
Eine Kleinigkeit möchte ich Ihnen noch erzählen.
Ich habe hier etwas ähnliches in meinem Portemonnaie. Eine Art rechteckige Münze, die silbern glänzt, und darauf steht Hope, also Hoffnung.
Die habe ich bei mir, als Erinnerung daran, was die wichtigste Währung ist. Neulich lag sie bei mir auf dem Sofatisch. Und als ich die Chipskrümel vom Filmabend mit dem Staubsauer beseitigte,
saugte ich aus Versehen auch diese Münze mit ein.
Ich hab es mir nicht ausgedacht, es war so.
Ich habe mir meine Hoffnung weggesaugt. Sie landete im Staubsaugerbeutel unter dem Dreck,
der sich daran angesammelt hatte. Ich hörte sofort auf mit dem Saugen und kramte in dem Beutel herum mit den Fingern. Sie war nicht zu finden! Dann schüttete ich den Beutel über einem Sieb aus,
und wie gut, ich fand meine Hoffnung wieder.
Mir hat das etwas klar gemacht. Die Hoffnung kann uns abhanden kommen. Sie ist verborgen und unauffindbar unter all dem Unrat. Wenn das passiert, dann müssen wir die Stopp-Taste drücken.
Und uns auf die Suche machen. Und nicht aufhören damit, bis wir sie wieder gefunden haben. Manchmal gibt es aber auch Leute, die sich für uns die Ärmel hochkrempeln und die Hände schmutzig machen, und für uns die Hoffnung wieder ausgraben aus all dem Unrat und Durcheinander, das sich in unserem Leben angesammelt hat.
Solche Leute sind die Menschen, die heute hier geehrt werden.
Sie stehen für einen Glauben, der in der Liebe tätig ist.
Und sie bringen mit diesem Tun, die Weihnachtsbotschaft glaubwürdig rüber.
Sie schenken neue Hoffnung an einem Abend, der genau dafür wie gemacht ist.
Ich finde die Auswahl der Preisträger ist gelungen.
Und ich gratuliere Ihnen!
Und auch uns Jülichern zu diesem wichtigen Engagement, das Sie Jahr für Jahr leisten.
Damit schließe ich und sage:
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.