Start Hintergrund Einführung in das zeichnerische Werk von Uwe Cormann

Einführung in das zeichnerische Werk von Uwe Cormann

Uwe Cormann, Federzeichnungen aus dem alten Jülich und ein Linolschnitt Ausstellung im Rathaus der Stadt Jülich Eröffnung am 14. November 2019 von Dr. Peter Nieveler

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Ausschnitt aus einer Zeichnung von Uwe Cormann. Foto: Archiv
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UWE CORMANN ist ein alter Jülicher. Stolz zeigt er auf seine Federzeichnung des 1944 zerstörten Jülicher Krankenhauses am Neusser Platz – auf sein Geburtshaus, wo er 1941 das Licht der Welt erblickte.
Ich selbst bin ein an Jahren noch älterer Jülicher und daher ein sozusagen »kindlicher Zeitzeuge«, der all die von Cormann gezeichneten Gebäude noch gesehen haben könnte, wenn ich denn auch überall hingeschaut und gewusst hätte, wie bald das alles in Schutt und Asche versinken würde. Ganz ehrlich: Ich weiß nicht genau, was meine Erinnerung da gespeichert hat: Ist es die Wirklichkeit von damals vor fast achtzig Jahren oder sind es doch nur die Ansichtskarten, Fotos, Zeichnungen, Bilder, Erzählungen und Kommentare, die sich eingenistet haben?
Trotzdem oder gerade deshalb freue ich mich, Ihnen ein wenig erzählen zu dürfen über den Künstler und von dem, was die Zeichnungen Uwe Cormanns erzählen.

Er war nur drei Jahre alt, als die Familie ausgebombt aus Jülich nach Eisleben in Thüringen evakuiert wurde. Es war im Herbst 1944, als die Stadt unter Dauerbeschuss aus vielen Rohren lag. Bei der Rückkehr im November 1945 gab es da, wo schon wieder ein paar Jülicher wohnten, nur Trümmerhaufen und keinen Platz für eine vierköpfige Familie. Da war es ein Glück, dass Mutter Cormann von der Mosel kam, aus der Gegend von Bernkastel. Dort fand sich eine Wohnung für die Jülicher – und man blieb acht Jahre lang.

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Danach besuchte Uwe Cormann in Jülich noch ein paar Jahre lang die Volksschule, machte eine Lehre bei Stüssgen in der Kölnstraße, wo heute das Schuhhaus Rosenbaum ist, legte die Kaufmannsgehilfenprüfung ab, verbrachte achtzehn Monate als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr und dann bald dreizehn Jahre als Angestellter im Kreiswehrersatzamt. Sein Traumberuf war das aber eher nicht. So besuchte er die Abendschule in Aachen und schloss sie mit der Begabtensonderprüfung ab. Es folgte ein Lehrerstudium, und dann war er von 1981 bis 2002 Hauptschullehrer in Grevenbroich. Gewohnt hat er aber schon immer mit seiner Frau, einer Tochter und zwei Söhnen in Jülich.

Das hört sich nach einem bewegten Leben an. Seine Federzeichnungen wirken jedoch eher ruhig und gleichmäßig in Größe und Kunstform. Die mit Bleistift vorgezeichneten Bilder werden mit der Tuschefeder ausgestaltet. Und da sind viele Striche zu machen, sehr viele, bis weiche Schatten und scharfe Konturen deutlich werden – alle mit derselben Federdicke gezeichnet – mit großer Mühe und viel Kunstverstand.

Und so ist eine ganze Stadt entstanden, Cormanns Stadt, Jülich, eine Stadt, die es in dieser Einheitlichkeit, dieser idealen Linienführung nie gegeben hat, eine Stadt, wie sie der Künstler Uwe Cormann in seinen Träumen immer gesehen hat, eine Stadt, die er immer schon geliebt hat und die er uns in seinen Bildern heute hier vorführt.
Und wenn man rechts hinten beginnt, dann kann man einen Rundgang machen von der alten Rurbrücke und Haus Hesselmann aus vorbei am Aachener Tor und am Hexenturm mit einem Blick dann in die Kirchgasse und die Stiftsherrenstraße mit der Stadtmühle, über Markt und Kirchplatz durch die Kölnstraße hin zur Neußerstraße mit dem Krankenhaus und dem damals noch Staatlichen Gymnasium mit der Dienstwohnung des Direktors, die durch einen gedeckten Gang mit der Schule verbunden war, damit der Chef nur ja nicht nass wurde oder gar frieren musste. Die Bilder führen zur Römerstraße mit Kloster und Schule der Olper Franziskanerinnen und dem Gebäude des Vereinsgartens, in dem sich 1848 in Jülich die Revolution abspielte. Sie führen zur Wilhelmstraße mit der großbürgerlichen Stadtvilla des Fabrikanten Eichhorn aus Kirchberg.

An jenem schrecklichen 16.November 1944 ging alles in Flammen auf und wurde zu Staub zermalmt. Auf Cormanns Bildern gibt es diesen Staub nicht. Seine Stadt ist sauber, ebenmäßig und schön, so schön wie sie in der Erinnerung vieler Überlebender und noch Lebender bis heute geblieben ist.

Ein hier ausgestelltes Bild des Künstlers fällt jedoch heraus aus der erinnerten Schönheit. Es ist viel größer, ist nicht gezeichnet, sondern in Linol geschnitten und dann gedruckt: Die Jülicher Pieta hängt im Zentrum der Ausstellung. Nicht einmal einen Rahmen hat das Bild, und ein wenig verkleckert ist es auch. Vielleicht sollte es so sein, dass nur dieser Erstdruck hier hängt, dass der Rahmen nicht fertig wurde. In all der vergangenen Jülicher Schönheit war der verschmutzte Blick auf die Zerstörung unbedingt nötig. Cormann ist ein tief gläubiger Mensch, ein Katholik der alten Schule. Und so setzt er mitten in die Trümmerlandschaft die Mutter Gottes mit dem toten Sohn. Er setzt sie vor die Kirche, die seit mehr als tausend Jahren Maria geweiht ist – allerdings der Königin des Himmels, die hier als »schmerzhafte Mutter« mit Jülich und seinen Bewohnern trauert über den Tod der Stadt.

Wie er den Linoldruck hergestellt hat, das wird er Ihnen gerne bei einem Rundgang erläutern. Ich wünsche Ihnen einen verständnisvollen Blick auf die alte Stadt, die nicht mehr ist, auf deren Boden wir aber alle leben – gut leben sogar! Gott sei Dank!


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